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Wirtschaftsumfeld
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Australien konnte die Coronamaßnahmen weitgehend lockern. Dies führt auch zu einer spürbaren wirtschaftlichen Erholung. (Stand: 5. Februar 2021)
Von Heiko Stumpf | Sydney
Australien hat das Infektionsgeschehen insgesamt gut im Griff. Als Achillesferse erweisen sich allerdings die Quarantänehotels, in denen Einreisende aus dem Ausland zwei Wochen in Selbstisolierung verbringen müssen. Zuletzt kam es immer wieder zu Ansteckungen von dort beschäftigtem Personal, wodurch zum Teil auch lokale Infektionsketten ausgelöst wurden.
Die Behörden reagieren in solchen Fällen mit schnellen und entschlossenen Maßnahmen. Ende Januar 2021 reichte die Ansteckung eines einzelnen Beschäftigten eines Quarantänehotels, um den gesamten Großraum Perth mit rund 2 Millionen Einwohnern in einen fünftägigen Lockdown zu schicken.
Zuvor hatte es auch in Adelaide und Brisbane vergleichbare Kurz-Lockdowns gegeben. Sydney reagierte Ende 2020 auf einen lokalen Ausbruch mit einer mehrwöchigen Abriegelung der nordöstlichen Stadtteile. Zusammen mit den gut funktionierenden Kontaktverfolgungssystemen gelingt es so, einzelne Infektionsherde schnell unter Kontrolle zu bringen.
Die australischen Bundesstaaten haben verbindliche Regeln für die digitale Kontakterfassung erlassen. Alle Besucher von Geschäften oder Restaurants müssen sich per QR-Code und offizieller App registrieren. Der Beginn der Impfkampagne ist für Ende Februar 2021 geplant.
Da strenge Coronamaßnahmen nur noch mit örtlicher und zeitlicher Begrenzung verhängt werden müssen, funktioniert das tägliche Leben in Downunder weitgehend normal. Einzelhandel und Gastronomie können unter Beachtung bestimmter Abstandsregeln öffnen. Selbst Kultur- und Sportveranstaltungen mit Publikum finden statt.
Im Central Business District (CBD) der Finanzmetropole Sydney nimmt die Geschäftigkeit deutlich zu, so dass auch der dort ansässige Handel und die vielen kleinen Dienstleistungsbetriebe wieder etwas optimistischer in die Zukunft blicken. Der CBD trägt allein sieben Prozent zur BIP-Entstehung bei.
Weitere Informationen zur aktuellen Lage finden sich auf den Webseiten der einzelnen Bundesstaaten.
Nach Schätzung der nationalen Notenbank schrumpfte das australische Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2020 um real 2,5 Prozent. Durch die weitgehenden Lockerungen dürfte die erste Wirtschaftskrise seit fast 30 Jahren aber bald Geschichte sein. Zuletzt war Australien 1990 in eine Rezession gerutscht.
„Der konjunkturelle Aufschwung kommt früher und stärker in Gang als erwartet. Nach neuen Prognosen könnte die Wirtschaftsleistung bereits Mitte 2021 wieder das Vorkrisenniveau erreichen", erklärt Christoph von Speßhardt, Geschäftsführer der AHK Australien.
„Neben steigenden Verbraucherausgaben wird das positive Geschäftsklima in wichtigen Exportzweigen wie Bergbau und Landwirtschaft den Weg aus der Krise ebnen", so von Speßhardt. Der Eisenerz- und Goldabbau boomen und die Landwirtschaft steht vor einer Spitzenernte.
Die Prognosen für das Jahr 2021 wurden zuletzt weiter nach oben korrigiert. Die Notenbank erwartet mittlerweile für 2021 ein Wirtschaftswachstum von 4 Prozent, und der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet mit einer BIP-Steigerung in Höhe von 3,5 Prozent.
Die positive Entwicklung zeigt sich insbesondere auf dem Arbeitsmarkt. Zu Begin der Pandemie war es bei Fluggesellschaften sowie im Einzelhandel, Gastronomiegewerbe und Tourismus zu Massenentlassungen gekommen. Vor den Centrelink-Büros, die die staatliche Arbeitslosenunterstützung verwalten, kam es zu hunderte Meter langen Schlangen. Bilder, die Australien seit der großen wirtschaftlichen Depression der 1930-er Jahre nicht mehr gesehen hatte.
Seit dem Tiefpunkt im Mai 2020 wurden bis Dezember 2020 jedoch wieder rund 785.000 neue Jobs geschaffen. Dadurch konnten rund 90 Prozent der durch die Krise verloren gegangenen Arbeitsplätze wiedergewonnen werden. Im Dezember 2020 lag die Arbeitslosigkeit dadurch nur bei 6,6 Prozent. Zahlreiche Volkswirte hatten infolge der Rezession mit einer zweistelligen Erwerbslosenrate gerechnet.
In den kommenden Monaten dürfte sich die positive Entwicklung fortsetzen. Bis Jahresende 2021 erwartet die Notenbank einen Rückgang der Arbeitslosigkeit auf rund 6 Prozent. Wichtige Regierungsmaßnahmen wie Lohnzuschüsse werden noch bis März 2021 weitergeführt.
Von der guten Entwicklung der Beschäftigungslage profitiert der Einzelhandel. Im Corona-Jahr 2020 stiegen die Umsätze real um 2,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Gefragt war alles, was zu Hause benötigt wird, wie Lebensmittel, Haushaltswaren, Möbel oder Elektronik. Große Handelsketten wie Harvey Norman, JB-HiFi oder Bunnings verzeichnen hohe Gewinne.
Längerfristig unter der Krise leiden dürften jedoch der Tourismus und der Bildungssektor. Aufgrund geschlossener Grenzen fehlen die Einnahmen durch ausländische Besucher und Studierende.
Durch die Covid-19-Pandemie kommt es zu einer Neugewichtung der finanzpolitischen Prioritäten. Vor der Coronakrise hatte ein Budgetüberschuss zu den Kernzielen der Regierung gezählt. Durch die umfangreichen Hilfsmaßnahmen schreibt der Staatshaushalt nun jedoch tiefrote Zahlen. Für das Haushaltsjahr 2020/21 wird ein Defizit von 9,9 Prozent des BIP erwartet, das größte Haushaltsloch seit dem Zweiten Weltkrieg.
Nach Aussage von Schatzminister Josh Frydenberg wird die Haushaltskonsolidierung erst wieder auf die politische Agenda rücken, wenn die Arbeitslosenrate spürbar unter die Marke von 6 Prozent fällt. Bis dahin soll die Belebung des Investitionsklimas und des Verbrauchervertrauens im Mittelpunkt stehen. Dazu wurden bereits steuerliche Investitionsanreize für Unternehmen auf den Weg gebracht.
Vor Ausbruch der Coronakrise hatte die Nettostaatsverschuldung Australiens bei knapp 20 Prozent des BIP gelegen, ein im internationalen Vergleich sehr niedriger Wert. Bis 2024 wird ein Anstieg der Staatsverschuldung auf 43 Prozent erwartet.
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