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Ägypten will sich als regionaler Hub für Energie positionieren. Bestehende Stromtrassen werden ausgebaut, neue Verbindungen nach Saudi-Arabien und Europa sind geplant.
29.12.2021
Von Friedrich Henle | Kairo
Ägypten verzeichnet immer größere Stromüberschüsse und sucht dafür verstärkt Abnehmer im Ausland. Die geplanten Projekte sollen den grenzüberschreitenden Stromhandel und die Versorgungssicherheit in den jeweiligen Ländern erhöhen. Das fügt sich ein in die ägyptische Strategie, sich als regionaler Energie-Hub zu positionieren und korrespondiert mit ähnlichen Aktivitäten im Bereich Gas.
Laut der staatlichen Egyptian Electricity Holding Company besaß das Land im Juni 2020 eine installierte Leistung von 59,5 Gigawatt (1 Gigawatt = 1.000 Megawatt). Dem stand eine Spitzenlast von rund 32 Gigawatt gegenüber. Seit Mitte 2014 hat sich die installierte Leistung fast verdoppelt, während die Spitzenlast nur um 22 Prozent gestiegen ist.
Im Oktober 2021 unterzeichneten Ägypten und Saudi-Arabien Bauaufträge für eine grenzüberschreitende Stromverbindung. Entstanden ist die Projektidee bereits vor zehn Jahren. Die nun vertraglich beschlossene Leitung soll 2025 ihre finale Ausbaustufe erreichen und über eine Kapazität (bedeutet Erzeugungs- oder Übertragungsleistung) von 3 Gigawatt verfügen. An Kosten veranschlagen die Partner umgerechnet 1,6 Milliarden Euro.
Auf ägyptischer Seite wird ein Konsortium aus dem lokalen Unternehmen Orascom Construction und Hitachi ABB Power Grids die Konverterstationen errichten. Ein chinesisch-lokales Konsortium aus China Power, Xian Electrical Engineering und Giza Cables ist für die 450 Kilometer an neuen Hochspannungsleitungen zuständig.
Auf saudischer Seite kommen für die 900 Kilometer Stromtrassen und die Konverterstationen die Unternehmen Hitachi ABB Power Grids, Saudi Services for Electro-Mechanic Works und Hyundai Engineering and Construction zum Zug. Das 22 Kilometer lange Unterseekabel durch den Golf von Akaba wird die italienische Prysmian Group verlegen.
Im Planungsstadium befindet sich der EuroAfrica-Interkonnektor zwischen Ägypten und Griechenland (Kreta) über Zypern, der in noch größere Dimensionen vorstößt. Mit knapp 1.400 Kilometern wäre es das längste und mit bis zu 3 Kilometern das tiefste Seekabel der Welt. Es entstünde die zweite direkte Verbindung zwischen Afrika und Europa durch das Mittelmeer - neben der bereits bestehenden zwischen Marokko und Spanien.
Die erste Ausbaustufe, die für 2023 avisiert ist, würde eine Kapazität von 1 Gigawatt erreichen und 2,5 Milliarden Euro kosten. In der Endausbaustufe soll die Stromtrasse über eine Kapazität von 2 Gigawatt verfügen. Siemens Energy wurde 2020 ausgewählt, um in Ägypten die dafür notwendige Konverterstation in Damietta in der Nähe des Mittelmeers zu errichten. Die geopolitischen Herausforderungen im östlichen Mittelmeerraum dürften bei diesem Projekt eine wichtige Rolle spielen.
Zwei Vorhaben griechischer Energieunternehmen zielen ebenso darauf ab, vom Ausbau der erneuerbaren Energien und von den Stromüberschüssen in Ägypten zu profitieren. Die Eunice Energy Group möchte mit einem 450 Kilometer langen Seekabel die ägyptische Hafenstadt Marsah Matruh mit Kreta verbinden. Die Copelouzos Group steht hinter dem Vorschlag, das griechische Festland (Attika) mit geplanten Windparks am Roten Meer zu verbinden - dafür wären 1.373 Kilometer Seekabel und 640 Kilometer Überlandleitungen in Ägypten nötig.
Beide Projekte befinden sich in der Studienphase und setzen auf finanzielle Unterstützung durch die EU. Zuletzt haben Regierungsvertreter aller drei Staaten im Oktober 2021 weitere Absichtserklärungen zum Bau der Seekabel unterzeichnet.
Die bisher bestehenden Leitungen nach Jordanien, Libyen und in den Sudan sollen ebenfalls ausgebaut werden. In einer gemeinsamen Pressekonferenz Ende November 2021 kündigten die Energieminister Ägyptens und Jordaniens an, die Kapazität ihres Interkonnektors von aktuell 450 Megawatt auf 1 Gigawatt zu erhöhen. Dies ist eine Voraussetzung, damit Ägypten in weitere Länder der Region Strom exportieren kann, wie beispielsweise in den Irak, der 700 Megawatt beziehen möchte. Jordanien sicherte zu, innerhalb der nächsten zwei Monate entsprechende Ausschreibungen für Stromtrassen zu veröffentlichen.
Im August 2021 erklärte Ägyptens Minister für Elektrizität und Erneuerbare Energien, Mohamed Shaker, dass der 200 Megawatt-Interkonnektor mit Libyen in naher Zukunft auf eine Kapazität von 450 Megawatt und mittelfristig sogar bis auf 1 Gigawatt verstärkt werde. Dies geschehe vor dem Hintergrund, dass das Nachbarland große Angebotsengpässe bei Strom zu verzeichnen habe.
Schließlich steht der Ausbau der Verbindung in den Sudan auf dem Plan, die erst 2020 mit einer Kapazität von 80 Megawatt eröffnet wurde. Die Netzbetreiber der beiden Staaten haben dazu im März 2021 einen Vertrag mit Siemens Energy geschlossen. Das Unternehmen wird Netzstabilisierungsstationen im Sudan errichten und so die Leistung des Stromaustausches zwischen beiden Ländern auf 300 Megawatt erhöhen.
Von Mitte 2016 bis Mitte 2020 hat sich die Länge des ägyptischen Hochspannungsnetzes auf 6.285 Kilometer verdoppelt. Zuletzt verkündete das Ministerium für Elektrizität und Erneuerbare Energien, einen Netzausbau auf der Sinai-Halbinsel mit Kosten von umgerechnet etwa 500 Millionen Euro abgeschlossen zu haben. Aktuell würden Pläne für weitere Hochspannungsleitungen auf dem Sinai erarbeitet. Das ägyptische Unternehmen Elsewedy Electric erhielt im September 2021 einen Auftrag, um drei Umspannstationen für rund 65 Millionen Euro zu errichten. Dies dient einerseits der besseren Versorgung der lokalen Bevölkerung, andererseits dem Ausbau der Route in Richtung Jordanien.
Der Netzausbau und die steigende Erzeugungsleistung erhöhen die Versorgungssicherheit bei elektrischer Energie in Ägypten maßgeblich. Stromausfälle, die noch vor fünf Jahren an der Tagesordnung waren, sind mittlerweile selten geworden.