China dominiert den Tiefbau in Algerien. Bei Geschäften mit dem Staatssektor sind finanzielle und zeitliche Ressourcen entscheidend.
Algerien hat seine Infrastruktur in den vergangenen Jahren vor allem mit chinesischer Expertise entwickelt. Auch wenn die Regierung anstrebt, diese Dominanz zu brechen, sind die Absatzchancen für deutsche Unternehmen überschaubar. Zudem verstärkt Algerien seine Lokalisierungsbemühungen und bei öffentlichen Ausschreibungen wird darauf geachtet, dass ein bestimmter Teil der Ausrüstung aus lokaler Fertigung stammt.
Lokale Firmen im Vorteil
Dies birgt aber durchaus Chancen für Firmen, die im Land produzieren. Ein Beispiel ist das Unternehmen Liebherr, das in der Nähe von Constantine im Norden Algeriens Erdbewegungsmaschinen herstellt. Da dies in einem Joint Venture mit einer Mehrheitsbeteiligung des Staatsunternehmens Entreprise Nationale des Materiels de Travaux Publics (ENMTP) geschieht, kann das Gemeinschaftsunternehmen auch Direktaufträge vom algerischen Staat erhalten. Bei der nationalen Produktion von Erdbewegungsmaschinen hat Somatel Liebherr kaum Wettbewerber.
Wichtige Kunden sind der Öl- und Gaskonzern Sonatrach oder die Cosider-Gruppe, die mit ihren Tochterunternehmen in zahlreichen Bausparten aktiv ist. Olaf Vohwinkel, Geschäftsführer der Liebherr Industrieanlagen AG, sieht die Marktentwicklung gerade positiv: "Im vergangenen Jahr konnten wir unsere Aufträge um rund 30 Prozent steigern und dieser Trend setzt sich auch 2025 fort."
Bei Projekten, die mit chinesischen Unternehmen umgesetzt werden, ist ein Zugang für europäische Technik ungleich schwieriger, da neben der Finanzierung meist auch die Ausrüstungen und die Mitarbeiter aus dem Reich der Mitte kommen. Gute Chancen haben deutsche Anbieter bei Machbarkeits-, Umweltverträglichkeitsstudien und Planungsdienstleistungen, auch wenn die Konkurrenz hier groß ist.
Einige europäische Großkonzerne im Bereich der Bahntechnik wie Alstom oder Siemens sind mit Tochtergesellschaften oder Joint Ventures in Algerien präsent. ESTEL Rail Automation, ein Gemeinschaftsunternehmen von Siemens mit der algerischen Staatsbahn SNTF, hat sich auf die Bereiche Signaltechnik, Automatisierung und Telekommunikation spezialisiert. Im Joint Venture CITAL montiert die algerische Ferrovial in Partnerschaft mit der französischen Alstom CITADIS-Straßenbahnen.
Siemens Energy ist in zahlreichen Bereichen aktiv
Im Energiebereich ist das deutsche Unternehmen Siemens Energy stark vertreten. Neben den klassischen Sparten wie der Lieferung von Gasturbinen für Kraftwerke, der industriellen Energieversorgung oder der Stromübertragung und -verteilung reicht das Engagement bis zu erneuerbaren Energien und der Wasserstoffproduktion. Etwa ein Fünftel der algerischen Kraftwerke sind mit Siemensturbinen ausgestattet.
Zudem sichern die Produkte und Lösungen von Siemens Energy die Energieversorgung in Anlagen zur Meerwasserentsalzung und Trinkwasseraufbereitung. Im Industriebereich sind Lösungen von Siemens beispielsweise in Zement- und Stahlfabriken sowie im Mobilitätssektor gefragt. Mohamed Amine Rabehi von Siemens Energy sieht eine steigende Nachfrage für deutsche Produkte und Lösungen im Bereich der Elektrifizierung und Energieversorgung. Dies unterstreicht auch eine Absichtserklärung, die im Februar 2025 der Geschäftsführer von Siemens Energy, Christian Bruch, mit dem Geschäftsführer des algerischen Energieversorgers Sonelgaz, Mourad Adjal, unterzeichnet hat.
Die algerischen Partner haben Vertrauen in deutsche Technologie. Siemens war das erste internationale Unternehmen, das nach der Unabhängigkeit Algeriens in das Land kam. Seitdem hat Siemens einen großen Beitrag zur Entwicklung der lebenswichtigen Infrastruktur des Landes geleistet und wird dies auch in den kommenden Jahren tun.
Mohamed Amine Rabehi
Siemens Energy, Algerien
Ein neues Betätigungsfeld für Siemens könnte der Ausbau von Rechenzentren sein. Aufgrund der niedrigen Energiekosten sieht Nacim Kaid-Slimane von Siemens Algérie großes Potenzial im Land. "Wir von Siemens könnten hier die Stromversorgung und die intelligente Steuerung der Klimatisierung übernehmen", sagt Kaid-Slimane.
Zahlreiche Erneuerbare-Energie-Projekte mit chinesischen Firmen
Im neuen Geschäftsfeld der erneuerbaren Energien gibt es eine starke chinesische Dominanz. Bei den beiden großen Solarausschreibungen über insgesamt 3 Gigawatt gingen 60 Prozent der Leistung an chinesische Auftragnehmer. Das spricht dafür, dass Zulieferprodukte und Dienstleistungen auch bevorzugt aus China, dem mit Abstand führendem Hersteller von Solarmodulen, bezogen werden.
Die Ambitionen Algeriens, neben Erdgas in Zukunft auch grünen Wasserstoff nach Europa zu liefern, verbessern die Aussichten, deutsche Expertise in Algerien einzusetzen. Auch auf oberster politischer Ebene spielt das Thema eine wichtige Rolle: Beim Besuch des deutschen Wirtschaftsministers Robert Habeck in Algier im Februar 2024 wurde eine bilaterale Wasserstoff-Taskforce gegründet. Die KfW Entwicklungsbank hat eine finanzielle Unterstützung für eine Wasserstoff-Referenzanlage zugesagt.
Finanzielle und zeitliche Ressourcen sind entscheidend
Deutsche Unternehmen sollten in Algerien über ausreichend finanzielle und zeitliche Ressourcen verfügen, da sich gerade bei Großprojekten die Umsetzung verzögern kann und mit Zahlungsverzögerungen gerechnet werden muss. Laut AHK Algerien ist eine lokale Präsenz vor Ort entscheidend für den erfolgreichen Abschluss und die Entwicklung von Geschäften in Algerien.
Von Verena Matschoß
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Tunis