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Chinas Baukonjunktur trübt sich stark ein

Die Neubauprojekte sind Ende 2021 eingebrochen. Die Lage wird 2022 sehr angespannt bleiben. Auch langfristig sind die Aussichten eher verhalten.

Von Roland Rohde | Hongkong

Chinas Bausektor befindet sich in einer Abwärtsspirale. Mitausgelöst wurde diese durch die Krise des Immobilienkonzerns Evergrande, der über 300 Milliarden US-Dollar (US$) an Schulden aufgehäuft hatte und teils nicht zurückzahlen konnte. Beijing verhinderte immerhin ein Übergreifen auf den Finanzsektor. Was auch mit dem maroden Unternehmen demnächst passiert - Umstrukturierung, Übernahme oder geregelter Konkurs - wird nach Einschätzung der allermeisten Landeskenner keine Kettenreaktion mehr auslösen.

Wohl hat die Krise eine fragwürdige Geschäftspraxis in der Branche aufgedeckt: Neue Schulden wurden bei staatlichen Banken aufgenommen, um alte Verbindlichkeiten zu bedienen. Wohnungen werden lange vor Baubeginn verkauft. Auch andere Immobilienfirmen sind in Schieflage geraten. Die Käufer sind in Folge vorsichtiger geworden. Einige haben Totalverluste erlitten. Letztendlich wird die Evergrande-Pleite noch länger auf die Baukonjunktur nachwirken.

Beijing lockert Kreditvergabe abermals

Der Regierung war das Treiben der Branche schon länger ein Dorn im Auge. Sie hatte vor rund anderthalb Jahren die Finanzierungsmöglichkeiten für Immobilienfirmen und Häuslebauer eingeschränkt und war damit für die Abkühlung des Sektors und die Firmenpleiten letztendlich mitverantwortlich. Doch zum Jahreswechsel 2021/22 vollzog sie eine Kehrtwende, da der Abwärtssog zu stark wurde. Sie erleichterte die Aufnahme von Hypothekenkrediten und senkte die Zinsen.

Tatsächlich gab es auch einen leichten, kurzzeitigen Aufwärtstrend. Doch dann machte eine neue Coronawelle alles wieder zunichte. Im Frühjahr 2022 erreichten die Ansteckungszahlen für chinesische Verhältnisse dramatische Ausmaße. Da die Regierung eine strikte Null-Covid-Politik fährt, kam es in zahlreichen Landesteilen und Städten zu umfangreichen Einschränkungen. Unter anderem in Shenzhen und Shanghai gab es komplette Lockdowns. Die Lage dürfte sich weiter verschärfen und den Rest des Jahres 2022 äußerst angespannt bleiben.

Corona sorgt für Transportstörungen 

Die ökonomischen Kosten der Null-Covid-Politik werden damit weiter steigen. Eine zeitweise Rezession in einzelnen Quartalen ist 2022 nicht mehr ausgeschlossen. Für die Bauwirtschaft sind das keine guten Aussichten, zumal auch sie von Lockdowns und Störungen in den Lieferketten betroffen ist. Der Transport von Baustoffen und anderen Vorprodukten funktioniert nicht mehr richtig. Baustellen stehen still, weil die Arbeiter in Quarantäne sind.

Die ökonomischen Kosten der Null-Covid-Politik steigen immer weiter. Das spürt auch die Baubranche.

Zugleich leidet die Branche unter stark steigenden Produzentenpreisen. Die Margen in der Industrie sind bereits seit längerer Zeit spürbar unter Druck gekommen. Nach Angaben des nationalen Statistikamtes NBS (National Bureau of Statistics of China) sind die Gewinne innerhalb der Baubranche im Jahresdurchschnitt 2020 und 2021 kaum noch gestiegen. Im 2. Halbjahr 2021 sind sie sogar deutlich gefallen. Viele Baufirmen schreiben aktuelle tiefrote Zahlen.

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Zahlungsmoral verschlechtert sich

Einstimmig berichten Zulieferer oder Architekten, dass die Zahlungsmoral innerhalb der Branche rasant nachgelassen habe. Die Baufirmen bezahlen ihre Vorleistungen und Maschinen mithilfe der Anzahlungen für neue Vorhaben. Der Zugang für Mittelständler zu Bankkrediten ist beschränkt. Doch das Neuprojektgeschäft ist seit dem 4. Quartal 2021 stark zusammengeschrumpft. Fürs erste Halbjahr 2022 ist mit einer weiteren Verschlechterung zu rechnen. All dies drückt nach Angaben von Branchenkennern bereits seit geraumer Zeit auch auf die Nachfrage nach Baumaschinen.

Innerhalb des Hochbaus leiden Büro- und Handelssparte besonders stark. Angesichts von Homeoffice und E-Commerce fällt hier die Investitionslaune denkbar gering aus. Allerdings sind die beiden Bereiche zusammengerechnet nur für rund 10 Prozent der Vorhaben im Hochbau verantwortlich. Der Rest entfällt auf den Wohnungsbau. Dort gab es an der Preisfront noch keinen allgemeinverbindlichen Trend. In einigen Städten waren im Dezember 2021/Januar 2022 die Preise noch gestiegen, in anderen Metropolen (teils in unmittelbarer Nachbarschaft) kam es zu Rückgängen.

Chinas Hochbausektor im Überblick (Investitionen in Milliarden US-Dollar, Projekte in Millionen Quadratmeter, Veränderung in Prozent)

Indikator

2021

2021/20 Veränderung

Realisierte Immobilieninvestitionen, davon

2.889

4,4

  Wohnungsbau

1.724

6,4

  Bürobau

93

-8,0

  Handelsfläche

193

-4,8

Neu begonnene Hochbauprojekte, davon

1.989

-11,4

  Wohngebäude

1.464

-10,9

  Bürogebäude

52

-20,9

  Handelsflächen

141

-21,7

Quelle: Nationales Statistikamt Chinas (NBS)

Insgesamt ist es aber zu einer deutlichen Verlangsamung der seit Jahrzehnten anhaltenden Preissteigerungen gekommen. Neben den aktuellen Problemen muss der Wohnungsbau nämlich mit zusätzlichen strukturellen Schwierigkeiten kämpfen. China verabschiedet sich gerade von den Zeiten stürmischen Wirtschaftswachstums. In den nächsten Jahren dürfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nur noch um real 4 bis 5 Prozent zulegen. Etliche Ökonomen sind sogar noch vorsichtiger.

Verschuldungs- und Alterungsproblematik machen sich bemerkbar

Verantwortlich dafür sind vor allem die nicht mehr tragfähige Verschuldung und die rasche Alterung der Gesellschaft. Die Unternehmensverschuldung war bereits vor Corona die höchste Asiens und die Geburtenrate liegt seit 2020 sogar unter dem deutschen Niveau. China hat den Wettlauf, schneller "reich" als alt zu werden, verloren. In Zukunft müssen immer mehr Finanzmittel zur Stabilisierung des Rentensystems und zur Begleichung von Verbindlichkeiten verwendet werden. Sie fehlen dann auf der investiven Seite.

Die Immobilie gilt immer noch als beste Altersvorsorge. Das könnte sich bei einer starken Preisbereinigung ändern.

Das wird man insbesondere im Infrastrukturbereich spüren. Dort stiegen die Investitionen bereits 2020 und 2021 kaum noch. Vornehmlich im verlustbringenden Bahnsektor werden sich viele geplante Projekte nicht mehr finanzieren lassen. Anders sieht die Situation möglicherweise im Wohnungsbau aus. Schließlich gilt der Besitz einer Immobilie immer noch als beste Altersvorsorge. Angesichts der raschen Alterung der Gesellschaft wird hier der Bedarf vonseiten der chinesischen Sparer hoch bleiben. Kommt es allerdings zu einer starken Preisanpassung nach unten, könnte viel Vertrauen verloren gehen.

Die teuersten Städte Chinas (Quadratmeterpreis in US-Dollar)

Stadt

2021*)

Shenzhen

11.041

Shanghai

10.357

Beijing

9.894

Xiamen

7.700

Guangzhou (Kanton)

7.155

Hangzhou

6.567

Sanya

6.025

Nanjing

5.240

Fuzhou

4.167

Zhuhai

4.079

*) DezemberQuelle: China Real Estate Net

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