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Wirtschaftsausblick | Bangladesch

Bangladesch hofft auf Wachstumsimpulse nach der Wahl

Die hohe Inflation drückt weiter auf die Konsumlaune der Haushalte, und der Privatsektor hält sich bei Investitionen zurück. Infrastrukturprojekte sollen für neuen Schwung sorgen.

Von Boris Alex | New Delhi

Top-Thema: Regierung muss strukturelle Probleme in Angriff nehmen

Bangladesch wählt im Januar 2024 ein neues Parlament. Die meisten Beobachter erwarten, dass die seit 2008 regierende Koalition unter der Führung von Premierministerin Sheikh Hasina erneut die Wahlen gewinnen wird. Die Regierung hat angekündigt, den aus ihrer Sicht erfolgreichen Wirtschaftskurs der letzten Jahre fortzusetzen. Aber das Land steht vor großen strukturellen Herausforderungen und muss in der kommenden Legislaturperiode die Weichen für die nächste Wachstumsphase stellen. Der Infrastrukturbau und die Modernisierung des Industriesektors stehen dabei im Mittelpunkt und eröffnen Geschäftschancen für deutsche Unternehmen. Hintergrundinformationen zu Chancen und Risiken bietet unsere Reihe SWOT.

Bangladesch will sich für Zollpräferenzabkommen qualifizieren

Die Ende 2026 anstehende Graduierung aus dem Status eines "am wenigsten entwickelten Landes" (Least Developed Country) spielt eine wichtige Rolle für die künftige Wirtschaftsentwicklung. Denn damit läuft auch das Präferenzabkommen "Everything but Arms" aus, das bangladeschischen Erzeugnissen den zollfreien Zugang zu den Märkten in den USA und der EU garantiert. Die Regierung hofft, sich nach einer dreijährigen Übergangsphase für den EU-Zollpräferenzstatus im Rahmen des "Generalised System of Preferences" (GSP+) zu qualifizieren.

Sollte Bangladesch den Status GSP+ nicht erreichen, hätte dies negative Folgen für die von der Bekleidungsindustrie dominierten Exporte. Diese Produkte würden sich gegenüber Konkurrenten, deren Zölle im Rahmen des EU-Freihandelsabkommens in den nächsten Jahren auf null sinken, verteuern (beispielsweise Vietnam).

Bangladesch will zudem seine Industriebasis verbreitern und hofft auf ausländische Investitionen, unter anderem in der Pharmaproduktion sowie der Kunststoff- und Elektronikfertigung. Für Anbieter von Industrieausrüstung aus Deutschland könnte dies zusätzliche Absatzchancen eröffnen.

Wirtschaftsentwicklung: Konsum soll trotz hoher Inflation wieder zulegen

Die Wachstumsaussichten für Bangladesch sind verhalten. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte im Finanzjahr 2022/2023 (1. Juli bis 30. Juni) real um 6 Prozent zu gut einen Prozentpunkt weniger als in der Vorperiode. Für das Finanzjahr 2023/2024 gehen die Prognosen von einem BIP-Plus zwischen 5,6 und 6,5 Prozent aus. Unsicherheitsfaktor ist die anstehende Parlamentswahl, denn Beobachter befürchten, dass die Opposition im Vorfeld der Wahlen zu Streiks aufrufen könnte, was die wirtschaftlichen Aktivitäten einschränken würde.

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Der für die Konjunktur wichtige Konsum der Privathaushalte dürfte 2023/2024 mit 6,5 Prozent fast doppelt so stark zulegen wie in der Vorperiode und das trotz einer weiterhin hohen Teuerungsrate von fast 9 Prozent. Die Analysten der Economist Intelligence Unit (EIU) erwarten, dass die Inflation im 1. Halbjahr 2024 langsam sinken und der private Konsum wieder anziehen wird. 

Bangladeschs Regierung wird im Hinblick auf die anstehenden Wahlen ihre Anstrengungen, die Preise insbesondere für Nahrungsmittel, Energie und Düngemittel niedrig zu halten, verstärken. Das Ziel, die Teuerungsrate unter 6 Prozent zu drücken, dürfte sie erst im Finanzjahr 2024/2025 erreichen.

IWF gewährt Bangladesch nächste Kredittranche

Die Regierung steckt in einer Zwickmühle: Zum einen will sie kurz vor der Wahl durch Preissubventionen den Unmut in der Bevölkerung über steigende Lebenshaltungskosten dämpfen. Zum anderen hat sie sich im Rahmen eines Kredits des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Höhe von 4,7 Milliarden US-Dollar (US$) unter anderem dazu verpflichtet, die Subventionsprogramme für Nahrungs- und Düngemittel sowie für Energie zurückzufahren. Der IWF zeigte sich bislang zufrieden mit den Reformbemühungen der Regierung und hat die Auszahlung der zweiten Tranche über 681 Millionen US$ in Aussicht gestellt.

Damit wächst auch der Spielraum für öffentliche Investitionen. Die Bruttoanlageinvestitionen dürften mit einem realen Plus von 6 Prozent 2023/2024 doppelt so stark wachsen wie in der Vorperiode, so die Prognose der EIU. Die Regierung will weitere Großprojekte im Straßen- und Schienenverkehr sowie im Energiesektor anschieben vorzugsweise gemeinsam mit dem Privatsektor. Dieser hält sich bei den Investitionen aufgrund der hohen Finanzierungskosten weiterhin zurück. Der Nettozufluss von ausländischen Direktinvestitionen dürfte ersten Schätzungen zufolge 2022/2023 um knapp 6 Prozent auf 1,6 Milliarden US$ zulegt haben. Für das Finanzjahr 2023/2024 erwartet EIU einen weiteren Anstieg auf 1,8 Milliarden US$.

Bangladeschische Exporte wachsen dank Bekleidungsindustrie

Bangladesch konnte seine Exporte 2022/2023 gegenüber der Vorperiode um rund 7 Prozent auf 55,6 Milliarden US$ steigern. Fast 85 Prozent der Ausfuhren entfallen auf Bekleidung (Ready Made Garments). Die Ausfuhren in diesem Segment legten um 10 Prozent auf 47 Milliarden US$ zu. Im Gegenzug gingen die Importe um 16 Prozent auf 75 Milliarden US$ zurück. Vor allem die Bezüge von industriellen Vorprodukten, von Maschinen sowie von Erdölerzeugnissen waren rückläufig.  

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Deutsche Perspektive: Ausbau der Infrastruktur bietet Möglichkeiten

Deutschland hat traditionell ein riesiges Außenhandelsdefizit mit Bangladesch. Nach den USA ist die Bundesrepublik der wichtigste Absatzmarkt für Bekleidung aus Bangladesch, die 90 Prozent der Einfuhren aus dem südasiatischen Land ausmachen. Im Gegenzug liefern deutsche Unternehmen vor allem Maschinen und chemische Erzeugnisse dorthin. 

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Die Exporte sind im 1. Halbjahr 2023 um fast 30 Prozent auf 530 Millionen US$ gestiegen. Die Infrastrukturprojekte können für Anbieter von Baumaschinen oder Kraftwerkstechnik Absatzchancen eröffnen.

Die EU hat Bangladesch im Oktober 2023 einen Rahmenkredit über 350 Millionen Euro für Projekte im Bereich erneuerbare Energien zugesagt. Diese Mittel werden im Rahmen der 300 Milliarden Euro schweren EU-Konnektivitätsinitiative "Global Gateway" bereitgestellt.

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