Viele Branchen in den Philippinen wie etwa der Tourismus spüren derzeit die Folgen der Coronakrise. Im privaten Konsum verschieben sich die Prioritäten. (Stand: 2. Dezember 2020)
Nachdem das philippinische Bruttoinlandsprodukt (BIP) in den vergangenen Jahren mit realen Raten um 6 Prozent und mehr zulegen konnte, ist das Land 2020 in eine tiefe Rezession geschlittert. Die Wachstumsprognosen bewegen sich zwischen minus 6 und minus 8 Prozent. Dies entspricht dem schwächsten Ergebnis seit Dekaden.
Tourismus rechnet mit hohen Verlusten
Kaum eine Branche wird sich diesem Szenario entziehen können. Der Tourismus litt schon vor dem Lockdown stark unter dem Ausbleiben internationaler und vor allem asiatischer Reisender. Die strengen Quarantänemaßnahmen und Einreiserestriktionen haben den Sektor massiv getroffen. Vorsichtigen Schätzungen zufolge soll die Zahl ausländischer Besucher 2020 um mehrere Millionen zurückgehen.
Im Vorjahr waren rund 8,3 Millionen internationale Gäste in den Philippinen gelandet. Die wertmäßigen Verluste dürften sich bis zu 23 Milliarden US-Dollar (US$) belaufen. Der Tourismus trägt rund 12 Prozent zum BIP bei. Hotels und Restaurants verbuchen deutlich sinkende Einnahmen auch aufgrund zahlreicher abgesagter Konferenzen und Sportveranstaltungen.
Shopping Malls und Einzelhändler rechnen ebenfalls mit rückläufigen Umsätzen, wobei vor allem die Verkäufe von nicht-essentiellen Gütern wie Kosmetika, Bekleidung oder Schuhen leiden dürfte. Der Absatz von Nahrungsmitteln und Getränken zeigte in Teilen nach oben, wie zum Beispiel bei gesundheitsfördernden Lebensmitteln. Auch Reinigungs- und Desinfektionsmittel sowie medizinische Erzeugnisse dürften künftig stärker gefragt sein.
Aufgrund des Einbruchs der Investitionsdynamik im Jahresverlauf 2020 um fast 20 Prozent wird auch die Nachfrage nach Kapitalgütern und Maschinen deutlich zurückgehen. Die Branchenimporte zeigten schon 2019 um knapp 3 Prozent nach unten, im ersten Halbjahr 2020 musste sogar Minus von etwa 30 Prozent im Vergleich mit derselben Vorjahresperiode verbucht werden.
Kfz-Verkäufe brechen ein
Der Kfz-Absatz dürfte 2020 nach Einschätzungen von Vertretern des Fachverbandes Chamber of Automotive Manufacturers of the Philippines (Campi) um mindestens 20 Prozent zurückgehen. Bis Juli war der Absatz sogar um mehr als 50 Prozent eingebrochen.
Auch die Elektronikbranche spürt die Auswirkungen der Pandemie. Der Sektor hat eine enorme Bedeutung für die philippinische Industrielandschaft und zeichnet für fast 60 Prozent der Gesamtexporte des Inselstaats verantwortlich. Nach Einschätzung des Fachverbandes Semiconductor and Electronics Industries in the Philippines (SEIPI) wird das Branchenwachstum 2020 um 5 Prozent nach unten zeigen, was weniger schlimm ist als ursprünglich befürchtet.
Verbandspräsident Danilo C. Lachica geht im GTAI-Gespräch davon aus, dass sich nach der Krise die günstigen Standortfaktoren des Landes wieder durchsetzen und der Elektroniksektor erneut auf einen Wachstumskurs einbiegen kann. So profitieren Elektronikfirmen von den guten Englischsprachkenntnissen der Beschäftigten, der Mitgliedschaft der Philippinen in der ASEAN-Gemeinschaft und der günstigen geographischen Lage des Landes. SEIPI prognostiziert daher für 2021 wieder ein Wachstum von 7 Prozent für den Sektor.
Vakanzen bei Immobilien nehmen zu
Auch der philippinische Immobiliensektor spürt die Auswirkungen der Coronapandemie immer mehr: So dürfte gemäß einer Erhebung der Beratungsfirma Colliers International Philippines die Zahl der leerstehenden Wohnungen und Büros signifikant zunehmen. Vor allem die Krise der Philippine Offshore Gaming Operators (Pogo-Firmen) trifft die Branche hart und wird dafür sorgen, dass die Vakanzrate bei Wohnungen von 11 auf fast 20 Prozent nach oben schießen wird.
Nach Aussage von Landeskennern hält sich hingegen die Business Process Outsourcing-Branche (BPO) wie etwa Callcenter recht stabil. Sie ist von den Einschränkungen weniger betroffen, da die Firmen relativ gut auf etwaige Katastrophenszenarien vorbereitet waren und auf Homeoffice umstellen konnten. In einer Umfrage des Fachverbandes Information Technology and Business Process Association of the Philippines (IBPAP) gaben nur 18 Prozent der Firmen an, dass sie 2020 mit rückläufigen Umsätzen rechnen. 36 Prozent rechnen mit einer Stagnation, und fast die Hälfte geht von Absatzsteigerungen in einer Größenordnung zwischen 3 und 7 Prozent aus. Übergreifend dürfte das Wachstum der Branche 2020 stagnieren, was angesichts der Umstände als positiv zu werten ist.
Hoffnungsvolle Nachrichten kamen zuletzt aus der verarbeitenden Industrie, wo der Einkaufsindex PMI im Juni deutlich zulegen konnte. Die gelockerten Quarantänemaßnahmen führten dazu, dass zahlreiche Firmen ihre Geschäfte wieder aufnehmen konnten - wenn auch die Nachfrage aus dem In- und Ausland noch relativ dünn ist. Beobachter gehen daher von einer graduellen Erholung des Sektors aus. Positiv zu bewerten ist auch die Tatsache, dass mehrere Infrastrukturprojekte im Rahmen des Programms Build, Build, Build wieder aufgenommen wurden.
Deutsche Firmen zeigen sich pessimistisch
Auch deutsche Unternehmen spüren die Auswirkungen zusehends. Eine Umfrage der Deutsch-Philippinischen Industrie- und Handelskammer (German-Philippine Chamber of Commerce and Industry, GPCCI) unter ihren Mitgliedern im April zeigte, dass 36 Prozent der Firmen ihre derzeitige Lage als schlecht einstufen. Weitere 40 Prozent gehen davon aus, dass sich die geschäftliche Situation innerhalb der nächsten zwölf Monate weiter verschlimmern wird.
Eine weitere Umfrage im Juni brachte zu Tage, dass die durch die Coronakrise bedingten Umsatzeinbußen von knapp einem Viertel der Firmen auf 10 bis 25 Prozent taxiert werden. Weitere 30 Prozent gehen von Verlusten bis zu 50 Prozent aus. Rund 26 Prozent der Betriebe rechnen sogar mit Einbrüchen von mehr als 50 Prozent.
Von Alexander Hirschle
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