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Wirtschaftsumfeld
Special | Frankreich | Coronavirus
Der Gesundheitssektor widersteht der zweiten Pandemiewelle besser als der ersten. Die Regierung setzt erste Maßnahmen ihres Hilfspakets für den Sektor um. (Stand: 13. Januar 2021)
Von Peter Buerstedde | Paris
Frankreich verfügt über ein im internationalen Vergleich gut ausgebautes und hochwertiges Gesundheitssystem. Durch die Corona-Epidemie ist es jedoch weiter stark unter Druck. Die Gesundheitsausgaben erreichten 2019 mit 11,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ein ähnliches Niveau wie in Deutschland (11,7 Prozent) und lagen damit deutlich über dem Durchschnitt der Mitgliedsländer der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) von 8,8 Prozent.
Wechselnde Regierungen haben in den vergangenen Jahren versucht, die Ausgaben zu bremsen. Sie sind mit 0,8 Prozent real zwischen 2013 und 2017 weniger stark gestiegen als in Deutschland mit 2,2 Prozent. Als Schwächen des französischen Gesundheitssystems gelten geringe Präventionsmaßnahmen (hoher Tabak- und Alkoholkonsum), ein wachsender Ärztemangel (viele Ärzte im Pensionsalter) und Koordinationsprobleme zwischen regionalen Gesundheitsbehörden sowie zwischen öffentlichen und privaten Einrichtungen.
Die Strategie der Regierung im Umgang mit der Epidemie ist grundsätzlich die gleiche wie in Deutschland. Sie zielt darauf ab, die Infektionszahlen einzudämmen und so eine Überlastung der Krankenhäuser und eine hohe Anzahl an Todesfällen zu vermeiden. Frankreich hatte im März mit einem schnellen Anstieg schwerer Krankheitsverläufe in einigen Regionen zu kämpfen. Auch wenn frühzeitig planbare Behandlungen aufgeschoben wurden und damit die Bettenkapazitäten fast ausschließlich für Covid-19-Infizierte freigemacht wurden, stießen die Krankenhäuser regional an ihre Kapazitätsgrenzen. Einige Patienten wurden in andere Regionen und in Krankenhäuser im Ausland verlegt. Per Flugzeug und Zug gelangten 178 Patienten nach Deutschland, Luxemburg, Österreich und die Schweiz.
Insgesamt wurde die Anzahl der Intensivbetten nach offiziellen Angaben von etwa 5.500 zu Beginn der Krise auf 10.500 ausgeweitet. Im elsässischen Mülhausen errichtete die Armee ein Feldhospital. Gleichzeitig wurde mehr Personal mobilisiert und die Produktion und Beschaffung von Verbrauchsmaterialien, Schutzkleidung, Medikamenten und Beatmungsgeräten ausgeweitet.
Der Höchstbedarf von 7.148 Intensivbetten wurde landesweit am 8. April erreicht. Danach fielen die Zahlen zunächst stetig zurück und die Krankenhäuser stellten ihre Kapazitäten schrittweise wieder auf andere Behandlungen um. Mit dem erneuten Anstieg von Infektionen ab Mitte August ist die Belegung ab Anfang September wieder stark angestiegen. Um eine drohende Überlastung zu verhindern, hat die Regierung ab Ende Oktober wieder landesweite Ausgangssperren eingeführt.
Nach einem erneuten Höchststand bei der Belegung der Intensivbetten von 4.919 Mitte November ist der Druck etwas gesunken. Der Intensivbettenbedarf für Covid-Patienten bewegt sich aber seit Mitte Dezember bei 2.600 bis 2.700 bei einer Gesamtzahl an Covid-Patienten in Krankenhäuser von konstant etwa 25.000. Die Feiertage um Weihnachten und Neujahr dürften die Infektionszahlen angetrieben haben. Daher sind weitere Einschränkungen des öffentlichen Lebens noch im Januar möglich.
Wie in der Mehrzahl der EU-Länder hat in Frankreich am 26. Dezember 2020 offiziell die Impfkampagne begonnen. Nach heftiger Kritik nach einem sehr langsamen Start hat die Regierung die Impfung nach wenigen Tagen auf mehr Personengruppen ausgeweitet. Den Vorrang haben 15 Millionen Personen, die zu Risikogruppen gezählt werden.
Bis Ende Januar sollen 1 Million Impfungen verabreicht werden. Dafür werden in jedem der 101 Départements des Landes mindestens sechs Impfzentren eingerichtet. Bis März sollen 21 Millionen Impfdosen zur Verfügung stehen.
Die Überlastung von Krankenhäusern zu Beginn der Krise zeigte auf, dass der Gesundheitssektor in Frankreich auch durch Einsparungen in den letzten Jahren schlecht für die Krise gerüstet war. Noch im März 2020 versprach Präsident Emmanuel Macron einen "massiven Investitionsplan" für Krankenhäuser sowie höhere Löhne. Nach einer Konsultationsphase wurde Mitte Juli mit Verbänden und Gewerkschaften eine Vereinbarung über ein Hilfspaket getroffen (Segur de la santé, nach dem Sitz des Gesundheitsministeriums in Paris benannt).
Es umfasst eine Anhebung der Löhne von medizinischem Fachpersonal für 8,2 Milliarden Euro sowie eine Stärkung und Ausweitung der Ausbildungsmöglichkeiten. Darüber sollen die Krankenhäuser wieder mehr investieren können. Dafür wird der Staat für 13 Milliarden Euro ab Ende 2021 Schulden der Kliniken übernehmen.
Weitere 6 Milliarden fließen in den kommenden fünf Jahren in die Modernisierung und Digitalisierung der Infrastruktur. Für die Modernisierung von Pflegeheimen sind 2,1 Milliarden Euro vorgesehen und davon 0,6 Milliarden Euro für Digitalisierungsprojekte etwa für Fallsensoren. Darüber hinaus hat die Regierung vor der winterlichen Grippesaison 50 Millionen Euro für die Schaffung von 4.000 Krankenhausbetten bereitgestellt, die je nach Bedarf genutzt werden können.
Nach einer ersten Zwischenbilanz Mitte Dezember 2020 hat die Regierung dem Gesundheitssektor für 2021 mit 650 Millionen Euro zunächst 500 Millionen Euro mehr an Investitionsmitteln als 2020 zur Verfügung gestellt. Längerfristig sieht das Hilfspaket aber auch grundlegende Veränderungen in der Finanzierung von Gesundheitsleistungen im Gesundheitssektor vor. Mit einer schrittweisen Abkehr von der Vergütung nach Behandlung sollen die Anreize in den Krankenhäusern verbessert werden und überflüssige aber kostenintensive Behandlungen vermieden werden.
Indikator | 2019 |
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Bevölkerungsgröße (in Mio.) | 65,1 |
Anteil der Bevölkerung über 65 Jahre (in %) | 20,4 |
Anzahl Ärzte pro 1.000 Einwohner (2018) | 3,2 |
Anzahl Krankenhausbetten pro 1.000 Einwohner (2018) | 5,9 |
Gesundheitsausgaben pro Kopf (US$) | 5.376 |