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Wirtschaftsumfeld
Special Schweden Wege aus der Coronakrise
Wege aus der CoronakriseDie schwedische Wirtschaftsleistung hat wegen Corona knapp 3 Prozent eingebüßt. Örtliche Unternehmen bleiben nach dem Jahreswechsel optimistisch. (Stand: 4. März 2021)
Von Michał Woźniak | Stockholm
Schwedens Wirtschaft überstand das erste Coronajahr weit besser als noch im Frühjahr 2020 befürchtet. Laut einer vorläufigen Schätzung des schwedischen Statistikamtes SCB sank das Bruttoinlandsprodukt 2020 im Vergleich zum Vorjahr um real 2,8 Prozent. "Die Rezession wurde durch starke Unterstützungsmaßnahmen und strukturelle Merkmale der Wirtschaft gemildert. Sie hat einen hohen Anteil an Jobs, die aus der Ferne ausgeführt werden können, einen relativ kleinen Gastgewerbesektor und einen großen Exportsektor", konstatierten Experten des Internationalen Währungsfonds Anfang Februar 2021 in ihrem Bericht.
Demnach bleiben weiterhin Risiken bestehen, die vor allem mit dem ungewissen Pandemieverlauf und der Impfstoffverfügbarkeit zusammenhängen. Zudem haben "die expansive Politik und einfache Finanzierungsbedingungen zur Vermeidung einer Finanzkrise beigetragen, erhöhen aber die Anfälligkeit" für neue Schocks.
Die Anzahl der Konkurse lag außer in den ersten drei Pandemiemonaten im nahezu gesamten Jahr 2020 deutlich unter dem Vorjahreswert - nicht zuletzt dank umfangreicher Hilfsmaßnahmen. Der Dezember 2020 brachte aber laut der Agentur für Wachstumspolitikanalysen Tillväxtanalys einen Anstieg um 27 Prozent. Am stärksten zugenommen haben im Gesamtjahr die Zahlungsunfähigkeiten bei Reiseveranstaltern und -büros, im Finanz- und Versicherungswesen, bei Herstellern von Lebensmitteln, Getränken und Tabakprodukten, in der Gastwirtschaft sowie im Transport- und Logistiksektor.
Trotz der leicht rückläufigen Konkurse nahm die Anzahl der von diesen betroffenen Mitarbeiter um 5 Prozent gegenüber 2019 zu. Insgesamt waren im Dezember 2020 etwa 450.000 Schweden arbeitslos - ein Drittel mehr als zwölf Monate zuvor. Die Arbeitslosenquote stieg im gleichen Zeitraum um über 2 Prozentpunkte auf 8,2 Prozent. Laut Prognosen des staatlichen Konjunkturinstitutet wird sie 2021 auf bis zu 9 Prozent weiter steigen und danach nur langsam zurückgehen.
Zusätzlich zum Abbau von Arbeitsplätzen fuhren viele Unternehmen ihre Investitionstätigkeit zurück. Die Europäische Kommission bezifferte in ihrer Herbstprognose den Rückgang der Bruttoanlageinvestitionen in Schweden 2020 auf 3,4 Prozent. Käufe von Maschinen und Geräten sollten um 11,5 Prozent zurückgegangen sein.
Laut dem staatlichen Konjunkturinstitutet könnte das Investitionsvolumen aber bereits im Laufe des Jahres 2021 auf das Vorkrisenniveau zurückkehren - größtenteils dank der öffentlichen Hand. In der Industrie sollen Bruttoanlageinvestitionen, von Regierungsmaßnahmen angespornt, um bis zu 4 Prozent gegenüber dem Vorjahr zulegen. So gibt es Vergünstigungen für Maschinenkäufe, die Förderung von Forschung und Entwicklung, "grüne" Staatsinvestitionen und zahlreiche Stützen für den Arbeitsmarkt, Jobeinsteiger und das Wachstum von Kleinstfirmen.
Für eine Erholung spricht auch der zunehmende Optimismus bei schwedischen Firmen, den selbst die Verbreitung von Virusmutationen kaum bremsen konnte. "Der Beginn des Jahres 2021 zeigt eine anhaltend hohe Aktivität im schwedischen verarbeitenden Gewerbe. Die Produktionspläne der Unternehmen sind expansiver geworden, was auf eine optimistische Wahrnehmung der Wirtschaft über die nächsten sechs Monate hinweist", kommentierte Jörgen Kennemar, der bei der Swedbank für die Analyse des Einkaufsmanagerindexes (PMI) verantwortlich ist.
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Angesichts der prognostizierten, langsamen Erholung des Arbeitsmarktes sind von der Konsumentwicklung keine Wunder zu erwarten. Laut vorläufigen Zahlen des SCB sanken die Ausgaben der schwedischen Haushalte 2020 um 4 bis 5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Gegen den Trend entwickelten sich demnach nur die Ausgaben für Lebensmittel, Möbel und Wohnen. Den größten Kundenschwund erlebten die Modeindustrie sowie Hotels und Gaststätten: Die Ausgaben für ihr Angebot gingen jeweils um über 20 Prozent zurück. Laut Prognosen wird 2021 nur ein Teil der Verluste wieder wettgemacht werden können - der Anstieg soll bei etwa 3 Prozent liegen.
Bereits in den letzten beiden Monaten 2020 wurden im Außenhandel die Volumina des gleichen Vorjahreszeitraums erreicht. Im Gesamtjahr ergab sich aber auf Eurobasis ein Rückgang um über 8 Prozent. Besonders stark nachgelassen hat unter anderem der Bedarf nach ausländischen Energierohstoffen (-32 Prozent auf Basis der Landeswährung), Erzeugnissen aus Eisen und Stahl (-21 Prozent) sowie Kfz (-14 Prozent) und anderen Transportmitteln (-50 Prozent). Maschinenimporte sind um knapp 9 Prozent gesunken, besonders betroffen waren Metallbearbeitungsmaschinen.
Die schwedischen Exporte haben nach vorläufigen Angaben des SCB 2020 im Jahresvergleich zwar auch abgenommen, das Minus war mit 5 Prozent jedoch wesentlich niedriger als bei den Importen. 2021 dürfte sich das Bild jedoch umkehren. Das Importwachstum wird voraussichtlich gegen 6 Prozent tendieren. Deutsche Lieferanten sind in bester Ausgangslage um davon zu profitieren. Ihre Umsätze sanken 2020 langsamer als der Durchschnitt der Importe. Sollte sich die Coronalage allmählich beruhigen und die Weltkonjunktur kein Nachbeben erleben, könnte die Nachfrage nach schwedischen Produkten 2021 je nach Prognose um 3 bis 5 Prozent zulegen.
Lesen Sie die aktuelle Einschätzung der schwedischen Wirtschaftslage von Professor Hubert Fromlet, Senior Berater der Deutsch-Schwedischen Handelskammer.
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