Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Jakarta First Sunrise 2016, gelegen in der Sudirman Street, Business District Center mit ikonischem BNI 46 Gebäude. Jakarta Erster Sonnenaufgang 2016 | © GettyImages/Abdul Azis

Special | Indonesien | Wege aus der Coronakrise

Indonesiens Rückkehr zum Wachstumskurs wird auf 2022 verschoben

Der Lockdown von Juli bis September 2021 hat Hoffnungen auf eine rasche Wirtschaftserholung zerstört. Geschäftsleute können weiterhin nicht regulär einreisen. (Stand: 20. Oktober 2021)

Von Frank Malerius | Jakarta

  • Konjunktur und wichtigste Branchen

    Der neuerliche Lockdown hat das wirtschaftliche Leben abgewürgt. Deshalb bleibt das Wachstum 2021 klar unter dem Schnitt der letzten 20 Jahre. (Stand: 20. Oktober 2021)

    Die Coronapandemie hat in Indonesien zu einer Zäsur geführt. Nach zwei Dekaden mit Wachstumsraten von durchschnittlich mehr als 5 Prozent per anno war das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2020 um 2,1 Prozent geschrumpft. Das war aber immerhin der zweitbeste Wert unter den großen ASEAN-Ländern, hinter Vietnam als der einzigen wachsenden Volkswirtschaft.

    Die ursprünglichen Wachstumsprognosen für 2021 von deutlich mehr als 5 Prozent wurden mit anhaltender Coronapandemie kontinuierlich heruntergeschraubt. Die Regierung rechnet derzeit im Negativszenario mit einem Plus von nur noch 3,7 Prozent. Doch angesichts des Lockdowns von Juli bis September und Einschränkungen des Wirtschaftslebens auch darüber hinaus ist selbst dies nicht mehr zu halten. Schon im 1. Halbjahr 2021 war eine Wachstumsrate von nur 3,1 Prozent erreicht worden.

    Lockdown trifft die Armen

    Die offiziellen Corona-Infektionszahlenzahlen und -Todesfälle in Indonesien sind über den gesamten Pandemieverlauf auf die Bevölkerungsgröße gerechnet im internationalen Vergleich gering. Auf 1 Million Einwohner kommt täglich durchschnittlich weniger als ein Corona-Toter. Ob die tatsächlichen Zahlen deutlich höher sind als die offiziellen, ist schwer zu ermessen.

    Zu einer größeren Überforderung des Gesundheitssystems ist es bisher nur in einem kurzen Zeitraum im Juli 2021 gekommen (lokale Ausnahmen ausgenommen). Schwerpunkt war dabei Java, wo fast 60 Prozent der Indonesier leben. Der Archipel hat das Gesundheitssystem eines aufstrebenden Schwellenlandes mit - gemessen an der Bevölkerungszahl - deutlich weniger Krankenhaus- und Intensivbetten als in Industrieländern.

    Über die meiste Zeit der Pandemie war das öffentliche Leben nur moderat eingeschränkt gewesen. Shoppingmalls, Geschäfte und Restaurants waren weitgehend in Betrieb. Doch von Anfang Juli bis Ende September 2021 wurden Restaurants und Geschäfte auf Java und Bali sowie in urbanen Zentren anderer Regionen geschlossen. Für Büroangestellte wurde eine Homeoffice-Pflicht eingeführt, die auch im Oktober nur leicht gelockert wurde. Harte Ausgangsbeschränkungen im privaten Bereich wären aufgrund des heißen Klimas, der beengten Lebensbedingungen vieler Menschen und deren Notwendigkeit, wirtschaftlich tätig zu sein, schlichtweg nicht durchsetz- und schon gar nicht sanktionierbar gewesen. 

     

    Exportindustrie hat Privilegien

    Die Industrie war durch den Lockdown weniger eingeschränkt als andere Wirtschaftsbereiche. Dennoch machten vielen Unternehmen das Risiko, bei der Infektion eines Mitarbeiters vorübergehend schließen zu müssen, sowie die Konsumzurückhaltung zu schaffen. Generell werden exportorientierten Sektoren in der Krise größere Freiheiten zugestanden. Die verarbeitende Industrie insgesamt war 2020 um 2,9 Prozent geschrumpft. Hier geht es nur langsam wieder bergauf: Im 1. Halbjahr 2021 wuchs sie um 2,5 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum und damit deutlich schwächer als die Gesamtwirtschaft.

    Die verschiedenen Wirtschaftsbereiche sind unterschiedlich von der Krise betroffen. Am stärksten leidet der Tourismus: Ausländische Besucher gab es seit anderthalb Jahre nicht mehr. Im Oktober 2021 wurde Bali für Touristen aus bestimmten Ländern geöffnet - allerdings mit der Pflicht zu einer fünftägigen Hotelquarantäne nach Einreise. Das dürfte die meisten Interessenten abschrecken.

    Auf Erholungskurs ist die Automobilindustrie, die 2020 Verkaufseinbußen von fast 50 Prozent verkraften musste. Im 1. Halbjahr legten Produktion und Verkauf um 40 Prozent zu. Doch der Lockdown dürfte alle hoffnungsvollen Prognosen für das Gesamtjahr zunichte machen.

    Ein Unsicherheitsfaktor für die wirtschaftliche Erholung ist der private Konsum, der für mehr als die Hälfte der BIP-Verwendung steht. Er wuchs im 1. Halbjahr 2021 lediglich um 1,7 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode und damit ebenfalls deutlich geringer als die Gesamtwirtschaft.

    Regierung beschränkt Medizintechnikimporte

    Der Außenhandel hat hingegen wieder das Vorkrisenniveau erreicht. Für die ersten acht Monate 2021 steht laut Statistikamt ein Wachstum der Importe um ein Drittel zu Buche. Allerdings konnten deutsche Ausfuhren in den Archipel davon nicht profitieren: Sie blieben im 1. Halbjahr 2021 auf Krisenniveau. Die Deutschen Lieferungen waren 2020 um 23 Prozent gesunken. Dabei hatten sich die Exporte von Kfz halbiert. 

    Eine Ausnahme von der Importschwäche 2020 bildete die Medizintechnik. Ihre Einfuhren waren im Vergleich zum Vorjahr um 23 Prozent auf den neuen Rekord von 1,2 Milliarden US$ gewachsen. Denn der Inselstaat hat während der Pandemie in sein Gesundheitssystem investiert. Auch bei den deutschen Medizintechniklieferungen hatte es mit einem Plus von 35 Prozent auf knapp 150 Millionen US$ einen neuen Rekord gegeben. 

    Doch diese Entwicklung hat ein vorerst ein jähes Ende gefunden: Ein plötzlicher Importstopp für mehr als 5.000 Medizintechnikprodukte (die vermeintlich im Lande selbst hergestellt werden können) in der öffentlichen Beschaffung behindert die Lieferanten und lässt Zweifel an der Reformfähigkeit der protektionistischen Wirtschaftspolitik des Archipels aufkommen. Deutschland gehört hinter China zu den wichtigsten Bezugsquellen für das indonesische Gesundheitssystem.

    Von Frank Malerius | Jakarta

  • Konjunktur- und Hilfsprogramme

    Die Regierung stützt die Konjunktur mit Corona-Hilfsprogrammen, der Fokus liegt dabei auf Armutsvermeidung. (Stand: 20. Oktober 2021)

    Obwohl die hohen Wirtschaftswachstumsraten der vergangenen 20 Jahre Millionen Indonesier aus der Armut geholt haben, ist ein erheblicher Anteil der Bevölkerung in einer Wirtschaftskrise noch immer armutsgefährdet. Deshalb liegt der Fokus der Konjunktur- und Hilfsprogramme der Regierung in Corona-Zeiten auf Armutsvermeidung.

    Mit fortschreitendem Pandemieverlauf sind Anzahl und Umfang der Hilfsmaßnahmen unübersichtlich geworden. Für 2021 waren ursprünglich Ausgaben in Höhe von 40 Milliarden US-Dollar vorgesehen. Davon entfallen 11 Milliarden US$ auf die Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen. Weitere 11 Milliarden US$ gehen in Sozialprogramme zur direkten Armutsvermeidung. Die ursprünglich geplanten Ausgaben für den Gesundheitssektor wurden zwischenzeitlich auf knapp 8 Milliarden US$ vervierfacht. Die restlichen 10 Milliarden US$ verteilen sich auf diverse Sektorprogramme, unter anderem für den besonders gebeutelten Tourismus. Jenseits der groben Haushaltsplanungen ist die Vielzahl der verschiedenen Corona-Hilfsmaßnahmen und -programme längst unübersichtlich geworden.

    2020 hatte das pandemiebedingte Konjunktur- und Hilfspaket Economic Recovery Program (PEN) etwa 49 Milliarden US$ betragen, von denen letztlich 41 Milliarden US$ ausgegeben wurden. Das entsprach mehr als einem Viertel der ursprünglich für 2020 geplanten Staatsausgaben.

    Geldgeschenke und erlassene Stromrechnungen

    Viele Indonesier sind durch die Coronapandemie arbeitslos geworden und in die Armut gerutscht. Weiteren Millionen hat die Wirtschaftskrise den Sprung aus der Armut verwehrt. Für zusätzliche Millionen Erwerbstätige ruht das Arbeitsverhältnis oder ist zu einer Teilzeitbeschäftigung mit Minimalbezahlung geworden. Etwa 60 Prozent der Bevölkerung ist im informellen Sektor tätig.

    Die Hilfsprogramme umfassen unter anderem Nahrungsmittelhilfen und die Streichung von Stromkosten in Höhe von mehr als 1 Milliarde US$ für ärmere Bevölkerungsschichten. Beschäftigten mit geringem Einkommen wurde vorübergehend die Einkommensteuer erlassen, teilweise werden Geldgeschenke gewährt.

    Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Unterstützung von kleinen und mittleren Unternehmen, die 99 Prozent aller Unternehmen ausmachen und 95 Prozent der Arbeitskräfte beschäftigen. Ihnen werden unter anderem Kreditzinsen gestundet und Steuererleichterungen gewährt.  

    Infrastrukturausbau unsicher

    Ausländische Unternehmen dürften kaum direkt von den Hilfsprogrammen profitieren sondern allenfalls als Teilhaber eines Joint Ventures. Da das Gesundheitssystem in Folge der Pandemie ausgebaut wird, haben Lieferanten von Medizintechnik einen indirekten Zugang zu den Mitteln. Im Jahr 2020 hatte es entsprechende Rekordimporte gegeben. Allerdings entfällt ein großer Teil der Hilfen auf medizinisches Fachpersonal und die Unterstützung der defizitären staatlichen Krankenversicherung. 

    Die Durchführung etlicher Infrastrukturprojekte in der Krise soll mithilfe staatlicher Hilfsprogramme garantiert werden. Dennoch dürften zahlreiche geplante Großprojekte nicht umgesetzt werden können, weil Staat und Privatwirtschaft die Mittel fehlen. Im Staatshaushalt 2021 wurden die Ausgaben für den Infrastrukturausbau gegenüber dem ursprünglichen Haushalt für 2020 um 3,6 Prozent auf umgerechnet 28,3 Milliarden US$ gekürzt. Immerhin soll die neue  Hauptstadt in der Provinz Ostkalimantan tatsächlich gebaut werden. Die Arbeiten könnten sich laut Planungsbehörde Bappenas aber über 20 Jahre hinziehen.

    Die Hilfsprogramme haben erhebliche Auswirkungen auf die Staatsfinanzen. So wurde die 3-Prozent-Defizitgrenze aufgehoben. Aus dem ursprünglich für 2020 geplanten Haushaltsdefizit von 1,8 Prozent der Wirtschaftsleistung sind nun 6,1 Prozent geworden. Für 2021 ist ein Negativsaldo von 5,7 Prozent eingeplant. Die Rückkehr zu einem Wirtschaftswachstum von 5 Prozent im Jahr 2022 dürfte dann mit einem weiteren Haushaltsdefizit von 4,9 Prozent erkauft werden. Erst ab 2023 soll die 3-Prozent-Defizitgrenze wieder greifen.

    Die Staatsschulden waren 2020 um fast 30 Prozent auf 434 Milliarden US$ gestiegen. Immerhin gelten die Finanzen des Inselstaats als grundsätzlich solide, die Verschuldung ist im internationalen Vergleich gering und die Währungsreserven sind hoch. Ein Problem sind allerdings die stark verschuldeten Staatsunternehmen, die während der Krise milliardenschwere Finanzspritzen benötigten.

    Die Deutsch-Indonesische Außenhandelskammer in Jakarta (EKONID) hat eine aktuelle Sonderseite zu allen wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Regierung im Kampf gegen die Folgen der Coronapandemie zusammengestellt.

    Impfkampagne benötigt viel Zeit

    Im Februar 2021 hat die Impfung der Bevölkerung begonnen. Eine große Rolle spielt dabei der Impfstoff von Sinovac aus China. Es gibt hochfliegende Pläne, drei Viertel der Bevölkerung bis Jahresende 2021 durchzuimpfen. Doch angesichts der anspruchsvollen Geografie des Archipels und den Vorbehalten vieler Menschen gegen die Impfung wird das Immunisierungsprogramm viel länger dauern. Deshalb könnten die Wirtschaftsbeschränkungen und Grenzschließungen auch vor dessen Abschluss fallen.

    Von Frank Malerius | Jakarta

nach oben
Feedback

Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.