Unternehmen in Kasachstan erhalten in der Coronakrise umfangreiche Staatshilfe. Deren Schwerpunkte sind Steuererleichterungen und zinsgünstige Kredite. (Stand: 2. Dezember 2020)
Die kasachische Regierung hat in der Coronakrise frühzeitig Hilfsmaßnahmen für Unternehmen verabschiedet. Bereits drei Tage nach Erklärung des Notstands am 17. März 2020 setzte das Kabinett erste Entlastungen für Unternehmen in Kraft. Das Maßnahmenpaket wurde zehn Tage später aufgestockt und am 20. April durch einen weiteren Aktionsplan ergänzt.
Die Antikrisenpakete für die Wirtschaft belaufen sich auf umgerechnet etwa 10 Milliarden US-Dollar (US$). Wenn die Unterstützungszahlungen für breite Teile der Bevölkerung hinzugerechnet werden, summiert sich die Staatshilfe auf annähernd 14 Milliarden US$.
Maßnahmen zur unmittelbaren Bewältigung der Krise
Zu den staatlichen Hilfen zählt beispielsweise, dass der Hebesatz für eine Reihe von Steuerarten (Grund-, Vermögen- und Einkommensteuer) und Gruppen von Steuerschuldnern bis Jahresende 2020 null Prozent beträgt. Zudem wurden sämtliche Zahlungsverpflichtungen gegenüber der öffentlichen Hand (unter anderem Steuern und Sozialabgaben) befristet ausgesetzt.
Außerdem wurden Mietverpflichtungen für Räumlichkeiten und Liegenschaften vorübergehend gestundet, deren Vermieter staatliche oder kommunale Einrichtungen sind. Bei nicht entrichteten Steuern verzichtet der Staat auf die regulär fällig werdenden Strafzahlungen und Verzugszinsen. Ebenso sind von der Krise betroffene Unternehmen berechtigt, bei bestehenden Kreditverträgen den Schuldendienst auszusetzen.
Darüber hinaus gewährte der Staat Überbrückungskredite mit einem Jahreszins von 8 Prozent für die Finanzierung von betriebsnotwendigem Vermögen. Bei öffentlichen Beschaffungsmaßnahmen kam zudem zeitlich befristet eine Sonderregelung zur Anwendung, wonach zu ausgewählten Tendern nur Anbieter lokal produzierter Erzeugnisse zugelassen waren.
Maßnahmen zur wirtschaftlichen Wiederbelebung
Um die Wirtschaft möglichst zügig wieder auf Wachstumskurs zu bringen, hat die Regierung Ende Mai 2020 eine Exit-Strategie verabschiedet. Sie umfasst insgesamt 164 branchenspezifische Einzelmaßnahmen. Die schrittweise Umsetzung des Maßnahmenpakets kam im Zuge des neuerlichen Lockdowns im ganzen Land, der von Anfang Juli bis Mitte August Bestand hatte, vorübergehend ins Stocken.
Die Strategie sieht beispielsweise eine Erweiterung der Liste mit staatlichen Beteiligungen vor, die zu privatisieren sind. Des Weiteren sollen in der Landwirtschaft und für das verarbeitende Gewerbe neue Finanzierungsinstrumente entwickelt und möglichst zügig etabliert werden. Auch ist geplant, verstärkt auf Factoring und Leasing zurückzugreifen.
Einen Schub für den sozialen Wohnungsbau verspricht sich die Regierung vom Start des neuen Hypothekenprogramms "5-10-20" (5 Prozent Jahreszins, 10 Prozent Anzahlung, 20 Jahre Laufzeit). Darüber hinaus sollen zur Förderung des Arbeitsmarktes Einsätze von Ausländern begrenzt und diese durch einheimische Arbeitskräfte ersetzt werden.
Maßnahmen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen
Zusätzliche groß angelegte Infrastrukturprogramme sind bisher nicht bekannt. Es wird jedoch alles daran gesetzt, dass die bereits vor mehreren Jahren begonnenen und langfristig angelegten Entwicklungsprogramme wie Nurly Zhol (in erster Linie Ausbau der Verkehrswege) und Nurly Zher (Schaffung von Wohnraum) wie geplant fortgeführt und erfüllt werden.
Im Rahmen seiner Exit-Strategie will Kasachstan auch die Digitalisierung der Wirtschaft vorantreiben. Unter anderem soll eine spezielle Handelsplattform für Kryptowährungen im Rahmen des internationalen Finanzplatzes Astana International Financial Centre in Nur-Sultan geschaffen werden. Zudem will Kasachstan prüfen, ob es als Hub für das "Schürfen" von Kryptowährungen infrage kommt.
Ergänzend enthält das Antikrisenpaket verschiedene Maßnahmen, mit denen bestehende Arbeitsplätze - landesweit zusammen etwa 430.000 - gezielt gesichert und zahlreiche neue geschaffen werden. Mit den dafür bereitgestellten Geldern sollen unter anderem Gebäude im sozialen Sektor und Wohnbauten repariert und instandgesetzt sowie mehrere Hochwasserschutzanlagen neu gebaut werden.
Zugang zu Fördermitteln für deutsche Firmen
Alle in Kasachstan ansässigen Unternehmen, und somit auch Tochtergesellschaften ausländischer Unternehmen, können von den Fördermitteln profitieren, solange sie die jeweiligen Voraussetzungen erfüllen.
Öffentliche Verschuldung
Das Risiko, dass Kasachstan in eine Schuldenkrise schlittern könnte, ist gering. Dabei fällt die Bruttoauslandsverschuldung des Landes recht beträchtlich aus. Anfang Juli 2020 lag sie bei 159,8 Milliarden US$. Im Verhältnis zum für 2020 prognostizierten Bruttoinlandsprodukt entspricht dies rund 95 Prozent.
Den größten Teil der Schulden hält jedoch nicht die öffentliche Hand. Nahezu 80 Prozent der Gesamtverschuldung entfallen auf Verbindlichkeiten kasachischer Unternehmensfilialen gegenüber ihren ausländischen Muttergesellschaften. Unter Einberechnung aller Banken und Unternehmen mit staatlicher Beteiligung schuldete der kasachische Staat ausländischen Gläubigern Anfang Juli 2020 - direkt und durch ihn garantiert - 31,7 Milliarden US$.
Ein wesentlicher Stabilitätsfaktor sind die hohen internationalen Reserven, die am 31. Oktober 2020 insgesamt 89,9 Milliarden US$ ausmachten. Davon entstammten 33,6 Milliarden US$ den offiziellen Währungsreserven der Zentralbank - darunter Devisen in Höhe von 10,4 Milliarden US$ sowie Gold mit einem Wert zum Tageskurs von 23,2 Milliarden US$.
Entscheidend verstärkt wird das Reservepolster durch den Nationalfonds, dessen Rücklagen sich Ende Oktober auf 56,3 Milliarden US$ beliefen. Der Fonds wird vor allem aus den Öleinnahmen des Staates gespeist. Wegen der Coronakrise werden dem Fonds mehr Mittel als üblich entnommen, und zwar zur Stützung des Staatshaushalts und zur Finanzierung von Konjunkturmaßnahmen. Für 2020 wurde ein Betrag von rund 11 Milliarden US$ genehmigt, wovon bis Ende Oktober bereits gut 8 Milliarden US$ an die Staatskasse geflossen waren.
Von Jan Triebel
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Almaty