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Special Taiwan Konjunktur
Trotz guten Krisenmanagements kann sich Taiwans Wirtschaft den Coronaeffekten nicht entziehen. Die BIP-Prognosen werden revidiert, eine Rezession ist bislang aber nicht in Sicht. (Stand: 22. Juli 2020)
Von Alexander Hirschle | Taipei
Taiwan hat die Coronakrise medizinisch bisher sehr gut im Griff. Das Land gilt als Vorbild bei der Eindämmung der Ansteckungen. Die Zahl der täglichen Binnenansteckungen liegt seit Wochen bei Null.
Dies ist nicht zuletzt auf die dezidierten Maßnahmen der Regierung zurückzuführen. Dazu zählen vor allem Einreisesperren, scharfe Quarantänebestimmungen und -überwachung. Mittlerweile werden die Maßnahmen im Land selbst sukzessive gelockert, so dass Messen und Veranstaltungen zum Teil wieder stattfinden können.
Taiwan wird in internationalen Medien für seine vorbildliche Bekämpfung des Virus gelobt. Das Land hat einen enormen Imagegewinn durch sein Krisenmanagement erfahren. Aus diesem Grund ist anzunehmen, dass die Regierung auch weiterhin alles tun wird, um diesen Benchmark-Status nicht zu verlieren.
Dennoch kann sich die Wirtschaft Taiwans nicht gänzlich von der globalen Negativentwicklung loslösen. Nachdem die offizielle Prognose für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) für 2020 im Frühjahr von 2,7 auf 1,7 Prozent heruntergeschraubt wurde, zogen private Finanzinstitute nach. Die Vorhersagen waren dabei noch pessimistischer und reichten bis hin zu einer Stagnation. Eine Rezession wird bisher nur von wenigen Experten prognostiziert.
Voraussichtlich wird sich das Wachstum 2020 in einem Korridor zwischen 0 Prozent und den offiziell angestrebten 1,7 Prozent bewegen. Viel wird von der Entwicklung der chinesischen Wirtschaft abhängen, die mehr als 40 Prozent der taiwanischen Exporte abnimmt.
Im Binnenmarkt litten zu Beginn der Krise vorwiegend Hotels, Restaurants und der Einzelhandel. Die Belegung in den Herbergen rangierte in einigen Fällen bei weniger als 30 Prozent der Kapazitäten. Die großen Shopping-Malls in Taipei waren von Februar bis April nur schwach frequentiert, der Einzelhandel verzeichnete temporär starke Einbußen.
Dennoch hielten sich die Rückgänge von privatem Verbrauch und Einzelhandel im 1. Quartal mit einem Minus von jeweils rund 1 Prozent in Grenzen. Im Gesamtjahr 2020 soll der private Konsum nur marginal um 0,2 Prozent zurückgehen. Mittlerweile hat sich die Lage auch wieder einigermaßen stabilisiert. Angesichts der niedrigen Ansteckungsraten füllen sich die Gaststätten und Einkaufszentren seit Juni wieder deutlich. Die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt sind jedoch mittlerweile spürbar. Die Arbeitslosenrate stieg vier Monate in Folge und erreichte im Mai mit 4 Prozent den höchsten Stand seit 2013.
Die anfänglich befürchteten und auch zum Teil eingetretenen Unterbrechungen der Lieferketten aus China konnten mittlerweile größtenteils wieder gekittet werden. Allerdings treibt auch die Situation in Europa und den USA den taiwanischen Unternehmern Sorgenfalten auf die Stirn angesichts der befürchteten Nachfragerückgänge aus diesen wichtigen Abnehmermärkten.
Der Außenhandel entwickelt sich dennoch stabil. Während weltweit die Exporte wegbrechen, konnte Taiwan im 1. Halbjahr 2020 ein leichtes Plus bei den Ausfuhren verzeichnen. Dies war in erster Linie darauf zurückzuführen, dass die Exporte von Informations- und Kommunikationstechnologie um 10 Prozent und die von Elektronikkomponenten sogar um 20 Prozent im Vergleich mit der Vorjahresperiode zulegen konnten. Im Zuge der Coronakrise wurden weltweit Produkte wie Kameras, Laptops oder Thermometer stark nachgefragt, die Taiwan in seinem Produktporftolio führt. Als positives Zeichen ist auch zu werten, dass die Exportaufträge im Juni wieder um fast 7 Prozent im Vergleich zum selben Vorjahresmonat anziehen konnten.
Die Coronakrise beschäftigt auch die deutschen Firmen in Taiwan. Das Deutsche Wirtschaftsbüro Taipei (German Trade Office Taipei beziehungsweise AHK Taiwan) hat in der ersten Märzwoche eine Umfrage durchgeführt, um den Einfluss der Pandemie auf die geschäftlichen Aktivitäten in Taiwan zu untersuchen. Mehr als 80 Prozent der deutschen Unternehmen spüren bereits die Folgen, davon 28 Prozent sogar stark. Als Hauptproblem wurde die rückläufige Nachfrage nach Produkten oder Dienstleistungen identifiziert.
In einer weiteren im Juni durchgeführten Umfrage geht über die Hälfte der Firmen von Umsatzeinbußen im laufenden Jahr aus, 10 Prozent rechnen sogar mit Einbrüchen zwischen 25 und 50 Prozent. Als größte negative Einflussfaktoren wurden Reiserestriktionen von mehr als 90 Prozent der Firmen genannt, gefolgt von Nachfragerückgängen (48 Prozent), Störungen in den Lieferketten (33 Prozent) sowie die Absage von Veranstaltungen und Messen (29 Prozent). Von einer Erholung im laufenden Jahr gehen nur 24 Prozent der deutschen Unternehmen aus, 57 Prozent rechnen damit im kommenden Jahr 2021. Knapp 20 Prozent befürchten sogar, dass die taiwanische Wirtschaft erst nach 2021 wieder das Vorkrisenniveau erreicht haben wird.
Äußerst positiv wird das Krisenmanagement von Regierung und zuständigen Behörden beurteilt: 87 Prozent der deutschen Firmen waren schon im März damit zufrieden oder sogar sehr zufrieden. Aktuelle Informationen und Unterstützung vor Ort bietet die AHK Taiwan.
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