Wirtschaftsausblick I Armenien
Wirtschaftlicher Aufschwung in Armenien hält an
Die armenische Wirtschaft hat gute Chancen, in den Jahren 2025 und 2026 um jeweils 4 Prozent und mehr zu wachsen. Impulse liefern der Konsum, die Investitionen und das Baugewerbe.
07.05.2025
Von Uwe Strohbach | Eriwan
Wirtschaftsentwicklung: Konjunkturaussichten bleiben günstig
Die armenische Zentralbank sagt für 2025 ein reales Wirtschaftswachstum von 4,5 Prozent und für das 2026 von 4,1 Prozent voraus. Internationale Geberbanken prognostizieren ähnlich hoch ausfallende Zuwachsraten. Bei immer noch respektablen Aussichten kehrt Armeniens Wirtschaft somit zu ihren normalen potenziellen Entwicklungsmöglichkeiten zurück. Sie konnte zwischen 2022 und 2024 um etwa 9 Prozent im Jahresdurchschnitt wachsen, wofür insbesondere Sondereffekte durch den Ukraine-Krieg gesorgt hatten.
Aktueller Hauptmotor ist die robuste Binnennachfrage nach Dienstleistungen. Zahlreiche öffentliche und private Projekte liefern Impulse für das Baugewerbe. Im Agrarsektor unterstützt die Weltbank ein Programm zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit durch effektive Wertschöpfungsketten.
Die guten Prognosen sollen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Armenien die Grundlagen für ein nachhaltiges Wachstum erst noch schaffen muss. Dazu zählt vor allem ein Friedensvertrag mit Aserbaidschan. Dieser ist zwar fertig ausgehandelt, bedarf aber noch der Unterschriften. Der Friedensschluss zwischen den beiden Nachbarländern gilt als essenziell für einen Neustart der Kooperation im Südkaukasus.
Investitionsbelebung setzt sich fort
Die Bruttoanlageinvestitionen dürften 2025 und 2026 zweistellig zulegen und so die Marke von 6 Milliarden US-Dollar (US$) überschreiten. Bereits zwischen 2021 und 2024 betrug der jährliche reale Zuwachs durchschnittlich etwa 15 Prozent.
Die öffentliche Hand steuert den größten Beitrag dazu bei. Für 2025 und 2026 plant sie mit Investitionsbudgets in Höhe von 2,0 Milliarden und 2,2 Milliarden US$. Davon sind größere Beträge vor allem für Straßen, Schulen, Wasserspeicher und die Agrarförderung bestimmt. Als prioritär gilt ferner ein neuer Universitätscampus nahe der Hauptstadt Eriwan. Mit den Schwerpunkten Wohnungsbau, Tourismus und Energie werden außerdem die Bruttoanlageinvestitionen des Privatsektors weiter wachsen.
Soziale Lage der Bevölkerung bleibt angespannt
Der private Konsum wächst auch 2025 und 2026, dies aber auf wieder niedrigerem Niveau. Stärkeren Zuwächsen stehen eine hohe Armutsrate von etwa 20 Prozent, eine Arbeitslosigkeit von 14 Prozent und die niedrigen Durchschnittslöhne von brutto 730 US$ pro Monat entgegen. Viele Haushalte geben verwenden rund 90 Prozent ihrer verfügbaren Einkommen für Lebensmittel und Kommunalleistungen. Für Non-Food-Güter und sonstige Dienstleistungen bleibt daher kaum Geld übrig.
Vor allem der Einzelhandel und Betreiber von Hotels und Gaststätten hoffen auf Mehreinnahmen durch den Incoming-Tourismus. Das Komitee für Tourismus erwartet einen Anstieg des Gästezustroms aus dem Ausland von 2,2 Millionen (2024) auf 2,5 Millionen (2026).
Ex- und Importe ohne Transithandel dürften 2025 wieder steigen
Für 2025 rechnet die Zentralbank mit einem hohen zweistelligen Einbruch bei den Gesamtimporten und -exporten. Grund ist der erwartete Rückgang des Handels mit Russland – vor allem als Folge des politischen Drucks westlicher Länder auf Armenien, das Transitgeschäft in Richtung Russland einzudämmen. Für 2026 prognostizieren die Währungshüter eine Stabilisierung der Ein- und Ausfuhren.
Noch 2023 und 2024 konnte Armeniens Außenhandel deutlich zulegen. Dazu trugen fast ausnahmslos Transitgeschäfte bei: 1) der Import von Gold und Edelsteinen aus Russland, Indien und Honkong, und 2) die Wiederausfuhr dieser Waren in die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE).
Daneben erwartet die Zentralbank 2025 und 2026 jedoch auch eine Wiederbelebung der Exporte armenischer Waren und der Importe außerhalb der Transitgeschäfte. Die starke armenische Währung im Verhältnis zum US-Dollar macht Einfuhren interessanter. Importe stammten 2024 hauptsächlich aus Russland, China und Georgien. Exporte gingen vor allem in die VAE, nach Russland und China.
Top-Thema: Staat fördert gezielt Aktivitäten im Bereich Hightech
Armenien fördert seit dem 1. April 2025 Hightechprojekte. Das Programm läuft zunächst sieben Jahre lang. Ist es erfolgreich, könnte sich der Umsatz der Branche mittelfristig verdoppeln. Im Jahr 2024 produzierte der IT-Sektor Waren und Dienstleistungen für umgerechnet 2,9 Milliarden US-Dollar (US$).
Das Programm spricht Unternehmen an, die Software entwickeln sowie Leiter- und Speicherplatten und Technik für die Sparten Kommunikation, Elektronik, Optik, Medizin und unbemannte Systeme fertigen. Firmen mit einem entsprechenden Profil, die Fachkräfte aus dem Ausland einstellen und/oder inländische Mitarbeitende beschäftigen, die bisher nicht in Hochtechnologiesektoren tätig waren, erhalten 60 Prozent der Einkommensteuer ihres Personals rückerstattet. Kleinunternehmen und Forschungsprojekte kommen zusätzlich in den Genuss einer besonderen steuerlichen Förderung.
Deutsche Perspektive: Kleiner Markt mit Geschäftschancen in vielen Nischen
Ungeachtet der überschaubaren Größe des Marktes lohnt sich für deutsche Firmen ein Blick auf Armenien. Chancen eröffnet beispielsweise der Ausbau in den Bereichen Energie sowie Wasser/Abwasser. Bei der Projektierung von Wasserspeichern setzt das Land auf ausländisches Know-how. Hinzu kommt die Verkehrsinfrastruktur: Neben zahlreichen Straßen im ganzen Land sollen in Eriwan eine U-Bahn und ein Flughafen gebaut werden. Die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) unterstützt den Wohnungsbau mit einer Kofinanzierung über 310 Millionen US$.
Darüber hinaus sorgen Gesundheitsprojekte von Weltbank und ADB mit einem Volumen 152 Millionen US$ für Geschäftschancen bei Medizin- und Labortechnik. Großen Investitionsbedarf meldet zudem der Agrarsektor, in dem der armenische Staat aktuell vor allem den Obst- und Gemüseanbau in Gewächshäusern und smarte Tierzuchtfarmen mit Fördermitteln unterstützt. Wichtig als Kooperationsfeld ist die Softwareentwicklung. Die Wirtschaftsförderagentur Enterprise Armenia informiert auf Anfrage hin über geplante Investitionsprojekte.