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Wirtschaftsumfeld
Special | Slowakei | Coronavirus
Die slowakische Industrie ist eng in internationale Lieferketten eingebunden. Bereits seit Juni 2020 übersteigen ihre Exporte wieder das Vorjahresniveau. (Stand: 18. Januar 2021)
Von Miriam Neubert | Bratislava
Wichtig ist, dass die zweite Coronawelle die Nachfrage nicht wieder erschlägt. Denn die Slowakei ist eng in internationale Lieferketten einbezogen - nicht zuletzt durch den hohen Anteil der Bruttowertschöpfung und der Exporte von Niederlassungen ausländischer, darunter vieler deutscher, Industrieunternehmen. Ausfuhren und Einfuhren von Waren und Dienstleistungen machen rund 190 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Allein der Warenaußenhandel ist in den vergangenen zehn Jahren in beide Richtungen nominal um jeweils 63 Prozent gestiegen.
Durch diese Abhängigkeit und das besondere Gewicht der Automobilbranche hat die Industrie im Frühjahr 2020 besonders unter der Pandemie und den Corona-Abschirmmaßnahmen in Europa gelitten, die alle wichtigen Handelspartner betrafen. Die Produktion des verarbeitenden Gewerbes ist im April um 48 Prozent, im Mai um 38 Prozent eingebrochen. Seither arbeitet sie sich im Vergleich zum Vormonat aus dem Tal. Im November lag sie erstmals wieder, wenn auch nur um leichte 0,5 Prozent, über dem Vorjahresniveau. Die Ausfuhren sind bereits seit Juni - insgesamt und besonders in der dominanten Kategorie Kraftfahrzeuge, Maschinen und Ausrüstungen - wieder auf Wachstumskurs.
Das mittelosteuropäische Land ist ein wichtiger Beschaffungsmarkt innerhalb der Europäischen Union (EU) und insbesondere für Deutschland. Es gab und gibt aktuell keine Produktions- oder Exportverbote. Zwar hatte die Autoindustrie im Frühjahr ähnlich wie in ganz Europa die Produktion einige Wochen heruntergefahren. Das hing aber nicht mit staatlichen Vorgaben zusammen, sondern mit dem Nachfrageschock. Dieser Einbruch prägt trotz der Erholungstendenzen das gesamte Jahr 2020.
Laut vorläufigen Zahlen des Slowakischen Statistikamts sank von Januar bis September 2020 der Importwert bei Pkw um fast 25 Prozent, worin sich die schlechte Kaufstimmung und monatelang geschlossene Autohäuser spiegelten. Der Exportwert indes lag nur noch um 7 Prozent unter dem des Vorjahres, weil sich die internationale Auftragslage für den Sektor besserte. Bei Teilen und Zubehör für Transportmittel war es ein Rückgang um je 14 und 16 Prozent.
Weniger drastisch sah es bei den Investitionsgütern (ohne Transportmittel) aus. Hier sank der Importwert um 8 Prozent, der Exportwert nur um 4 Prozent. Bei den Teilen und Zubehör für Investitionsgüter war der Rückgang noch zweistellig, mit abmildernder Tendenz (Import: -12 Prozent; Export: -10 Prozent).
Aus Deutschland bezieht die Slowakei laut Eurostat vor allem Kraftfahrzeugteile (2019: 3,3 Milliarden Euro), Vorwaren (2,5 Milliarden Euro), Maschinen und Teile (2,2 Milliarden Euro) sowie elektrische Ausrüstungen und Teile (1,9 Milliarden Euro). Mit einem Anteil von 16,4 Prozent an einem Importvolumen von 79,3 Milliarden Euro war Deutschland 2019 dem slowakischen Statistikamt zufolge wichtigster Beschaffungsmarkt.
Ebenso ist es auf der Exportseite. Nach Deutschland geht seit mehreren Jahren konstant etwas über ein Fünftel des slowakischen Ausfuhrwerts, der 2019 rund 80,3 Milliarden Euro betrug. Die slowakischen Hauptexportgüter nach Deutschland sind Kraftfahrzeuge mit einem Exportwert von 6,9 Milliarden Euro (davon 1,7 Milliarden Euro Teile und Komponenten). Es folgen Vorwaren, Maschinen, elektrische Ausrüstungen und Telekommunikationstechnik.
Unter den belastenden Auswirkungen der Coronapandemie stehen die Probleme in der Lieferkette und Logistik nicht im Vordergrund. Das ergab eine Umfrage unter 67 Niederlassungen vor allem deutscher, aber auch österreichischer, italienischer und schwedischer Unternehmen, die die Auslandshandelskammer in Bratislava (AHK Slowakei) mitorganisierte. Belastet sahen sich die im Oktober befragten Unternehmen vor allem durch weniger Nachfrage (70 Prozent), Reiseeinschränkungen (61 Prozent) und die Verschiebung von Investitionen (53 Prozent). Probleme mit der Lieferkette registrierten 16 Prozent.
Rund ein Zehntel der Firmen will Änderungen in der Lieferkette vornehmen. Während 90 Prozent keine neuen Lieferanten suchen, schauen sich 9 Prozent in der EU um, 4,5 Prozent auch in anderen Teilen Europas inklusive der Türkei und Russland. Durch Änderungen in der Lieferkette wollen sie vor allem Kosten optimieren, Reiseeinschränkungen verhindern und bei Ausfällen Risiken diversifizieren oder minimieren.
Standortveränderungen erwägen 5 Prozent, wobei Europa im Fokus steht. Auch dabei geht es zwei Dritteln um Kostenoptimierung, einem Drittel um Risikominimierung bei Ausfällen, aber auch um konjunkturelle Gründe.
Dass das Land von einem Verlagerungs- oder Diversifizierungstrend profitieren könnte, glauben der Kreditversicherer Coface oder Experten des Wiener Instituts für internationale Wirtschaftsvergleiche. Die neue slowakische Regierung arbeitet ihrerseits an der Standortqualität. Aktuell wird das Arbeitsrecht novelliert. Kurzarbeit soll in einem eigenen Gesetz dauerhaft verankert werden.
Informationen zum Wirtschaftsstandort und zu den Rahmenbedingungen in der Slowakei bieten unter anderem die folgenden GTAI-Publikationen: |