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Wirtschaftsumfeld | Israel | Krieg in Gaza

Israelische Zentralbank korrigiert Herbstprognose

In ihrer Herbstprognose warnt die Zentralbank vor großen Schäden für die Wirtschaft. Ratingagenturen erwägen die Herabstufung der Kreditwürdigkeit. Vielen Betrieben droht das Aus. 

Von Wladimir Struminski | Jerusalem

In Israel wächst die Sorge über die wirtschaftlichen Schäden, die der Gaza-Krieg verursachen wird. Laut der aktuellen Herbstprognose der israelischen Zentralbank soll die Wirtschaftsleistung im 4. Quartal 2023 real um 4,3 Prozent schrumpfen. Die Auswirkungen des Krieges werden vor allem beim Privatkonsum und den Importen spürbar sein

Nach Berechnungen von Germany Trade & Invest (GTAI) könnte der Privatverbrauch in den letzten drei Monaten des Jahres um 15 Prozent einbrechen, die zivilen Einfuhren nach Israel sogar um 22 Prozent. Michel Weinberg, Geschäftsführer der Deutsch-Israelischen Industrie- und Handelskammer (AHK), erklärt in einem Interview mit der GTAI, dass der Außenhandel bislang funktioniere, er aber Verzögerungen bei der Abwicklung, etwa bei der Zollfreigabe, nicht ausschließen könne.

Bei den Bruttoanlageinvestitionen meldet die israelische Zentralbank dagegen keine signifikanten Veränderungen. Dies ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass Bestellungen von Maschinen und Ausrüstungen langfristig angelegt sind.

Für das Gesamtjahr 2023 rechnet die Zentralbank mit einem Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von real 2,3 Prozent. Das sind nur 0,7 Prozentpunkte weniger als in der Sommerprognose vom Juli angegeben. Für das Jahr 2024 erwarten die Bankanalysten eine langsame Erholung mit einem BIP-Wachstum von 2,8 Prozent und einem Anstieg der zivilen Einfuhren um 2 Prozent. Der Konsum wird voraussichtlich um 1,5 Prozent steigen, während die Investitionen stagnieren. 

Prognose der Zentralbank basiert auf der Annahme, dass Krieg 2023 endet

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die tatsächlichen wirtschaftlichen Schäden möglicherweise höher sind als in der Prognose der Zentralbank angegeben. Denn die Prognose basiert auf der Annahme, dass der Konflikt hauptsächlich auf Gaza beschränkt bleibt und bis Ende 2023 weitgehend beendet ist. Viele Analysten in Israel und im Ausland halten die Prognosen der Zentralbank aus diesem Grund für zu optimistisch. Die Ratingagentur Moody’s rechnet beispielsweise für 2024 mit einem BIP-Wachstum von 1,4 Prozent, also nur halb so viel wie von der Bank von Israel prognostiziert.

Deutlich steigendes Haushaltsdefizit 2024 wegen Kriegsausgaben erwartet

Die führenden Ratingagenturen machen sich zudem Sorgen um langfristige Kriegsschäden. Sowohl Moody's als auch Fitch erwägen eine Herabstufung der Bonität Israels. S&P Global Ratings hat den Ausblick für die Kreditwürdigkeit Israels von stabil auf negativ gesenkt. Wichtiger Risikofaktor sind die Staatsfinanzen. Eine im Auftrag der Selbstständigen-Organisation Lahav erstellte Schätzung ergab, dass die von der Regierung zu finanzierenden Kriegskosten bei umgerechnet rund 20 Milliarden US-Dollar liegen dürften. Das wären rund 4 Prozent des BIP. Das Haushaltsdefizit wird laut dieser Analyse 2023 bei 4,3 Prozent des BIP und 2024 bei 5,7 Prozent liegen. Diese Schätzung ist deutlich höher als die Prognose der Zentralbank, in der von einem in der Staatskasse zu erwartenden Fehlbetrag von 2,3 Prozent 2023 und 3,5 Prozent 2024 die Rede ist.

Eine kräftige Erhöhung des Haushaltsdefizits dürfte die Inflation anheizen. Moody’s warnte, Israels Inflationsrate könnte 2024 ein Niveau von 6,8 Prozent erreichen. Das ist mehr als doppelt so viel als die von der Zentralbank prognostizierten 2,5 Prozent.

Große Verluste auf dem Arbeitsmarkt

Eine weitere Belastung entsteht durch die komplizierte Situation auf dem Arbeitsmarkt. Zweieinhalb Wochen nach Kriegsbeginn konnten nach Angaben des Arbeitsministeriums 764.000 vor dem Krieg beschäftigte Menschen ihrer Beschäftigung nicht mehr nachgehen. Das entsprach 17,6 Prozent aller vor dem 7. Oktober beschäftigten Personen. Die größte Gruppe waren Firmenangestellte, die entlassen oder in unbezahlten Urlaub geschickt wurden. Es folgten einberufene Reservisten, Eltern, die mit jungen Kindern zu Hause bleiben mussten und Bewohner, die aus Ortschaften in Grenznähe zum Gazastreifen und zum Libanon ins Landesinnere evakuiert wurden. 

Eine so gravierende Unterbeschäftigung bedeutet nicht nur eine erhebliche Reduktion der Wirtschaftstätigkeit. Vielmehr ist nicht sicher, dass alle, die jetzt kriegsbedingt fehlen, hinterher ihren alten Arbeitsplatz noch vorfinden werden. Bei einer Erhebung des Zentralamts für Statistik sprachen 51 Prozent der Unternehmen von einer Schmälerung ihrer Einnahmen um mehr als 50 Prozent. Unter diesen Umständen droht vielen Betrieben die Schließung. 

Gleichzeitig gibt es Wirtschaftsbereiche, in denen Arbeitskräfte fehlen. Dazu gehören insbesondere die Bauwirtschaft und die Landwirtschaft, die auf zahlreiche Beschäftigte aus den Palästinensischen Gebieten angewiesen sind. Diese können jedoch wegen des Kriegszustands nicht zum Arbeitsplatz gelangen. Eine weitere wichtige Mitarbeitergruppe am Bau und im Agrarsektor sind ausländische Arbeitnehmer. Nach Kriegsausbruch hat ein Teil von ihnen Israel verlassen. 

Das bedeutet aber nicht, dass Menschen, die aktuell keine Beschäftigung mehr haben, diese Gruppen ersetzen können. Vielen mangelt es an der Fähigkeit oder an der Bereitschaft, in die Landwirtschaft oder ins Baugewerbe zu wechseln. Auf diese Weise entsteht auf dem Arbeitsmarkt ein gefährliches Ungleichgewicht, das zu einer Kombination von Personalmangel und Arbeitslosigkeit zu führen droht.

 

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