Die saudi-arabische Wirtschaft wird 2021 zumindest ein leichtes Wachstum erzielen können. Das Vorkrisenniveau dürfte aber erst 2022 wieder erreicht werden. (Stand: 26. März 2021)
Die Coronapandemie hat Saudi-Arabien in einer bereits schwierigen Wirtschaftslage getroffen. Der wichtigste Wirtschaftszweig, die Ölindustrie, befand sich schon seit längerer Zeit im Abschwung. Der Ölsektor hatte 2019 einen Anteil am realen (preisbereinigten) Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 42 Prozent (einschließlich Raffinerien).
Wirtschaft bleibt 2021 noch unter Vorkrisenniveau
Vorläufige Daten der saudi-arabischen Statistikbehörde weisen für 2020 einen BIP-Rückgang um real 4,1 Prozent aus. Die Öl- und Gasförderung schrumpfte um 6,1 Prozent, die Raffinerieproduktion um 13,4 Prozent. Die verarbeitende Industrie (ohne Raffinerien) meldet ein Minus von 5,4 Prozent. Der Rückgang im Bereich "Groß- und Einzelhandel sowie Hotel- und Gaststättengewerbe" betrug 4,8 Prozent. Im Sektor "Transport, Lagerwesen und Kommunikation" waren es -6,0 Prozent. Die Baubranche kam mit lediglich -0,4 Prozent davon.
Nahezu alle Prognosen gehen davon aus, dass nach dem deutlichen BIP-Rückgang 2020 das Vorkrisenniveau erst 2022 wieder erreicht werden kann. Die im März 2021 vorgelegte Prognose des in Riad ansässigen Unternehmens Jadwa Investment erwartet für 2021 ein BIP-Plus von 2,1 Prozent, für 2022 wird mit einer Wachstumsbeschleunigung auf 5,2 Prozent gerechnet.
Die Economist Intelligence Unit (EIU) prognostiziert für 2021 einen BIP-Anstieg um 2,5 Prozent und für 2022 um 2,4 Prozent. Der Internationale Währungsfonds geht in seiner jüngsten Vorhersage für 2021 von einen BIP-Anstieg um 3,1 Prozent aus, 3,4 Prozent sollen es 2022 werden.
Entwicklung des Ölsektors von zentraler Bedeutung
Die prognostizierten Wachstumsraten setzten allerdings voraus, dass der Ölsektor wieder zulegen kann. Jadwa rechnet 2021 mit einer Expansion des Ölsektors um 1,3 Prozent und 2022 um kräftige 9,4 Prozent. Diese Zuwächse sind aber keineswegs sicher. Die Situation auf den Ölmärkten hat sich zwar gebessert, ist aber weiterhin instabil.
Die gemäß den Vereinbarungen der OPEC+ Gruppe seit Mai 2020 geltenden Förderobergrenzen haben die saudi-arabische Ölförderung 2020 um über 6 Prozent auf durchschnittlich 9,2 Millionen bpd (barrel per day) sinken lassen. Der durchschnittliche Ölpreis ist 2020 um 35 Prozent auf 41,5 US$ pro Barrel gefallen.
Talsohle bereits im Frühjahr 2020 durchschritten
Die saudi-arabische Wirtschaft befindet sich schon seit Jahresmitte 2020 wieder auf einem Erholungskurs. Im ersten Quartal 2020 war das BIP gegenüber der entsprechenden Vorjahresperiode real um 1,0 Prozent zurückgegangen. Die Talsohle der schweren Rezession wurde im zweiten Quartal durchschritten. Das BIP schrumpfte real um 7,0 Prozent. Zu laufenden Preisen ergab sich vor allem ölpreisbedingt ein Einbruch um 23,8 Prozent.
Im Ölsektor wurde im zweiten Quartal ein reales Minus von 5,3 Prozent verzeichnet, im Nicht-Ölsektor waren es -8,2 Prozent. Der Privatsektor musste einen Rückgang um 10,1 Prozent hinnehmen, für den staatlichen Sektor werden nur -3,5 Prozent gemeldet.
Besonders starke Rückgänge wurden im zweiten Quartal in den Bereichen "Groß- und Einzelhandel, Hotel- und Gaststättengewerbe" (-18,3 Prozent), "Transport, Lagerwesen und Kommunikation" (-16,3 Prozent) und in der verarbeitenden Industrie (-11,6 Prozent) verzeichnet. Unterdurchschnittliche Rückgänge werden unter anderem bei "Banken, Versicherungen etc." (-0,7 Prozent), "staatlichen Dienstleistungen" (-1,3 Prozent) und im Baugewerbe (-4,7 Prozent) ausgewiesen.
Viele Sektoren wieder mit kräftigem Wachstum
Im dritten Quartal 2020 ist die Wirtschaft gegenüber dem Vorjahresquartal zwar um 4,6 Prozent geschrumpft, aber im Vergleich zum zweiten Quartal 2020 konnte das BIP saisonbereinigt um 2,0 Prozent zulegen. Im ersten und zweiten Quartal 2020 hatten sich im Vergleich zum jeweils vorangegangenen Quartal Verminderungen um 1,4 Prozent (erstes Quartal) und 5,9 Prozent (zweites Quartal) ergeben.
Im dritten Quartal wird gegenüber dem zweiten für fast alle Wirtschaftszweige ein Plus ausgewiesen, Ausnahmen sind die Öl- und Gasförderung sowie die Raffinerieproduktion. Im vierten Quartal 2020 hat sich der Aufwärtstrend stabilisiert. Saisonbereinigt expandierte das BIP gegenüber dem Vorquartal um 2,5 Prozent, das Minus gegenüber dem Vorjahresquartal lag aber noch bei 3,9 Prozent.
Branchen werden sich unterschiedlich schnell erholen
Die Entwicklung wird in den verschiedenen Branchen 2021 recht unterschiedlich verlaufen. Im wichtigen Ölsektor wird die Dynamik sehr gedämpft bleiben, die Investitionen könnten weiter sinken. Die aktuelle Förderkapazität von über 12 Millionen bpd liegt deutlich über dem kurz- und mittelfristig zu erwartenden Produktionsniveau. Die geplante Erweiterung des Marjan Offshore-Ölfeldes ist zurückgestellt. Besser dürfte es im Gassektor aussehen. Die Gasproduktion soll stark ausgeweitet werden.
Der Ausbau und die Diversifizierung der Downstream-Industrien bleibt ein zentrales Element der saudi-arabischen Entwicklungsstrategie. Das Königreich hat die Kapazitäten der chemischen Industrie zwischen 2008 und 2018 von 57 Millionen auf 119 Millionen Tonnen erhöht. Zu den wichtigsten Chemieprojekten gehört die von der Saudi Aramco Total Refining & Petrochemical Company geplante Errichtung des 9-Milliarden-US$-Amiral-Complexes in Jubail. Als Teil des Komplexes soll unter anderem ein 5-Milliarden-US$-Werk zur Herstellung von Ethylen und Propylen entstehen.
Im Energiebereich ist von einem weiterhin positiven Trend im Solar- und Windsektor auszugehen, obwohl einige Projekte langsamer als geplant realisiert werden dürften. Derzeit laufen Ausschreibungsverfahren für Projekte der zweiten und dritten Phase des nationalen "National Renewable Energy Programm", zuständig ist das zum Energieministerium gehörende Renewable Energy Project Development Office. Die Gesamtleistung der ausgeschriebenen Projekte, die auf PPP-Basis (Private Public Partnership) durchgeführt werden sollen, liegt bei 2,3 Gigawatt. Der Public Investment Fund arbeitet an zwei großen Solarprojekten (2,1 Gigawatt).
Von Robert Espey
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