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Markttrends
Die Pläne für den Ausbau der Erneuerbaren in Algerien werden konkreter. Das Land soll eine zentrale Rolle bei der Versorgung der EU mit grünem Wasserstoff einnehmen.
11.06.2024
Von Verena Matschoß | Tunis
Im Jahr 2023 kam Bewegung in die algerischen Pläne zur Energiewende. Gleich zwei Ausschreibungen über insgesamt 3 Gigawatt Solarenergie wurden veröffentlicht.
Im Februar 2023 hat der staatliche Energieversorger Sonelgaz Solarprojekte für insgesamt 2 Gigawatt ausgeschrieben. Hierbei sollen 15 Fotovoltaikanlagen in zwölf Regionen eingerichtet werden. Die Einzelleistungen liegen zwischen 80 und 220 Megawatt. Im Juli 2023 folgte die zweite Ausschreibung über 1 Gigawatt an fünf Standorten. Mitte März 2024 fand die Unterzeichnungszeremonie für die Verträge zwischen Sonelgaz und den Ausschreibungsgewinnern statt.
Leistung sollen bis 2035 aus Wind- und Solarkraftwerken stammen.
Sonatrach, der algerische Öl- und Gasriese, möchte bis 2030 rund 1,3 Gigawatt Kapazität in Solaranlagen schaffen, vor allem um seine Produktionsstätten mit Energie zu versorgen. Bereits im Jahr 2018 haben Sonatrach und die italienische Eni einen 10-Megawatt-Solarpark eröffnet.
Der Ausbau der Erneuerbaren konzentriert sich in Algerien auf der einen Seite auf die Großprojekte über insgesamt 3.000 Megawatt und auf der anderen Seite auf kleinere Solaranlagen für öffentliche Gebäude. Experten sind überzeugt, dass es zwischen den beiden Extremen noch viel Potenzial gibt.
Boukhalfa Yaici, der Direktor des Green Energy Clusters Algeria, einem Zusammenschluss von Branchenunternehmen, sieht den Industriebereich als wichtigen Baustein in der Energiewende an. Seiner Meinung nach sollte vermehrt die Möglichkeit betrachtet werden, dass Unternehmen direkt mit Stromproduzenten Abnahmeverträge unterzeichnen können. "Über solche Corporate Power Purchase Agreements (CPPA) könnte die Attraktivität der erneuerbaren Energien in Algerien gesteigert werden", sagt Yaici. Bisher fehle hierfür noch der Rechtsrahmen.
Derzeit konzentriert sich die Energiewende vor allem auf die Solarenergie. Laut Madjid Chikh vom CEREFE gibt es noch großes Potenzial in der Windenergie. So könnten neben Onshore-Anlagen auch schwimmende Windkraftanlagen an der algerischen Küste in Betracht gezogen werden. Eine Studie der International Finance Corporation bestätigt dies: Mit 7.700 Gigawatt verfüge Algerien über das größte Windkraftpotenzial auf dem afrikanischen Kontinent. Bisher wird dieses noch nicht genutzt, es gibt nur einen Windpark mit einer Leistung von 10,2 Megawatt in Adrar.
1,4 Milliarden Euro für Stromnetz
Für die Einspeisung und den Transport des Erneuerbaren-Stroms muss auch die Netzinfrastruktur ausgebaut werden. Der Energieminister Mohamed Arkab hat im April 2024 ein sogenanntes Jahrhundertprojekt angekündigt. Hochspannungsleitungen auf einer Länge von 880 Kilometern und mit einer Spannung von 400 Kilovolt sollen das Stromnetz im Süden mit dem nationalen Stromnetz verbinden.
Das US-Unternehmen GE Vernova und Sonelgaz wollen die bestehenden Kapazitäten ihres Joint Ventures GE Algeria Turbines (GEAT) erweitern, um an Angeboten für Netzlösungen zu arbeiten. Ziel ist hierbei vor allem die bessere Integration von erneuerbaren Energien in das Stromnetz.
Ein Zehntel des EU-Wasserstoffbedarfs aus Algerien?
Zudem positioniert sich Algerien als wichtiger Player bei der Produktion von grünem Wasserstoff. Im März 2023 hat das Land seine Wasserstoffstrategie veröffentlicht. Es geht in der Strategie explizit um die Entwicklung von grünem und blauem Wasserstoff und vor allem um Exportpläne. Von 40 Terrawattstunden, die bis 2040 produziert werden sollen, sind nur 10 Terrawattstunden für die lokale Industrie vorgesehen.
Im März 2023 hat Algerien seine Wasserstoffstrategie veröffentlicht. Bis 2040 sollen bis zu 40 Terawattstunden Wasserstoff hergestellt und exportiert werden. Algerien will in seine Wasserstoffstrategie 20 bis 25 Milliarden US-Dollar stecken.
Dabei sind folgende Schritte vorgesehen:
- Demonstrationsphase (2023 bis 2030): Umsetzung von Pilotprojekten
- Anwendungsphase (2030 bis 2040): Expansion und Schaffung von Märkten
- Marktphase (2040 bis 2050): Industrialisierung und Exportaktivität
Perspektivisch könnte Algerien so Europa mit 10 Prozent des Bedarfs an Wasserstoff versorgen. Aufgrund seiner Anbindung an das europäische Gasnetz hat das Land einen Vorteil gegenüber regionalen Konkurrenten, die in die aufstrebende Branche einsteigen wollen. Denn die Transportkosten wären durch eine direkte Lieferung über Pipeline um einiges günstiger als die Exporte in Form von Derivaten wie Ammoniak oder Methanol. Allerdings müssten für den Wasserstofftransport Teile der Pipeline umgebaut und mit neuen Kompressorstationen ausgerüstet werden.
Der südliche Wasserstoff-Korridor (SoutH2 Corridor) soll 3.300 Kilometer umfassen und ab 2030 Nordafrika mit Italien, Österreich und Deutschland verbinden. Ende November 2023 wurde das Vorhaben in die Liste der Projekte von gemeinsamem Interesse (Projects of Common Interest, PCI) der EU aufgenommen. PCIs sind wichtige grenzüberschreitende Infrastrukturprojekte, die die Energiesysteme der EU-Länder miteinander verbinden. Sie werden alle zwei Jahre von der Europäischen Kommission identifiziert.
50-Megawatt-Wasserstoffprojekt mit deutscher Beteiligung
Die algerische Regierung arbeitet beim Ausbau der Erneuerbaren und der Wasserstoffwirtschaft auch mit Deutschland zusammen. Die Deutsch-Algerische Energiepartnerschaft wurde 2015 mit Unterzeichnung einer gemeinsamen Absichtserklärung geschlossen. Sie ist die zentrale Plattform für den institutionalisierten energiepolitischen Dialog zwischen Deutschland und Algerien. Beim Besuch des deutschen Wirtschaftsministers Robert Habeck in Algier im Februar 2024 wurde zudem eine bilaterale Wasserstoff-Taskforce gegründet.
Die Bundesrepublik Deutschland möchte Algerien bei der Installation mehrerer Wasserstoffpilotanlagen unterstützen. So hat die KfW Entwicklungsbank eine finanzielle Unterstützung über 20 Millionen Euro und damit 10 Prozent der Investitionskosten für ein 50-Megawatt-Wasserstoffprojekt zugesagt. Möglicher Standort der Pilotanlage könnte Arzew in der Region Oran sein, in der ein Petrochemie-Komplex von Sonatrach steht. In dem Joint Venture Fertial produziert die algerische Gruppe Asmidal, ein Tochterunternehmen von Sonatrach, gemeinsam mit der spanischen Villar Gruppe Ammoniak.
Ein grundsätzliches Problem bleibt derzeit in Algerien - wie in vielen anderen Ländern der Welt - ungelöst. Solange es noch keinen potenziellen Käufer für den produzierten Wasserstoff gibt, wird auch die algerische Regierung zurückhaltend sein, das finanzielle Risiko auf sich zu nehmen.