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Zoll
Zollbericht WTO Internationale Handelsabkommen
Die WTO verpflichtet ihre Mitglieder zur Bindung von Zöllen und Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes: Abweichungen sind dennoch möglich.
05.08.2020
Von Melanie Hoffmann, Dr. Achim Kampf
Die Welthandelsorganisation (WTO) strebt den weltweiten Abbau von Handelsschranken sowie die Beseitigung der Diskriminierung in den internationalen Handelsbeziehungen an. Zölle und weitere Handelshemmnisse können jedoch nur dann abgebaut werden, wenn einheitliche Regeln gelten.
Art. II GATT legt das Prinzip der Zollbindung fest, nach dem sich jeder Mitgliedstaat gegenüber jedem anderen Mitgliedstaat zur Anwendung bestimmter Maximalzölle verpflichtet, die in einer Liste aufgeführt sind.
Mit der Bindung von Zollsätzen geht das Meistbegünstigungsprinzip einher (Art. I GATT). Demnach müssen Handelsvorteile, die einem WTO-Mitglied gewährt werden, auch anderen Mitgliedern eingeräumt werden. Das bedeutet wiederrum, dass der festgelegte Maximalzoll für alle Mitglieder der WTO gleichermaßen gilt und eine Differenzierung zwischen den Mitgliedern nicht erlaubt ist. Eine Andersbehandlung kann lediglich gegenüber Entwicklungsländern rechtmäßig durchgeführt werden.
Von diesem Grundsatz sieht das WTO-Recht jedoch unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen vor. Zollerhöhungen oder neue Zölle sind daher nicht per se unzulässig. Sie müssen jedoch die von der WTO gesetzten rechtlichen Vorgaben beachten.
Das GATT kodifiziert Ausnahmen, die eine Abweichung vom allgemeinen Meistbegünstigungsprinzip sowie von der Zollbindung erlauben.
Die Möglichkeit, Schutzmaßnahmen gegen Importe zu verhängen, die zu einem ernsthaften Schaden bei einem konkurrierenden Wirtschaftszweig führen, sieht das WTO-Übereinkommen über Schutzmaßnahmen i.V.m. Art. XIX GATT vor. Entscheidend ist hier der deutliche Anstieg der Einfuhren der betreffenden Ware, durch den ein bedeutender Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Nach erfolgreicher Untersuchung dürfen sodann Schutzmaßnahmen in Form von Zöllen und nicht-tarifären Handelshemmnissen erlassen werden. Die Verwendung solcher Maßnahmen dürfen jedoch nicht grenzenlos erfolgen, sondern lediglich in dem Umfang, der zur Beseitigung des Schadens notwendig ist. Zudem muss die Maßnahme gegenüber allen Mitgliedern angewandt werden und nicht nur gegenüber ausgewählten Staaten.
Unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt das GATT weitere Ausnahmen, auch von dem Grundsatz der Meistbegünstigung. Dieser Grundsatz besagt, dass Vorteile und Befreiungen, die einem bestimmten Land gewährt werden, auch allen anderen WTO-Mitgliedern zu gewähren sind. Gemäß Art. XX GATT können Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Moral sowie des Lebens und der Gesundheit von Tieren, Menschen und Pflanzen ausnahmsweise zulässig sein, auch wenn sie gegen andere Regeln des GATT verstoßen. Diese Ausnahmeregelung verbietet einen weiten Handlungsspielraum, sodass eine enge Auslegung sowie die Einhaltung des sogenannte 2-Stufen-Tests geboten sind. Demnach muss eines der Schutzgüter aus Art. XX GATT betroffen, die Maßnahme erforderlich und frei von jeglicher Diskriminierung sein.
Schließlich ist noch auf Art. XXI GATT hinzuweisen, der Maßnahmen zum Schutz der nationalen Sicherheit ermöglicht. Diese Ausnahmeregelung bezieht sich stark auf den Schutz der Sicherheit im Hinblick auf militärische Güter. Wie weit diese Ausnahmeregelung zu verstehen ist und wem es obliegt, eine Bedrohung der nationalen Sicherheit zu definieren und festzustellen, geht aus dem Artikel nicht hervor und ist somit Streitgegenstand sämtlicher Wirtschaftsbeziehungen. Auch wenn die Ausnahmen des GATT stets eng (ohne großen Interpretationsspielraum) auszulegen sind, erhält die Sicherheitsausnahme des Art. XXI GATT einen starken subjektiven Ansatz. Auf diese Vorschrift berufen sich auch die USA im Zusammenhang mit der Erhebung von neuen Zöllen auf Stahl und Aluminium. Die Europäische Union hält dies nicht für gerechtfertigt und hat daher ein WTO-Streitbeilegungsverfahren initiiert.
Zollunionen und Freihandelszonen dienen der gesamten Weltwirtschaft, sodass nach Art. XXIV GATT für solche Integrationsbündnisse eine Ausnahme vom Grundsatz der Meistbegünstigung besteht. Solche Integrationsbündnisse verzichten innerhalb des Bündnisses auf alle tarifären und nichttarifären Hemmnisse, die annähernd den gesamten Handel betreffen. Zudem wird der Außenzoll gegenüber den Drittländern nicht erhöht. Aus diesem Grund ist die Europäische Union nicht dazu verpflichtet, den Drittländern die Handelsvorteile ihres Binnenmarktes zu gewähren.
Die Ausnahme fördert den Liberalisierungsgedanken innerhalb der Zoll- bzw. Freihandelszone, könnte dabei jedoch den internationalen Markt außerhalb des Bündnisses diskriminieren. Die Anwendung dieser Ausnahme ist zielführend, solange die handelsbeeinträchtigenden Auswirkungen durch die handelsschaffenden Impulse überwogen werden (Art. XXIV: 5 und 8 GATT).