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Klimaschutz-Atlas

Industrie: Schrittweise Dekarbonisierung durch Emissionsgrenzen

Die Regierung setzt Emissionsgrenzen für große Industrieunternehmen in Kraft. Für eine klimaneutrale Industrie muss bis 2050 ein dreistelliger Milliardenbetrag investiert werden.

Von Heiko Stumpf | Sydney

Industriestruktur: Unternehmen können bei Dekarbonisierung auf CO2-Ausgleich zurückgreifen

Der Industriesektor ist mit einem Anteil von 35 Prozent der größte Emittent in Australien. Dies beinhaltet die großen Erdgasverflüssigungsanlagen. Weltweit ist Australien der größte Exporteur von Flüssigerdgas. Für die Erreichung der Klimaziele bis 2030 ist die Senkung der Industrieemissionen von großer Bedeutung.

Eine zentrale Maßnahme ist die Verschärfung des seit 2016 geltenden "Safeguard Mechanism". Dieser legt jährliche Emissionsgrenzen für Unternehmen mit einem Treibhausgasausstoß von über 100.000 Tonnen pro Jahr fest. Derzeit sind 215 Unternehmen von der Regelung betroffen. Darunter fallen beispielsweise Chemieanlagen, Stahlwerke oder Bergbauminen.

Bislang waren die im Safeguard Mechanism festgeschriebenen Emissionsgrenzen so großzügig bemessen, dass statt einer Reduzierung des Treibhausgasausstoßes lediglich ein verringerter Anstieg erfolgte. Der im März 2023 vom australischen Parlament verabschiedete Zusatz "Safeguard Mechanism Amendment Bill" schreibt nun verbindliche Minderungsziele für die kommenden Jahre bis 2030 vor.

Dreistufige Emissionsgrenze des Safeguard Mechanism (Scope 1)

1. Betroffene Unternehmen müssen ihre Emissionsintensität (Emissionen pro Produktionseinheit) bis 2030 um durchschnittlich 4,9 Prozent pro Jahr reduzieren. Dabei werden bis 2030 anlagenspezifische Basiswerte durch den Clean Energy Regulator festgesetzt.

2. Der jährliche Nettoausstoß aller betroffenen Unternehmen muss bis 2030 auf unter 100 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalent sinken. Für 2022/2023 ist ein Ausgangswert von 143 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalent angesetzt.

3. Im Zeitraum 1. Juli 2020 bis 30. Juni 2030 dürfen die Nettoemissionen der betroffenen Unternehmen einen maximalen Wert von 1.233 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalent nicht überschreiten.

Für Sektoren mit besonderen technischen Hürden reduziert sich die verbindliche Reduzierung der Emissionsintensität auf 1 Prozent pro Jahr. Dies betrifft insbesondere die Zement-, Stahl- und Aluminiumindustrie. Zudem stehen über den "Safeguard Transformation Stream" Fördermittel in Höhe von über 400 Millionen US-Dollar (US$) für industrielle Dekarbonisierungsprojekte bereit.

Neben Maßnahmen zur tatsächlichen Emissionsminderung können Unternehmen die Vorgaben des Safeguard Mechanism auch durch den Erwerb von CO₂-Ausgleichszertifikaten erfüllen. Dabei ist grundsätzlich keine Höchstgrenze vorgesehen. Wenn die CO₂-Kompensation jedoch einen Anteil von 30 Prozent überschreitet, müssen die Gründe hierfür beim Clean Energy Regulator dargelegt werden.

Im Rahmen des Ausgleichshandels ist der Erwerb von Australian Carbon Credit Units (ACCU) möglich. Klimaschutzprojekte, die zu einer CO₂-Einsparung führen (z. B. in der Landwirtschaft), bekommen pro eingesparter Tonne eine ACCU gutgeschrieben. Die ACCU können frei gehandelt werden, die Regierung plant jedoch einen Preisdeckel von 75 australischen Dollar ($A) pro ACCU (circa 52 US$).

Neu geschaffen wird zudem ein Markt für "Safeguard Mechanism Credits" (SMC). Unternehmen, die selbst unter den Safeguard Mechanism fallen, können SMC generieren, indem sie ihre Verpflichtungen übererfüllen. Auch die SMC können anschließend frei gehandelt werden.

Nach Studien der Australian Industry Energy Transition Initiative sind gewaltige Investitionen in Höhe von umgerechnet rund 132 Milliarden US$ erforderlich, um den gesamten australischen Industriesektor bis 2050 klimaneutral zu machen. Die Initiative ist ein Zusammenschluss großer Industrieunternehmen wie beispielsweise den Bergbaukonzernen Rio Tinto und BHP.

Der errechnete Investitionsbedarf umfasst Maßnahmen zur Elektrifizierung, Steigerung der Energieeffizienz sowie andere emissionsmindernde Maßnahmen wie die Abscheidung und Einlagerung von CO₂. Mit 92 Milliarden US$ konzentriert sich der Handlungsbedarf auf fünf Schlüsselsektoren.

Fokusbranche Stahl: Pläne für grünen Stahl werden konkret

In der Stahlindustrie werden die ersten Schritte zur Dekarbonisierung bereits in die Wege geleitet. Vorreiter ist das Unternehmen Liberty Steel des britischen Milliardärs Sanjeev Gupta. Bis 2025 sollen die Emissionen des Whyalla-Stahlwerks im Bundesstaat South Australia um rund 90 Prozent sinken.

Dazu bezieht das Unternehmen vom italienischen Hersteller Danieli für 349 Millionen US$ einen elektrischen Lichtbogenofen mit einer Kapazität von über 1,5 Millionen Tonnen pro Jahr. Die Anlage wird zunächst mit Altmetall gespeist.

Mit Anbietern führt Liberty Energy zudem Gespräche über den Bau einer Direktreduktionsanlage. Diese soll den bisherigen, mit Kohle befeuerten Hochofen ersetzen und Magnetit aus benachbarten Eisenerzminen verarbeiten. Zunächst soll die Anlage mit einer Mischung aus Erdflüssiggas und grünem Wasserstoff laufen. Längerfristig ist die Umstellung auf einen rein wasserstoffbasierten Betrieb geplant.

Auch der australische Stahlproduzent BlueScope interessiert sich für grünen Stahl. Für ein Pilotprojekt am Standort Port Kembla soll ein Elektrolyseur von 10 Megawatt entstehen.

Fokusbranche Bergbau: Rohstoffsektor will grüner werden

Große Anstrengungen unternimmt auch die Rohstoffindustrie. Der Eisenerzproduzent Fortescue Metals investiert in den kommenden Jahren 6,2 Milliarden US$, um seine Eisenerzminen in der westaustralischen Pilbara-Region bereits bis 2030 klimaneutral zu machen. In Kooperation mit Liebherr arbeitet der Konzern an der Dekarbonisierung seiner Flotte von Bergbaumaschinen. Insgesamt will Fortescue 250 große Muldenkipper mit Wasserstoffantrieb zum Einsatz bringen. Auch der Schienenverkehr für den Eisenerztransport soll mit Wasserstoff oder batterieelektrischen Zügen betrieben werden.

Bergbauunternehmen bringen zudem erneuerbare Energien zum Einsatz. Rio Tinto will bis 2030 rund 7,5 Milliarden US$ für die Versorgung seiner 16 Eisenerzminen in Australien investieren.

Die Gasindustrie setzt vor allem auf den Einsatz von CO₂-Abscheidung. Die Vorgaben des Safeguard Mechanism sollen so ausgestaltet werden, dass Projekte zur Erschließung neuer Gasfelder klimaneutral sein müssen. Nach Analysen von Wood Mackenzie befinden sich bereits 27 Projekte für CO₂-Endlager in Planung. Der Gaskonzern Santos will beispielsweise 2024 ein CO₂-Speicherprojekt für das Moomba-Gasfeld mit einer Kapazität von 1,7 Millionen Tonnen pro Jahr in Betrieb nehmen.

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