Wirtschaftsumfeld | Äthiopien | Wirtschaftsstruktur
Öffnung der Wirtschaft wird die Branchenvielfalt bereichern
Viele Sektoren entwickeln sich erst durch die Öffnung. Durch die schlechte Sicherheitslage in einigen Regionen konzentrieren sich die Aktivitäten auf die Hauptstadt Addis Abeba.
05.09.2025
Etwa 135 Millionen Menschen dürften im Jahr 2025 in Äthiopien leben, jedes Jahr kommen etwa 2 Millionen hinzu. Das sorgt für massiven Bedarf an Infrastruktur, Nahrungsmitteln und anderen Konsumgütern. All das macht Äthiopien zur drittgrößten Volkswirtschaft im Afrika südlich der Sahara, nach Nigeria und Südafrika. Gleichwohl ist das Land mit einem Pro-Kopf-Einkommen von unter 1.400 US-Dollar pro Jahr sehr arm.
Interesse seitens der Unternehmen weckt neben der Marktgröße das hohe Wirtschaftswachstum. Die Dynamik hat in den letzten Jahren jedoch etwas nachgelassen. Nach teilweise zweistelligen Wachstumsraten in den 2010er Jahren ist das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf 7 bis 8 Prozent gefallen. Das ist immer noch viel und unterstreicht, dass sich in Äthiopiens Wirtschaft weiterhin eine Menge tut. Kapital fließt aber weniger aus westlichen Ländern, sondern in erster Linie aus China und dem Mittleren Osten ins Land.
Deutsches Interesse weiter vorhanden
Deutsche Unternehmen sehen in Äthiopien vor allem einen riesigen potenziellen Absatzmarkt für ihre Produkte. Aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen sanken die deutschen Exporte jedoch in den vergangenen Jahren deutlich. Interessant für deutsche Firmen ist die Öffnung des Handels. Ausländische Firmen können nun eine eigene Vertriebsniederlassung gründen. Das war bislang nur mit äthiopischem Mehrheitseigner möglich und schreckte viele Unternehmen ab. Aufgrund seiner Marktgröße kommt Äthiopien potenziell als Produktionsstandort in Frage, sowohl in der Landwirtschaft als auch im industriellen Bereich.
Bausektor mit hoher Dynamik
Der Bausektor ist einer der Bereiche mit der größten Dynamik. Er wird indes von chinesischen Kontraktoren beherrscht. Um Addis Abeba herum entstehen neue Satellitenstädte und Luxusstadtteile mit oftmals ausländischen Investoren. Straßen-, Wohnungs- und Wasserbauprojekten räumt die Regierung eine hohe Priorität ein, verfügt aber aktuell nur über wenig Geld. Sollten Gelder internationaler Geber wieder mehr fließen, dann dürften neue Infrastrukturprojekte angegangen werden, die deutschen Zulieferern und Ingenieurbüros Geschäftsmöglichkeiten bescheren.
Die Landwirtschaft ist der wichtigste Pfeiler der äthiopischen Wirtschaft und mit Abstand größter Arbeitgeber. Dominiert wird der Sektor von Kleinbauern. Die dringend notwendige Steigerung der Nahrungsmittelproduktion hat oberste Priorität bei der Regierung. Agrarinvestoren sind willkommen und werden bei der Devisenzuteilung für Vorprodukte bevorzugt. Auch der Export von Agrarerzeugnissen, wie Kaffee oder Schnittblumen, ist von Bedeutung.
GTAI-Informationen zu Äthiopien
- Wirtschaftsausblick: Was tut sich im Markt? Wie sind die Konjunkturerwartungen? Welche Chancen haben deutsche Unternehmen?
- Wirtschaftsdaten kompakt: alle wichtigen wirtschaftlichen Kennzahlen auf einen Blick
- Weitere Infos zu Branchen, Recht, Zoll und aktuellen geberfinanzierten Projekten: GTAI-Länderseite Äthiopien
Textilindustrie soll weiter wachsen
Viele für den Export produzierende Textilfirmen haben sich in den Jahren 2018/2019 in Industrieparks wie in Hawassa angesiedelt, überwiegend aus China und Indien. Aber auch europäische Unternehmen wie Calzedonia sind dabei. Der Verlust des zoll- und quotenfreien Zugangs zum US-Markt wegen des Ausschlusses vom African Growth and Opportunity Act (AGOA) sowie hohe Logistikkosten setzen den Herstellern aktuell zu. Gleichwohl gelten die modernen und international zertifizierten Fabriken als international konkurrenzfähig, sodass mittelfristig mit weiteren Investitionen zu rechnen ist.
Der große Binnenmarkt macht die Produktion von Massenkonsumgütern, wie Nahrungs- und Haushaltsmitteln interessant. Getränkefabriken befinden sich in mehreren Zentren des Landes und bauen ihre Kapazitäten stetig aus. Gleiches gilt für die Herstellung von Baustoffen, wie Zement.
Devisen könnten der Export von Mineralien, Öl und Gas einbringen, von denen Äthiopien über größere Vorkommen verfügt. Dazu gehören unter anderem Gold, Platin, Nickel, Lithium und Kali. Bislang jedoch gibt es kaum industriellen Bergbau.
Regierung öffnet den Dienstleistungssektor
Unterentwickelt bleibt vorerst der Dienstleistungsbereich, auch wenn Premierminister Abiy Ahmed einige Sektoren geöffnet hat. Dies ist im Telekommunikationsbereich teilweise gelungen, mit der Vergabe der zweiten Mobilfunklizenz an die kenianische Safaricom im Jahr 2021. Ebenfalls geöffnet wurde der Finanzsektor und der Handel. Banken, Vertriebsniederlassungen und internationale Einzelhandelsketten könnten nun nach Äthiopien kommen. Auch eine Börse gibt es seit kurzem, um die herum sich in den kommenden Jahren diverse Finanzdienstleistungen entwickeln könnten.
Sektoren | Anteil am BIP in Prozent *) |
---|---|
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei | 26,0 |
Baugewerbe | 13,9 |
Verarbeitendes Gewerbe | 3,3 |
Strom- und Wasserversorgung | 0,4 |
Bergbau | 0,2 |
Dienstleistungen | 26,9 |
Politische Instabilität schmälert die Rolle der Provinzen
Ein Großteil des Wirtschaftsgeschehens spielt sich zwar in der Hauptstadt Addis Abeba ab. Dennoch sind regionale Zentren in der Bundesrepublik Äthiopien bedeutend. Die fragile innenpolitische Lage führt indes zu verminderter Sicherheit, sodass Ausländer aktuell einige Regionen meiden. Auch kommt es zu regionalen Verschiebungen der wirtschaftlichen Bedeutung: Während die Provinzen Tigray und Amhara zuletzt an ökonomischem Gewicht eingebüßt haben, gewinnt die Region Oromia.
Immerhin gilt die Region Tigray wieder als überwiegend sicher, sodass Reisen dorthin möglich sind. Von Gebern wie der Weltbank werden dort diverse Wiederaufbauprojekte durchgeführt. Darüber hinaus sind auch der Bergbau und der Tourismus dort von Bedeutung.
Mittelfristig dürfte die Entstehung eines Handelskorridors durch Somaliland hindurch zum dortigen neuen Hafen in Berbera eine Rolle spielen. Dies wäre eine Alternative zum aktuell einzigen Hafenzugang in Dschibuti. Somaliland gehört offiziell zu Somalia, hat sich aber 1991 für unabhängig erklärt. Anfang des Jahres 2024 unterzeichneten Äthiopien und Somaliland (das bislang nur von Taiwan anerkannt wird) eine Absichtserklärung für die Anerkennung Somalilands. Äthiopien erhält dafür im Gegenzug 20 Kilometer Küstenland in Somaliland.
Gebiet | Bevölkerung 2024 1) |
---|---|
Oromia Region | 41,8 |
Amhara Region | 23,5 |
SNNP Region 2) | 22,4 |
Somali Region | 6,8 |
Tigray Region | 5,9 |
Sidama Region | 4,2 |
South West Region | 1,7 |
Addis Ababa | 4,0 |
Affar Region | 2,1 |
Benishangul-Gumuz Region | 1,3 |
Gambella Region | 0,5 |
Dire Dawa | 0,6 |
Harari Region | 0,3 |