Wirtschaftsumfeld | Bosnien und Herzegowina | Wirtschaftsstruktur
Industrie und Dienstleistungen prägen Wirtschaftsstruktur
Bosnien und Herzegowina profitiert von seinem Rohstoffreichtum und der verarbeitenden Industrie. Aber auch der Tourismus und die IT-Branche setzen Impulse.
28.05.2025
Von Hans-Jürgen Wittmann | Belgrad
Bosnien und Herzegowina ist immer noch stark von den Balkankriegen der 1990er Jahre geprägt. Das ursprünglich als Provisorium ausgehandelte Dayton-Abkommen von 1995 ist immer noch in Kraft. Das politische System ist in den beiden Entitäten Föderation Bosnien und Herzegowina sowie Republika Srpska stark föderalisiert. Dazu kommt das Sonderverwaltungsgebiet Brčko. Beide Entitäten verfügen über eigene Regierungen und Kompetenzen. Die Dezentralisierung bringt ein Mehr an Bürokratie mit sich.
Auch wirtschaftlich hat Bosnien und Herzegowina bereits mehrere Transformationen durchlebt. Dominierten zu Zeiten Jugoslawiens vor allem Großbetriebe wie in der Kfz-Industrie die Wirtschaft des Landes, prägen heute vor allem kleine und mittelständische Firmen das Bild.
Perspektivisch möchte das Land EU-Mitglied werden. Im Dezember 2022 erhielt das Land den Status als Beitrittskandidat. Nach anfänglichen Fortschritten ist auch dieses Thema mittlerweile zur Geisel innenpolitischer Ränkespiele geworden. Ein rascher Beitritt scheint unwahrscheinlich.
Aktuell steht die bosnische Wirtschaft vor der Herkulesaufgabe, die grüne Transformation zu bewältigen. Wenn lokale Firmen auch nach dem 1. Januar 2026, dem Tag des Inkrafttretens des Carbon Border Adjustment Mechanism, in den Lieferketten deutscher Firmen bleiben wollen, müssen sie verstärkt in grüne Technologien investieren.
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Industrie, Tourismus und IKT mit starkem Wachstumspotenzial
Wichtigster Wachstumstreiber in Bosnien und Herzegowina bleibt die Industrie. Verarbeitete Produkte machen rund 70 Prozent der Gesamtexporte des Landes aus. Produkte aus der Metallbearbeitung zum Beispiel gehen größtenteils nach Deutschland, Österreich und Italien. Der Fertigungssektor profitiert von qualifizierten Arbeitskräften und kostengünstiger Produktion. Daher wird der Standort für Outsourcing immer attraktiver. Auch die Autozulieferindustrie siedelt sich verstärkt im Land an. Weitere wichtige Zugpferde sind die Elektro- und Elektronikindustrie sowie die traditionell starke Holz- und Möbelindustrie.
Auch der Bergbau bleibt von Bedeutung. Reiche Vorkommen an Kohle, Eisenerz und Kupfer, die meist im Tagebau gefördert werden, sorgen für Wirtschaftswachstum und Exporteinnahmen. Allein die elf Kohleminen im Land generieren Brennstoff für rund 60 Prozent der Stromerzeugung. Im Zuge der Transformation der Energieerzeugung setzt Bosnien und Herzegowina zudem verstärkt auf den Ausbau der Windenergie.
Abseits von den klassischen Wirtschaftszweigen sorgen der Tourismus und die IT-Branche für Wachstum. Im Tourismus ziehen die Hoch- und Mittelgebirgslandschaften, eine weitgehend unberührte Natur und ein reiches kulturelles Erbe mehr und mehr in- und ausländische Gäste an. Das Infrastruktur- und Dienstleistungsangebot wurde bereits deutlich ausgebaut. Jeder zweite Arbeitnehmer im Land ist im Dienstleistungssektor angestellt.
In der Informations- und Kommunikationstechnologien sorgt die steigende Nachfrage nach Software für dynamisches Wachstum. Die Perspektiven bleiben langfristig gut. Internationale Unternehmen wollen von den wettbewerbsfähigen Arbeitskosten und hochqualifizierten Fachkräften profitieren und lagern Softwareentwicklung und IT-Dienstleistungen in das Westbalkanland aus. Die Entwicklung der Branche fördern zudem Technologieparks.
Deutsche Firmen intensivieren Engagement in Bosnien und Herzegowina
Das zweitgrößte Westbalkanland weckt das Interesse von immer mehr deutschen Unternehmen. Die Bundesrepublik ist der wichtigste Handelspartner des Landes. Besonders als Nearshoring-Standort und Beschaffungsmarkt macht sich Bosnien und Herzegowina einen Namen.
Im World Business Outlook der Auslandshandelskammern (AHK) vom Frühjahr 2025 bewerten die teilnehmenden Unternehmen ihre aktuelle Geschäftslage in Bosnien und Herzegowina positiver als im weltweiten Vergleich. Auch bei den Investitions- und Beschäftigungsabsichten schneidet das Land im weltweiten Vergleich stärker ab.
Bei den Risiken nennen die teilnehmenden Firmenvertreter die unklare Wirtschaftspolitik des Landes, vor steigenden Arbeitskosten sowie dem Fachkräftemangel. Eine Mehrheit erwartet hingegen keine direkten negativen Auswirkungen der neuen US-Handelspolitik auf ihre Geschäfte im Land.
"Bosnien und Herzegowina erweist sich dank der Nähe zu den EU-Märkten, einer starken Industrietradition und qualifizierter Arbeitskräfte als attraktiver Wirtschaftsstandort. Unsere Erwartungen hinsichtlich Produktivität, Flexibilität und Mitarbeiterengagement wurden nicht nur erfüllt, sondern übertroffen."
Mahmut Galijašević, Geschäftsführer bei Mann+Hummel BA.
Sektor | Anteil an der Bruttowertschöpfung 2023 |
---|---|
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei | 4,6 |
Bergbau | 1,3 |
Verarbeitendes Gewerbe | 13,3 |
Energieerzeugung | 3,7 |
Baugewerbe | 4,6 |
Groß- und Einzelhandel, Reparatur von Kfz | 14,8 |
Transport und Logistik | 3,5 |
IKT | 4,7 |
Gesundheit und Soziales | 4,8 |
Regionen: Sarajewo und Banja Luka bedeutendste Wirtschaftszentren
Bosnien und Herzegowina ist in der Föderation in zehn Kantone und in der Republika Srpska in sieben Regionen gegliedert. Hinzu kommt der Distrikt Brčko. Sie alle tragen jeweils unterschiedlich stark zur Wirtschaftsleistung bei. Dreh- und Angelpunkt des wirtschaftlichen Lebens ist Sarajewo. Die Hauptstadt ist Zentrum der Geschäftsaktivitäten und ausländischer Investitionen. Sarajewo weist das höchste BIP pro Kopf auf. Getragen wird es von Finanzdienstleistungen, Handel und staatlicher Verwaltung.
Daneben spielt die geografische Lage und damit die Nähe zum europäischen Binnenmarkt eine wichtige Rolle für die wirtschaftliche Bedeutung einzelner Regionen. Das im Norden gelegene Banja Luka, das Verwaltungs- und Wirtschaftszentrum der Republika Srpska, verfügt über eine starke Industrie- und Dienstleistungsbasis. Tuzla und Zenica sind Industriezentren im Landesinneren mit einem starken Bergbau- und Energiesektor. Mostar im Südwesten des Landes profitiert in erster Linie von Tourismus und Handel. Weitere Wirtschaftszentren sind die Städte Bijeljina im Osten sowie Prijedor und Bihać im Nordwesten des Landes.
Region | BIP pro Kopf (in Euro) |
---|---|
Bosnien und Herzegowina | 7.459 |
Entität Republika Srpska | 7.378 |
Entität Föderation Bosnien und Herzegowina | 7.571 |