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Branchen | Russland | Forstwirtschaft & Klimaschutz

Schutz der Wälder erhält höhere Priorität

Russland beheimatet ein Fünftel der weltweiten Wälder. Doch Feuer und Raubbau setzen der grünen Lunge zu. Digitalisierung, Brandprävention und Aufforstung sollen Abhilfe schaffen.

Von Hans-Jürgen Wittmann | Moskau

Russland verfügt zum 1. September 2021 über 894 Millionen Hektar Wald, meldet die föderale Agentur für Forstwirtschaft, Rosleschos, auf Grundlage einer im Jahr 2020 abgeschlossenen Neuinventarisierung. Das entspricht einer Zunahme des Bestands um rund ein Drittel im Vergleich zu den jahrzehntealten Daten aus dem Staatsforstregister. Doch Experten melden Zweifel an der Methodik der Neuvermessung an. Die Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) beziffert den Waldbestand auf rund 815 Millionen Hektar. Daher beinhaltet eines der Ziele der „Strategie zur Entwicklung der Forstwirtschaft“ die genaue Vermessung der Wälder bis 2030. Auf ihrer Grundlage sollen dann Quoten zur Holzernte und Wiederaufforstung definiert werden.

Digitalisierung soll illegalen Holzeinschlag eindämmen

Im Jahr 2020 wurden rund 15.300 Fälle von illegalem Holzeinschlag mit einem Schadensvolumen von 1,1 Millionen Kubikmetern im Wert von rund 150 Millionen Euro offiziell von Rosleschos festgestellt - ein Anstieg um 3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Doch die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen. Pro Jahr wird Holz in einer Größenordnung von bis zu 30 Millionen Kubikmetern illegal geerntet, gab die für Forstwirtschaft zuständige stellvertretende Ministerpräsidentin Viktoria Abramtschenko im Jahr 2020 zu Protokoll - rund ein Siebtel der gesamten Einschlagsmenge von 220 Millionen Kubikmeter. Der Großteil davon geht nach China.

Zur Eindämmung des Raubbaus setzt die Regierung auf die digitale Nachverfolgung des Holzhandels. Seit 1. Juli 2021 müssen alle Marktteilnehmer elektronisch alle Daten über das geerntete Rundholz in das modernisierte einheitliche staatliche Informationssystem zur Erfassung des Holzhandels „LesEGAIS“ eintragen. Mit einem elektronischen Begleitdokument soll jeder Baum von seiner Parzelle über den Lieferweg und Lagerort bis zur Verarbeitung und dem Export über ein digitales Track- & Trace-System nachverfolgt werden können. Ab 1. Januar 2023 soll ein „Staatliches Informationssystem der Forstwirtschaft“ (FGIS) LesEGAIS ablösen.

Waldbrände dezimieren Russlands grüne Lunge

Die Waldbrandsaison in Russland entwickelte sich in den letzten Jahren immer verheerender. Im Jahr 2021 wurden rekordverdächtige 18,2 Millionen Hektar Wald ein Opfer der Flammen, meldet Rosleschos. Das entspricht rund der halben Staatsfläche der Bundesrepublik. Die Kombination aus kürzeren Frostperioden, teilweise tropischen Temperaturen im Sommer und ausgedehnteren Trockenphasen begünstigt eine frühere und schnellere Ausbreitung der Waldbrände. Schädlingsbefall wirkt zusätzlich als Brandbeschleuniger. Die Schäden belaufen sich auf mehrere Milliarden Euro pro Jahr.

Rund die Hälfte der Brände ist menschengemacht und entsteht durch unachtsamen Umgang mit Feuer. Ein weiteres Drittel entfällt auf Blitzeinschläge. Zudem wird absichtlich Feuer gelegt, um illegalen Holzeinschlag zu verschleiern. Ein Großteil der Brände wütet in unbewohnten Gebieten und muss deshalb laut Gesetz nicht gelöscht werden. Da die finanziellen, materiellen und personellen Ressourcen zu gering sind, konzentrieren sich die Feuerwehren nur auf die Brandbekämpfung in der Nähe von Siedlungen.

Die Rekordwaldbrände erhöhen den Handlungsdruck auf die Regierung. Im Rahmen der „Strategie zur Entwicklung der Forstwirtschaft“ soll bis 2030 der Schutz vor Waldbränden verstärkt werden. Die finanziellen Mittel für die chronisch unterfinanzierte Waldüberwachung und Brandbekämpfung sollen auf rund 1,2 Milliarden Euro pro Jahr mehr als verdreifacht werden. Daneben solle die derzeit nicht flächendeckende präventive Beobachtung der Wälder per Video, Flugzeug und Satellit verdoppelt werden, fordert das Umweltministerium.

Um zeitnah auf ausbrechende Brände in den entlegenen Regionen Sibiriens und des Fernen Ostens reagieren zu können, steckt die Regierung rund 60 Millionen Euro in die Einrichtung des Waldbrand-Bekämpfungszentrums „Sewer“ in der Region Krasnojarsk. Gelder fließen in die Ausbildung von Feuerwehrleuten und Feuerspringer sowie in die Beschaffung von neuer Ausrüstung. Um Löschfahrzeugen besseren Zugang zu entlegenen Waldgebieten zu ermöglichen, soll sich die Länge der jährlich angelegten Forstwege bis 2030 auf 2.000 Kilometer vervierfachen. Zudem soll ein intensiveres Bewirtschaftungssystem das Waldbrandrisiko senken.

Wiederaufforstung soll Waldbestand erhalten

Russland verfügt mit einer nutzbaren Freifläche von 151 Millionen Hektar - drei Mal so groß wie Deutschland - weltweit mit Abstand über das größte Potenzial zur Wiederaufforstung. Ende 2020 belief sich die nicht aufgeforstete Fläche bereits auf 35 Millionen Hektar. Im Jahr 2020 wurden von den geernteten 220 Millionen Kubikmetern nur rund 72,8 Prozent der abgeholzten Fläche wiederaufgeforstet, berichtet Juri Gagarin vom Zentrum für Ökologie und Waldproduktivität der Russischen Akademie der Wissenschaften (RAN). Da Waldgebiete meist nur für 49 Jahre verpachtet werden, haben Unternehmen kaum Anreize, neue Bäume zu pflanzen. Damit Nadelbäume erntereif werden, gehen jedoch durchschnittlich 80 Jahre ins Land.

Die Regierung treibt die Wiederaufforstung voran. Im Basisszenario der „Strategie zur Entwicklung der Forstwirtschaft“ soll die Waldfläche bis 2030 um 3 Prozent wachsen und bis dahin die Fläche des jährlichen Holzeinschlages vollständig ausgleichen. Pro Jahr sollen rund 500 Millionen Bäume gepflanzt werden, vor allem Sorten mit hohem Erntepotenzial wie Tannen und Fichten. Das dazu notwendige Saatgut soll bevorzugt aus einheimischer Erzeugung kommen. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace schlägt vor, auch auf landwirtschaftlichen Brachflächen Wälder anzupflanzen. Dort könnten bis zu 100 Millionen Hektar aufgeforstet werden.

Im von Waldbränden und Raubbau stark betroffenen Fernen Osten will die Regierung Parzellen zur Aufforstung im Austausch gegen Emissionszertifikate verpachten. Aufgrund veralteter Datensätze gestaltet sich die konkrete Planung jedoch schwierig.

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