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Special Brasilien

São Paulo gilt als Gründerzentrum Lateinamerikas

"Junge Menschen sind risikobereiter. Bei der schwierigen Lage am Arbeitsmarkt sind ein eigenes Unternehmen und die Aussicht auf finanzielle Unabhängigkeit umso attraktiver." So kommentiert Rafael Ribeiro vom brasilianischen Start-up-Verband ABStartups die Ergebnisse einer aktuellen Studie der Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD). Der internationale Vergleich belegt den Unternehmergeist junger Brasilianer. Zwölf Prozent der brasilianischen Start-ups wurden von Studierenden oder frisch Absolvierten gegründet. Nur in Kanada kam die OECD-Studie auf einen höheren Anteil.

Angesichts der hohen Nachfrage ändern immer mehr Fakultäten die Lehrmethoden und investieren in Inkubatoren. Selbst in einigen Schulen steht Innovation schon auf dem Lehrplan. Zu den bedeutendsten Inkubatoren gehören Cietec (São Paulo), COPPE/UFRJ (Rio de Janeiro) und Incamp (Campinas) sowie universitätsnahe Privatinitiativen wie Shell Iniciativa Jovem (Rio de Janeiro) und Miditec (Florianópolis).

Förderlandschaft variiert regional stark

Der Verband Associação Nacional de Entidades Promotoras de Empreendimentos Inovadores Anprotec listet derzeit 370 angeschlossene Inkubatoren, Acceleratoren, Technologieparks, Coworking-Einrichtungen und weitere Förderinstitutionen. Wichtige staatliche Förderprogramme sind Startup-Brasil, Conexão Startup Indústria sowie PIPE der Forschungsstiftung Fundação de Amparo à Pesquisa do Estado de São Paulo (Fapesp).

„Die Unternehmensbeteiligung an Forschungsinitiativen von großen Universitäten im Bundesstaat São Paulo wie Unicamp, UNESP und USP liegt ähnlich hoch wie an den US-amerikanischen Hochschulen“, versichert Sérgio Queiroz von Fapesp. Queiroz beklagt jedoch, dass Einrichtungen in anderen Regionen deutlich weniger private Zuwendungen erhalten. Fapesp ermöglicht Start-ups eine Förderung über öffentliche Gelder, selbst bevor diese offiziell ein Unternehmen angemeldet haben. Von 2014 bis 2017 verdoppelte sich die Zahl der geförderten Projekte. Die Zuwendungen vervierfachten sich nahezu auf etwa 22 Millionen Euro im Jahr 2017.

Private Starthilfen und Initiativen vervielfachen sich

Auf São Paulo konzentrieren sich auch die multinationalen IT-Konzerne. Google eröffnete Mitte 2016 den Campus São Paulo und startet 2018 das Acceleratorprogramm Launchpad. Ende 2017 weihte hier Facebook mit der Estação Hack sein erstes Innovationszentrum weltweit ein. Als Finanzzentrum Brasiliens profitiert die Metropole zudem von dem starken Engagement der Banken. Drei Jahre nach Eröffnung vervierfacht die private Bank Itaú den Raum für den Inkubator Cubo. In dem neuen Gebäude finden ab Mitte August 2018 über 200 Start-ups Platz. Zum Jahresbeginn 2018 eröffnete das Coworking-Büro Habitat der Bank Bradesco mit über 150 Start-ups. Seitdem folgten das Innovationslabor Lift Lab der Zentralbank, BoostLab der Bank BTG Pactual und ein Programm der Banco do Brasil.

Vor 2016 hatten laut einer Studie der Getúlio Vargas Stiftung (FGV) 45 Acceleratoren mehr als 1.100 Start-ups mit einem Gesamtbetrag von rund 14 Millionen Euro gefördert. Seitdem stieg das Interesse an Start-ups deutlich. Neben den Acceleratoren stehen auch andere Initiativen wie Innovation Labs oder Digital Hubs hoch im Kurs. Vom Agrarsektor bis zur Wasserwirtschaft - Unternehmen aller Branchen versuchen die digitale Transformation durch Kooperationen mit Start-ups zu begleiten und für sich zu nutzen. Ganz vorne dabei sind in Brasilien auch deutsche Konzerne wie Siemens, Bayer, BASF und Voith, die über das Programm „Startups Connected“ der Deutsch-Brasilianischen Industrie- und Handelskammer São Paulo Start-ups suchen.

 

Im internationalen Vergleich haben es Start-ups in Brasilien schwer

São Paulo bietet Start-ups das beste Ökosystem Lateinamerikas. Im Startup Ecosystem Ranking 2017 von StartupBlink schafft es São Paulo auf Rang 31. Insgesamt lag Brasilien allerdings nur auf Platz 39, und somit hinter Mexiko und Chile, aber vor Argentinien und Kolumbien. Den Experten zufolge beeinträchtigen insbesondere die schleppende Bürokratie und hohe Steuern das große Start-up-Potenzial Brasiliens. Schwierig ist auch die Finanzierung. Unter den hohen Kapitalkosten und dem erschwerten Kreditzugang leiden alle kleinen und mittelständischen Unternehmen in Brasilien.

Immer mehr brasilianische Start-ups melden ein Unternehmen in der US-Steueroase Delaware an. Nicht etwa um Steuern zu sparen, sondern um Investoren anzuwerben, die vor der hohen Bürokratie und den spezifischen Risiken Brasiliens zurückschrecken. Die neueröffnete Holding wird dann zum Partner in der „Tochterfirma“ in Brasilien. Dieses Vorgehen, das selbst einige Manager brasilianischer Fonds empfehlen, lohnt sich natürlich nicht in allen Fällen, verdeutlicht aber das schwierige Geschäftsumfeld in Brasilien.

Finanzierung bleibt trotz zunehmender Investitionen eine Herausforderung

Den Großteil ihrer Finanzierung leisten brasilianische Start-ups über eigene Ressourcen. Bislang war der Zugang zu Risikokapital äußert begrenzt. Doch die Investitionen steigen stark an. Laut des Verbands Latin American Private Equity & Venture Capital Association (Lavca) legten die Risikokapitalfonds 2017 insgesamt 860 Millionen US-Dollar (US$) in 113 brasilianische Start-ups an. Damit investierten sie mehr als doppelt so viel wie im Vorjahr. Die Zahl der begünstigten Unternehmen verdoppelte sich ebenso. Lavca begründet die Entwicklung unter anderem durch die gestiegene Anzahl ausländischer Fonds in Lateinamerika, die von 52 im Jahr 2015 auf 80 im Jahr 2017 zulegte.

Auch die Non-Profit-Organisation Anjos do Brasil registriert von Jahr zu Jahr höhere Summen. 2017 investierten Business Angels in Brasilien mit 308 Millionen US$ 16 Prozent mehr als im Vorjahr. Cassio Spina, der Vorsitzende der Organisation, sieht in dem neuen Gesetzeszusatz Lei Complementar 155/2016 und der damit geschaffenen Rechtssicherheit eine wichtige Grundlage für zunehmende Investitionen. Darüber hinaus steigt die Attraktivität der Anlageform durch die Reife der Projekte, die ersten brasilianischen Einhörner und die stark gesunkenen Zinsen, die den Ertrag aus Festgeldanlagen mindern. 


Text: Gloria Rose

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