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Wirtschaftsumfeld
Special Kanada Coronavirus
In Kanada ist die zweite Welle der Coronapandemie auf seinem bisher höchsten Stand. Die Belebung der Wirtschaft droht unter neuen Beschränkungen wieder abzuflachen. (Stand: 14. Januar 2021)
Von Daniel Lenkeit | Toronto
Nach einer Phase der raschen Erholung in den Sommermonaten trüben sich die Aussichten für Kanadas Konjunktur im letzten Quartal 2020 wieder ein. Das hängt einerseits an wieder steigenden Infektionszahlen: Die täglich gemeldeten Covid-19 Infektionen liegen im Januar 2021 etwa viermal höher als im April 2020 - der Hochphase der ersten Coronawelle. Als Reaktion auf die steigenden Fallzahlen begannen die Provinzen im Oktober erneut mit Einschränkungen des sozialen Lebens. Dazu gehören unter anderem Verbote für den Restaurantservice in geschlossenen Räumen, Begrenzungen der Versammlungsgrößen und verpflichtende Abstandsregeln drinnen wie draußen. Die wirtschaftlich stärksten Provinzen Quebec und Ontario sind von der zweiten Coronawelle am härtesten betroffen und fahren als erste herunter. In einzelnen Regionen Ontarios und Quebecs wurden strikte Lockdowns verhangen, die im Januar weiter verschärft wurden.
Kanada durchläuft die schwerste Rezession der letzten Jahrzehnte. Am härtesten getroffen von den Einschränkungen der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aktivitäten sind die etwa zwei Millionen Arbeitskräfte aus dem Einzelhandel, dem Hotel- und Gastronomiegeschäft sowie aus dem Logistik- und Tourismussektor. Die seit Mai begonnene Rückkehr zur Normalität hat mit dem Einsetzen der zweiten Welle im Oktober ein Ende gefunden. Neu verhängte, regionale Lockdowns bringen den erhofften Konjunkturaufschwung für das letzte Quartal 2020 und das 1. Quartal 2021 in Gefahr. Die neuen Lockdowns in Alberta und Ontario dürften die wirtschaftliche Erholung ins 2. Quartal 2021 verschieben. Abhängen wird die Entwicklung von der angespannten Gesundheitssituation und dem Fortschritt bei der "Durchimpfung" des Landes.
Bereits im Juli wuchs das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Kanadas "nur" noch um 3 Prozent gegenüber dem Vormonat, im September waren es nur 0,8 und im Oktober 0,4 Prozent. Die letzten absoluten BIP-Zahlen aus dem Oktober 2020 liegen noch immer 3,5 Prozent unter dem Vorjahreslevel.
Von dem Abflauen der Konjunktur sind Warenproduzenten und Dienstleister gleichermaßen betroffen. Die meisten Industrien verharren unter ihren Vorkrisenlevel in der Produktion. Nur die Landwirtschaft, der Versorgungssektor, der Großhandel sowie die Immobilien- und Finanzwirtschaft erhöhten ihre Wirtschaftsleistung im Vergleich zum Februar 2020.
Das verarbeitende Gewerbe erholt sich stetig, mit guten Zuwächsen im 2. und 3. Quartal. Vor allem die Automobilteileindustrie holte nach starken Einbrüchen im ersten und zweiten Quartal im dritten Quartal wieder auf. Gut durch die Krise kommen in der Industrie unter anderem die Hersteller von Metallverarbeitungsmaschinen, Ausrüster von Klima-, Ventilations- und Heizungsanlagen und gewerblichen Kühlanlagen sowie die Kunststoff- und Gummiproduktion.
Am schwersten getroffen bleibt die Tourismusbranche. Reisebeschränkung und Social-Distancing-Vorgaben entziehen vielen Unternehmen der Branche die Existenzgrundlage. Viele Städte werden nach nach dem Ende der Coronakrise ein anderes Gesicht haben. Der Einbruch des Tourismus- und Gastwirtschaftssektors verlief nach Angaben des Conference Board of Canada etwa sechsmal stärker als der prozentuale Rückgang der Gesamtwirtschaft. Die Branche verlor im zweiten Quartal fast 70 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung. Das Gastgewerbe, vor allem Restaurants und Bars konnten sich seit Juli etwas erholen, liegen aber weiter über 30 Prozent unter ihrem Vorjahreslevel. Die Luftfahrtbranche liegt 90 Prozent unter ihrem Vorjahresniveau und wieder anziehende Restriktionen halten die Stimmung im Keller.
Die global eingebrochene Nachfrage nach Öl bleibt für Kanadas Wirtschaft problematisch. Nach Angaben der Internationalen Energieagentur wird der Bedarf an Erdöl 2020 auf den tiefsten Stand seit 25 Jahren sinken. Der kanadische Ölpreisindex hat sich zwar seit dem Tiefpunkt der Coronakrise Ende April und einstelligen Werten wieder etwas erholt, taxiert aber seit Monaten mit etwa 30 US-Dollar (US$) pro Barrel noch immer ein Viertel unter dem Vorkrisenniveau. Die zweite Infektionswelle birgt die Gefahr eines erneuten Abrutschens des Ölpreises. Erdöl ist das wichtigste Exportgut des Landes und sein Wertverfall trifft Kanada somit doppelt hart. Der Absatz im Erdöl- und Kohlesektor sank in der Coronakrise zeitweise um etwa 70 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Der Leitzins der Bank of Canada steht seit März 2020 auf einem historischen Tief von 0,25 Prozent. Dazu lockert die Bank die Geldmenge durch Anleihekäufe und will ihre expansive Geldpolitik aktuell fortführen. Dafür kauft sie wöchentlich Bundesanleihen im Wert von mindestens 3,8 Milliarden US-Dollar (US$).
Der kanadische Dollar gab als Reaktion auf die Coronakrise Mitte März um knapp 10 Prozent zum US$ nach, erholte sich seitdem aufgrund des nachgebenden US-Dollars stetig und droht nun, in der zweiten Welle, wieder zu fallen. Der kanadische Dollar gehört zu den volatileren Währungen, die auf den Devisenmärkten in Krisenzeiten eher abgestoßen werden, wenn die Risikoaversion zunimmt und eine "Flucht" in den Dollar und andere harte Währungen beginnt.
Die kanadische Regierung stellt seit März umfangreiche Hilfen für Unternehmen, Individuen und einige Wirtschaftssektoren bereit. Dazu stellte Premierminister Trudeau kürzlich einen Plan vor, um Kanada aus der Krise herauszuführen. Eine Zusammenfassung der konkreten Maßnahmen der Regierung in der Coronakrise finden Sie hier.
Die Corona-Epidemie beschäftigt Kanada seit Mitte März 2020 und erreichte Ende April ihren ersten Höhepunkt. Seitdem konnte das Land die täglichen Neuinfektionen bis Mitte Juli sukzessive senken. Nun ist die zweite Welle da. Seit September steigen die täglich gemeldeten Neuinfektionen kontinuierlich.
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