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Special | Italien | Lieferketten

Die meisten europäischen Wirkstoffe kommen aus Italien

Die italienische Pharmaindustrie produziert für den Weltmarkt und positioniert sich erfolgreich im globalen Wettbewerb, dies sowohl bei Medikamenten als auch bei Wirkstoffen.  

Von Oliver Döhne | Mailand

Das Land ist Deutschlands sechstwichtigster Lieferant pharmazeutischer Erzeugnisse. Im Jahr 2019 kamen mit etwa 3 Milliarden Euro rund 4,8 Prozent der deutschen Brancheneinfuhr aus Italien. Seit 2010 stieg die deutsche Einfuhr von dort stärker als der Gesamtimport. 

Größter Importposten sind - statistisch nicht weiter untergliederte - Medikamente. Laut italienischer Arzneimittelbehörde AIFA sind Medikamente für folgende Bereiche Exportschlager: kardiovaskuläres System, Nervensystem, Muskel- und Skelettsystem, Urogenitalsystem, Magen-Darm-Trakt, Stoffwechsel, Atmung, Immuntherapien, Infektionskrankheiten.

Italien ist Deutschlands wichtigster Lieferant von Antibiotika- und Corticosteroidhormon-Medikamenten, der drittwichtigste für Antibiotika als Wirkstoff sowie für Medikamente auf Basis von Insulin oder Streptomycin, der viertwichtigste für Hormonmedikamente (Nebennierenrinde und Costeroide) und der fünftgrößte für immunologische Erzeugnisse.

Deutsche Einfuhr ausgewählter Pharmachemikalien und Medikamente aus Italien (in Tausend Euro, Veränderung in Prozent)

Warennummer und Bezeichnung

2010

2019

Veränderung 2019/2010

Hormone (WA2937)

10.734

16.563

54,3

Antibiotika (WA2941)

25.842

19.975

-22,7

Immunologische Erzeugnisse (WA300215)

-*

867.735

-*

Vaccine für die Humanmedizin (WA300220)

19.376

28.080

44,9

Arzneiwaren, Streptomycine, Penicilline, dosiert (WA300410)

25.055

25.998

3,8

Arzneiwaren, Antibiotika enthaltend, dosiert (WA300420)

23.708

81.819

245,1

Arzneiwaren, Insulin enthaltend, dosiert (WA300431)

53.531

82.129

53,4

Arzneiwaren, Corticosteroidhormone, dosiert (WA300432)

38.108

188.267

394,0

Arzneiwaren, Hormone a.n.g. enthaltend, dosiert (WA300439)

66.862

70.098

4,8

* neue KategorieQuelle: Destatis

Als Produzent in Europas Spitze

Die italienische Pharmaindustrie produzierte 2019 Pharmazeutika für rund 34 Milliarden Euro und musste dafür etwa 13,2 Milliarden Euro an Vorprodukten importieren. Viele Wirkstoffe entwickelt das Land dennoch selbst. Besonders bei komplexeren Wirkstoffen besteht Kompetenz. Mitte April 2021 entfielen laut European Directorate for the Quality of Medicines & Healthcare (EDQM) etwa 8,1 Prozent der gültigen Certificates of Suitability (CEP) für aktive Wirkstoffe auf Italien, insgesamt waren es 446, siebenmal mehr als 2010. Etwa ein Viertel aller europäischen CEP kommt aus Italien.

Mitte April 2021 hielten 59 italienische Hersteller gültige CEP. Wichtigste Entwickler und Produzenten aktiver Wirkstoffe sind Olon, F.I.S., Farmbios, Fresenius Kabi, Industriale Chimica, Sterling, Indena, Erregierre, ACS Dobfar, Dipharma, Cambrex, Amri, Newchem, Corden, Bidachem, Bioindustria, Ricordati, Sims, Salars und Sanofi. Der Branchenverband Aschimfarma vereint 71 Firmen mit 109 Produktionen, 11.900 Mitarbeitern und einem jährlichen Umsatz von etwa 3,7 Milliarden Euro.

Mit wenigen Ausnahmen sind die Hersteller aktiver pharmazeutischer Wirkstoffe (API) um Mailand angesiedelt. Eine wichtige Pharmaregion ist neben der Lombardei das Latium (Rom, Latina, Frosinone). Gemeinsam sind die Regionen für 64 Prozent des italienischen Pharmaexports verantwortlich. 

Deutschland ist drittwichtigster Absatzmarkt

Italiens Pharmaindustrie ist stark exportorientiert und darin erfolgreich. Im Jahr 2019 verkaufte die Branche rund 96 Prozent ihrer Produktion ins Ausland, bei den Wirkstoffen waren es 85 Prozent. Bei 67 Prozent des Exports handelt es sich um Medikamente, bei 30 Prozent um Basis- und Wirkstoffe, bei 3 Prozent um Impfstoffe. Der Export stieg 2019 im Vergleich zum Vorjahr um 25,6 Prozent auf 32,6 Milliarden Euro.

Deutschland war, nach den USA und Belgien, drittwichtigster Absatzmarkt und nahm etwa 10,6 Prozent der Arzneimittelausfuhr ab. Etwa 60 Prozent des Medikamentenexports läuft über Großhändler, davon ging ein Viertel nach Deutschland. 

Multinationale Konzerne sind vor Ort

Die Pharmabranche ist ein strategischer Pfeiler der italienischen Wirtschaft und steht entsprechend in der Gunst der Politik. Unternehmer loben Qualität, Flexibilität und Erfahrung der Arbeitskräfte sowie die Clustersynergien. Viele internationale Konzerne haben in Werke für den Weltmarkt investiert, darunter Pfizer, Sanofi, Johnson & Johnson, Elli Lilly, Novartis, Roche, Bristol Myers Squibb, Takeda und GSK.

Bayer produziert in Garbagnate bei Mailand unter anderem verschreibungspflichtiges Kardio-Aspirin für den chinesischen Markt, dazu Antibiotikamedikamente, Antikoagulanzien, Diabetes- und Hämophiliemedikamente. Die Wirkstoffe kommen fast ausschließlich aus Deutschland, Hilfs- und Füllstoffe aus diversen europäischen Länder, Kanada und den USA. Garbagnate ist eine der modernsten Pharmaproduktionen der Welt und erhielt 2018 einen Digitalisierungs-Award des World Economic Forum. 

Fresenius Kabi produziert in Cassina de' Pecchi bei Mailand sterile Beta-Laktam-Antibiotika für die Infusion. Im August 2020 eröffnete das Unternehmen in Villadose bei Rovigo in Venetien ein Forschungszentrum, im Februar 2021 kam dort eine Produktion für Peptid-Antibiotica hinzu.

Die Produktionsanlage von Sanofi in Brindisi erfährt durch die kürzliche Ausgliederung einer eigenen API-Gesellschaft eine Aufwertung. In Brindisi produziert Sanofi auch Wirkstoffe gegen bakterielle Infektionskrankheiten der Haut und der Weichteile (Teicoplanin), Antibiotika für die Behandlung von Tuberkulose (Rifamycin) und Toxoplasmose während der Schwangerschaft (Spiramycin). 

Daneben gibt es viele, meist kleinere einheimische Firmen, auf die laut Farmindustria rund 42 Prozent des Marktvolumens entfallen. Darunter befinden sich Bracco, Menarini, Chiesi, Alfasigma, Abiogen, Angelini, Italfarmaco, Dompé, Zambon, Mediolanum, Kedrion, IBN Savio und Molteni. Bracco liefert seine in Italien produzierten chemischen Substanzen an das deutsche Tochterunternehmen Bipso in Singen, wo diese zu Infusionzubereitungen von Kontrastmitteln für Diagnosegeräte verarbeitet werden.

Auch als Auftragsproduzenten (Contract Manufacturer) sind italienische Firmen gefragt. Hier ist das Land mit einem Umsatz von rund 2,1 Milliarden Euro die Nummer Eins in Europa.

Strategische Schwerpunkte

Die Branche will sich zunehmend auf onkologische Medikamente, Plasmaderivate, Medikamente für seltene Krankheiten (orphan drugs) sowie neuartige Therapien (advanced therapies) spezialisieren.

Engpässe an Vorprodukten könnten auftreten, zumal bei vielen Hilfs- und Füllstoffen eine Abhängigkeit von günstigeren Ländern besteht. Auch bei Ampullen, Spritzen und sterilen Produktionsanlagen können Kapazitäten nicht kurzfristig erhöht werden.

Informationen zu Branche und Standortfaktoren in Italien

Positive Standortfaktoren

  • Wettbewerbsfähigste Branche des Landes
  • Große Präsenz internationaler Konzerne
  • Gut ausgebildete, erfahrene Arbeitskräfte
  • Politische Unterstützung
  • Viel Forschung und Entwicklung/Wirkstoffentwicklung

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