Die sukzessive Liberalisierung des ägyptischen Energiemarktes vergrößert den Spielraum für privatwirtschaftliche Akteure.
Die Zielmarken für den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung in Ägypten liegen nach der Integrated Sustainable Energy Strategy (ISES) bei 42 Prozent bis 2030 und 60 Prozent bis 2040. Das Ministerium für Elektrizität und Erneuerbare Energien hat zur Koordination des Ausbaus bereits 1987 die New and Renewable Energy Authority (NREA) gegründet. Das Aufgabenspektrum der NREA reicht von der Erforschung der Potenziale für erneuerbare Energien über die Definition von Standards und Beratungsdienste bis zur Umsetzung eigener Projekte, teilweise in Zusammenarbeit mit privaten Akteuren.
Strategieplan schafft Rahmen für mehr Erneuerbare
Die Regierung hat der NREA etwa 40.000 Quadratkilometer Land zu Verfügung gestellt, die diese vorher als besonders geeignet für die Stromerzeugung aus Solar- und Windenergie identifiziert hat. Auf diesen Flächen sollen Projekte bevorzugt umgesetzt werden. Ein weiteres Programm ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung: Nexus of Water, Food and Energy (NWFE). Der Energieteil von NWFE sieht vor allem vor, ineffiziente thermische Kraftwerke durch Solar- und Windkraftanlagen in einer Größenordnung von 10 Gigawatt Kapazität zu ersetzen. Finanzielle Unterstützung kommt von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD).
Ausschreibungen von größeren Energieanlagen erfolgen oft über die Egyptian Electricity Holding Company (EEHC). Erfolgreiche Bieter unterzeichnen dann in der Regel einen Abnahmevertrag (Power Purchase Agreement) mit dem Netzbetreiber EETC. Solche Verträge bestehen zum Beispiel mit den Unternehmen Acwa Power (Saudi-Arabien), Masdar (VAE) und Scatec (Norwegen) und umfassten im Frühjahr 2025 circa 4,2 Gigawatt Kapazität. Einspeisevergütungen werden dabei im voraus festgelegt. Die Laufzeiten betragen 20 Jahre für Solaranlagen und 25 Jahre für Windkraftwerke.
Mehr Aufmerksamkeit für kleine Solaranlagen
Schrittweise wird der ägyptische Energiemarkt geöffnet. Private Unternehmen erhalten dabei mehr Möglichkeiten. Restrukturierungen bei öffentlichen Unternehmen sollen diese flexibler machen. Während die Regierung in den vergangenen Jahrzehnten vor allem auf große Anlagen gesetzt hat, finden zum Beispiel kleine und mittelgroße Solaranlagen mit einer Kapazität von bis zu 10 Megawatt nun mehr Aufmerksamkeit. Ein Faktor ist dabei, dass sich kleinere Anlagen leichter in bestehende Leitungsnetze integrieren lassen. Die vom Elektrizitätsministerium eingerichtete interaktive Plattform Egypt PV Hub soll die Kommunikation zwischen Auftraggebern, ausführenden Firmen und offiziellen Stellen verbessern und die Umsetzung von Projekten so beschleunigen.
Weiterhin wird der Strompreis in Ägypten allerdings subventioniert. Das macht die unabhängige Marktbeteiligung privater Anbieter in der Regel unrentabel. Zudem erschwert es die Festsetzung kostendeckender Einspeisetarife, zu denen private Produzenten Elektrizität an die Stromanbieter verkaufen können. Mit der Entwicklung zu mehr Unabhängigkeit der Übertragungsgesellschaft EETC ist auf diesem Feld nun mehr Bewegung möglich.
Direktverkauf an Industriebetriebe
Das Ministerium für Elektrizität erleichtert schrittweise auch den direkten Verkauf von Strom an Industriebetriebe. Im Mai 2025 erhielten vier Wind- und Solarprojekte mit einer Kapazität von je 100 Megawatt hierzu eine Genehmigung. Unter einem Peer-to-Peer (P2P)-Modell entwickeln und betreiben die Anbieter ihre Kraftwerke selbstständig und verkaufen den Strom direkt an ihre Kunden. Gegenüber der EETC fällt eine Gebühr zur Nutzung des Stromnetzes an. Die ersten Kunden sind das Stahlwerk Suez, das Suezkanal-Containerterminal, die Chemiefabrik Befar, das Ezz-Stahlwerk, die Düngerfabrik Helwan und der Alamein Silicon Products Complex. In Warteschlange für weitere P2P-Projekte stehen nach Informationen des Nachrichtenportals Enterprise rund 20 Energieunternehmen.
Im Bereich der Übertragungs- und Verteilnetze kommt die Privatisierung bislang noch nicht voran. Eine Ausnahme stellen Offgrid-Netzwerke dar, also Stromnetze in abgelegenen Gebieten, die nicht mit dem nationalen Netz verbunden sind.
Energetische Verwertung von Abfällen
Um die Stromerzeugung aus Abfällen zu steigern, hat die ägyptische Regierung 2019 auch für sogenannte Waste-to-Energy-Vorhaben einen Einspeisetarif festgesetzt. Bis zu einer Kapazität von bis zu 300 Megawatt betrug dieser zunächst 1,4 EGP pro Kilowattstunde. Mit Blick auf eine neue Runde von Investitionen in die Sparte hat die Waste Management Regulatory Authority (WMRA) den Tarif 2025 auf 2,35 EGP (0,044 US$) pro Kilowattstunde erhöht. In einer ersten Runde liegen Projekte von acht Konsortien vor. Pro Jahr sollen 3,5 Millionen Tonnen Abfälle energetisch verwertet werden. Nach Informationen des Nachrichtenportals Enterprise sind im Bereich Waste-to-Energy in Ägypten derzeit 36 Unternehmen tätig, 84 weitere haben Interesse an einem Engagement angemeldet..
Förderung für Wasserstoffprojekte
Besondere Förderung erhält der Aufbau von Produktionsanlagen für grünen Wasserstoff und in diesem Zusammenhang Solaranlagen, die zu mindestens 95 Prozent zum Betrieb von Wasserentsalzungsanlagen und Elektrolyseuren zur Herstellung von grünem Wasserstoff eingesetzt werden. Hierzu wurde Anfang 2024 das Gesetz Nummer 2/2024 erlassen. Wesentliche Förderelemente sind verringerte Steuern, Gebühren sowie vereinfachte Einfuhrverfahren und Berechtigungen für ausländische Fachkräfte. An die Förderung sind allerdings eine Reihe von Bedingungen geknüpft. So muss die Umsetzung der Projekte innerhalb von fünf Jahren geschehen, mindestens 70 Prozent der Finanzierung müssen aus dem Ausland kommen und mindestens 20 Prozent der Komponenten aus Ägypten. Zwingend gehört auch das Training der ägyptischen Beschäftigten dazu.
Meldungen zufolge wurden bis 2024 insgesamt 27 Absichtserklärungen zum Bau von Wasserstoffprojekten (Memoranda of Understanding, MoU) unterzeichnet. Die Verwirklichung kommt wie anderswo auch jedoch nur schleppend voran. Die Forderung nach einer Produktion nach nur fünf Jahren erscheint daher zu eng.
Germany Trade & Invest stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nicht tarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.
Von Marcus Knupp
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Berlin