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Wirtschaftsausblick | Bangladesch
In Bangladesch hat sich die Wirtschaftsdynamik 2022 abgeschwächt. Inflation und steigende Zinsen drücken auf die Stimmung bei Unternehmen und Konsumenten.
16.12.2022
Von Boris Alex | New Delhi
Bangladesch kann sich dem globalen Konjunkturabschwung nicht entziehen. Im laufenden Finanzjahr 2022/2023 (1. Juli bis 30. Juni) wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nur noch um höchstens 6 Prozent zulegen, so die Prognosen der Weltbank und der Economist Intelligence Unit (EIU). Die bangladeschische Regierung ist optimistischer und geht weiterhin davon aus, dass die Wirtschaft, wie in der Vorperiode, um gut 7 Prozent zulegen wird. Das südasiatische Land dürfte trotz der Abkühlung erneut zu den wachstumsstärksten Volkswirtschaften in der Region zählen.
Die negativen Auswirkungen der globalen Krisenherde – allen voran der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, aber auch potenziell negative Auswirkungen durch die Coronastrategie Chinas – dürften auch 2023 die Konjunktur belasten. Der bangladeschischen Exportwirtschaft drohen weitere Umsatzrückgänge auf den wichtigsten Absatzmärkten Europa und USA.
Mit rund 19 Milliarden US-Dollar (US$) stammen ein Viertel der bangladeschischen Importe aus China, darunter auch kritische Vorleistungsgüter für die Bekleidungsindustrie sowie Maschinen und Anlagen. Daher müssen sich die Industrieunternehmen auf weiter steigende Preise für Vorprodukte und auf Störungen in den Lieferketten einstellen.
Mit dem Anstieg der Verbraucherpreise und der Abwertung der Landeswährung Taka gegenüber dem US-Dollar haben sich die Lebenshaltungskosten für die Bevölkerung seit dem Frühjahr 2022 stetig erhöht. Die Regierung ist daher bestrebt – auch im Hinblick auf die 2023 stattfindenden Parlamentswahlen – vor allem die einkommensschwachen Schichten mit Subventionen für Nahrungs- und Düngemittel zu entlasten. Dadurch wird der finanzielle Spielraum für geplante Investitionen, unter anderem im Infrastruktursektor, enger. Das Haushaltsdefizit dürfte 2022/2023 bei 5 Prozent des BIP liegen, wie auch schon in der Vorperiode.
Indikator | 2020 | 2021 | Vergleichsdaten Deutschland 2021 |
---|---|---|---|
BIP (nominal, Mrd. US$) | 373,9 | 416,3 | 4.261 |
BIP pro Kopf (US$) | 2.270 | 2.498 | 51.214 |
Bevölkerung (Mio.) | 164,7 | 166,7 | 83,2 |
Wechselkurs (Jahresdurchschnitt, 1 US$ = ... Taka) | 84,9 | 85,1 | - |
Die Investitionsaktivitäten in Bangladesch lassen angesichts der schwächeren Konjunktur nach. Die Regierung will geplante Infrastrukturprojekte erst einmal aufschieben. Im Rahmen des staatlichen Programms "Annual Development Programm" sind für 2022/2023 rund 5,6 Milliarden US$ für öffentliche Projekte im Transport- und Telekommunikationssektor und der Energieversorgung vorgesehen. Die privaten Investitionen leiden zurzeit unter den steigenden Weltmarktpreisen für industrielle Vorprodukte und den höheren Kapitalkosten. Dennoch dürften die Bruttoanlageinvestitionen 2022/2023 um knapp 6 Prozent zulegen. Im letzten Finanzjahr betrug die Zunahme allerdings noch 10 Prozent. Auch für die Folgeperioden erwartet die EIU jährliche Zuwächse von gut 6 Prozent.
Um Bangladesch für internationale Investoren attraktiver zu machen, will die Regierung bis 2030 gemeinsam mit dem Privatsektor 100 Wirtschaftszonen im ganzen Land errichten. Damit sollen mehr ausländische Direktinvestitionen angezogen werden. Hier legten die Nettozuflüsse 2021 um 13 Prozent auf fast 3 Milliarden US$ zu, so die Daten von UNCTAD.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (in Mrd. US$) | Projektstand | Projektträger |
---|---|---|---|
Atomkraftwerk Ruppur, Kapazität: 2,4 Gigawatt | 14,1 | Bauphase; geplante Inbetriebnahme Block 1: 2024; geplante Inbetriebnahme Block 2: 2025 | Projektträger: Bangladesh Atomic Energy Commission; Bau: Russian State Atomic Energy Corp. |
Dhaka Metro Rail, Bau der ersten beiden Linien des insgesamt 130 Kilometer (km) langen Metronetzes in Dhaka | 11,3 | Fertigstellung Linie 6 (20 km): 2023; Baubeginn Linie 1 (20 km): 2023 geplant | Dhaka Mass Transit Company; Kofinanzierung durch Asian Development Bank (ADB) und Japan International Cooperation Agency |
Hochgeschwindigkeitszugstrecke zwischen Dhaka und Chattogram; Länge: 225 km | 11,0 | Frühes Planungsstadium | Projekt vorgeschlagen von China Railway Design Corporation; Bangladesh Railway |
Eisenbahnstrecke Padma Bridge Rail Link von Dhaka nach Jashore; Länge: 215 km | 4,7 | Bauphase; geplante Fertigstellung: 2024 | Ministry of Railways; Konfinanzierung durch China Exim-Bank |
Kohlekraftwerk Matarbari (Cox's Bazar); Kapazität: 1,2 Gigawatt | 4,5 | Bauphase; geplante Fertigstellung: 2024 | |
Tiefseehafen Matarbari; Kapazität: 1,1 Mio. Tonnen/Jahr | 1,7 | Planungsphase; Finanzierung zugesagt; Fertigstellung bis 2026 geplant | Chittagong Port Authority; Teilfinanzierung über Japan International Cooperation Agency |
Dhaka Inner Ring Road Project; 88 km lange Ringautobahn um Dhaka | 1,2 | Planungsphase; Finanzierung: Asian Infrastructure Investment Bank (Interessensbekundung) | |
Stromübertragungsprojekt Dhaka and Western Zone Transmission Grid Expansion Project | 1,0 | Planungsphase; geplante Fertigstellung: 2024 | Power Grid Company of Bangladesh; Kofinanzierung durch ADB und Asia Infrastructure Development Bank |
Fotovoltaik-Freiflächenanlage in Matarbari; Kapazität: 400 Megawatt | k. A. | Frühe Planungsphase | Investor: Sembcorp Industries (Singapur) |
Der Konjunkturabschwung trifft auch die Ausgaben der Haushalte. Legte der private Konsum im letzten Finanzjahr noch real um 13 Prozent zu, dürfte sich das Wachstum 2022/2023 auf 6,3 Prozent halbieren. Für die Folgeperiode erwartet die EIU einen vergleichbaren Anstieg. Bis 2030 soll Bangladesch zwar zum weltweit neuntgrößten Verbrauchermarkt aufsteigen und damit an Deutschland und dem Vereinigten Königreich vorbeiziehen. Zurzeit drücken aber die steigenden Konsumgüterpreise, die höheren Zinsen für Verbraucherkredite sowie die kostspieligen Importe auf die Kauflaune der Haushalte. Letztere verteuerten sich aufgrund der in den letzten Monaten schwächelnden Landeswährung.
Hinzu kommt, dass die für den privaten Konsum wichtigen Rücküberweisungen von im Ausland arbeitenden bangladeschischen Staatsbürgern im Jahr 2022 rund 21 Milliarden US$ betragen dürften. Dieser Wert ist um 1 Milliarde US$ geringer als im Vorjahr, so die Berechnung der Weltbank. Für 2023 erwartet die EIU kein nennenswertes Wachstum bei den Rücküberweisungen. Der Anstieg der Verbraucherpreise soll sich im laufenden Finanzjahr nur leicht auf 7,3 Prozent abschwächen und damit den privaten Konsum weiter dämpfen. Für 2023/2024 wird ein stärkerer Rückgang auf 5,7 Prozent im Jahresdurchschnitt prognostiziert.
Bangladeschs Außenhandel legte im Finanzjahr 2021/2022 kräftig zu. Die Exporte verzeichneten wegen der bis zum Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine verbesserten Konjunkturlage in Europa und den USA ein reales Plus von 34 Prozent auf über 52 Milliarden US$. Das mit einem Exportanteil von 82 Prozent dominierende Bekleidungssegment erzielte einen Zuwachs um 35 Prozent auf 42,6 Milliarden US$. Angesicht der schwächeren Weltkonjunktur dürften die Gesamtausfuhren 2022/2023 nur um 9 Prozent zulegen. Deutschland ist nach den USA der wichtigste Zielmarkt. Die Exporte in die Bundesrepublik, vor allem von Bekleidung, legten 2021/2022 um 27 Prozent auf 7,6 Milliarden US$ zu.
Bangladeschs Importe sind wegen der gestiegenen Weltmarktpreise für industrielle Vorprodukte und Rohstoffe im letzten Finanzjahr um fast 44 Prozent auf über 78 Milliarden US$ gestiegen. Die höchsten Zuwächse verbuchten Arzneimittel, deren Einfuhren sich auf 1,5 Milliarden US$ verdreifachten, sowie Dünger mit einem Plus von 223 Prozent auf 4,4 Milliarden US$. Maschinen und Anlagen legten um 26 Prozent auf 16,4 Milliarden US$ zu. Für 2022/2023 erwartet EIU ein Einfuhrplus von 5 Prozent. Die Bezüge aus Deutschland legten um ein Fünftel auf 963 Millionen US$ zu. Rund die Hälfte davon entfielen auf Investitionsgüter.
2020/2021 * | 2021/2022 * | Veränderung | |
---|---|---|---|
Importe | 54,4 | 78,1 | 43,6 |
Exporte | 38,8 | 52,1 | 34,3 |