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Wirtschaftsumfeld
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Wirtschaftsausblick | Belgien
Das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) soll 2022 um 2 Prozent wachsen. Dies schätzt die Europäische Kommission im Mai. Noch im Februar hatte sie ein Plus von 2,7 Prozent erwartet.
28.05.2022
Von Torsten Pauly | Berlin
Der Hauptgrund für das niedrigere Wachstum sind die Russlandsanktionen wegen des Kriegs in der Ukraine. Sie ziehen höhere Energiekosten und geringere Exporte nach Russland nach sich. Die Gesamtausfuhren von Waren und Dienstleistungen dürften 2022 preisbereinigt um 3,3 Prozent zulegen. Auch weitere Preise steigen, da manche Lieferketten nach wie vor unterbrochen sind. Die Europäische Kommission prognostiziert, dass die Inflation in Belgien 2022 im Jahresmittel 7,8 Prozent erreicht. Die schlechteren Konjunkturaussichten führen dazu, dass manche Unternehmen ihre Investitionen verschieben. Da der Privatkonsum aber weiter zulegt, soll sich die belgische Inlandsnachfrage 2022 insgesamt um 2,2 Prozent ausweiten. Im Zuge dessen nehmen die Importe 2022 um 3,6 Prozent zu.
Der Außenhandel hat große Bedeutung, da Belgien dank seiner günstigen Lage und guten Verkehrswege eine Logistikdrehscheibe in Nordwesteuropa ist. Allein Europas zweitgrößter Hafen Antwerpen schlägt mehr als Hamburg und Bremen zusammen um. Dabei wickelt Antwerpen etwa 30 Prozent seines Güteraufkommens für Kunden in Deutschland ab. Belgien ist eine äußerst offene Volkswirtschaft. 2021 beliefen sich die Warenimporte auf etwa 85,2 Prozent und die Export auf 91,1 Prozent des BIP. Darunter gibt es allerdings auch viele Transitwaren beziehungsweise Reexporte. Insgesamt tragen hohe Außenhandelsüberschüsse - auch gegenüber Deutschland - stark zum gesellschaftlichen Wohlstand bei. Dieses Plus hat 2021 etwa 5,8 Prozent des BIP ausgemacht.
In Belgien bestehen große regionale Unterschiede in der Wirtschaftsleistung. So lag das BIP pro Kopf in der Hauptstadtregion Brüssel 2020 um 73 Prozent über dem belgischen Durchschnitt. Im übrigen Land war das Niveau im niederländischsprachigen Flandern um 38 Prozent höher als im frankophonen Wallonien.
Indikator | 2019 | 2020 | Vergleichsdaten Deutschland 2021 |
---|---|---|---|
BIP (nominal, Mrd. Euro) | 456,7 | 507,2 | 3.571 |
BIP pro Kopf (nominal, Euro) | 39.560 | 43.770 | 42.918 |
Bevölkerung (Mio.) | 11,5 | 11,6 | 83,2 |
Die Konjunktureintrübung wirkt sich auch auf die Investitionspläne der Unternehmen aus. Zwar war das verarbeitende Gewerbe im April 2022 zu 82 Prozent und damit besser als im langjährigen Schnitt ausgelastet. Auch gab es mehr Auftragseingänge aus dem In- und Ausland als im Durchschnitt der letzten Jahre. Die mittel- und langfristigen Aussichten sind allerdings unsicher. Daher sollen die Bestellungen von Ausrüstungen 2022 preisbereinigt um 1,3 Prozent sinken. Dies prognostiziert die Europäische Kommission, die allerdings für 2023 wieder ein Wachstum von 3,8 Prozent erwartet.
Die realen Bauinvestitionen dürften 2022 nur noch geringfügig um 0,5 Prozent steigen. Auch hier rechnet die Europäische Kommission für 2023 aber mit einer Belebung (+2,5 Prozent). Nach wie vor eröffnen Großprojekte gute Auftragschancen. Diese laufen unter anderem in der Chemie- und Metallindustrie, in der Verkehrs- und Energieinfrastruktur und im Gesundheitswesen.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (in Mio. Euro) | Projektstand | Anmerkung/Ansprechpartner |
---|---|---|---|
Oosterweel-Ringstraße in Antwerpen | 4.800 | Planung, tw. Bau | Realisierung bis 2030 geplant; Osterweelverbinding |
Neue PDH-Anlage und Ethan-Cracker von INEOS in Antwerpen *) | 3.000 | Planung, tw. Bau | Realisierung bis 2024 geplant; INEOS |
U-Bahn-Bau in Brüssel (Linie 3) | 1.600 | Planung, tw. Bau | Fertigstellung erster Bauabschnitt im Zentrum und Süden 2025 geplant; danach Bau von 7 Stationen im Norden; U-Bahn Brüssel |
Dekarbonisierung des ArcelorMittal-Stahlwerks in Gent | 1.000 | Planung | Bau neuer Elektroöfen und einer DRI-Anlage (Direct Reduce Iron); ArcelorMittal |
Neue Biopharmaproduktion und Forschungsabteilung von UCB | 975 | Planung | Realisierung bis 2024 geplant; UCB |
Ausbau der Stromverteilungsnetze in Flandern | 891 | Planung | Realisierung bis 2026 geplant; Fluvius |
Neue Klinik "Grand Hopital de Charleroi" | 483 | Planung, tw. Bau | 900 Betten; Realisierung bis 2024 geplant; Grand Hopital de Charleroi |
Neues Krankenhaus der Gruppe ZNA in Antwerpen | 470 | Planung, tw. Bau | Realisierung bis 2022 geplant; ZNA Antwerpen |
Neue Klinik im „Saint Luc“-Komplex in Brüssel | 400 | Planung | 77.000 m3; Realisierung bis 2025 geplant; Krankenhaus Saint Luc |
Neue Klinik in Tournai | 306 | Planung, tw. Bau | Realisierung bis 2023 geplant; Centre Hospitalier de Wallonie Picarde |
Zwei Neubauten am Krankenhaus Diest | 180 | Planung | Fertigstellung Bau I 2024 geplant; AZ Diest |
Über öffentliche Ausschreibungen informieren sowohl die Föderalregierung als auch die Regionen Flandern, Wallonien und Brüssel.
Informationen zu EU-Binnenmarktausschreibungen bietet GTAI auf ihrer Internetseite
Der Verbrauch der Haushalte soll laut den Frühjahrsprognosen der Europäischen Kommission 2022 preisbereinigt um 4,2 Prozent und 2023 um 2,5 Prozent zulegen. Da die Lohnentwicklung in Belgien gesetzlich an die Inflation gekoppelt ist, wirken sich die jüngsten Preissteigerungen für die Arbeitnehmer nicht so negativ wie in vielen anderen Ländern der Europäischen Union aus. Allerdings gibt es dabei eine gewisse Verzögerung. Laut EU-Kommission dürften die Reallöhne in Belgien daher 2022 zunächst um 0,4 Prozent sinken. Dafür soll es 2023 einen kräftigen Anstieg um 3,4 Prozent geben. Die Kauflaune fördert die steigende Beschäftigung, die 2022 um 1 Prozent und 2023 um 0,8 Prozent zunehmen soll.
Seit Ausbruch der Coronapandemie kaufen die Verbraucher weniger auf Pump. Im April 2022 war die Zahl der Konsumkredite mit 7,1 Millionen Verträgen um 3,2 Prozent geringer als vor Jahresfrist. Davon waren 380.600 Darlehen in Zahlungsverzug, was einem Rückgang um 7,6 Prozent entspricht.
Belgiens Außenhandel ist 2021 um 24,5 Prozent gestiegen und war damit höher als vor der Coronakrise. Im Jahr 2020 hatte es einen pandemiebedingten Einbruch um 8,3 Prozent gegeben. Der jüngste Boom liegt vor allem am Handel mit chemischen Erzeugnissen und Brennstoffen. Allerdings verlaufen viele Lieferketten Mitte 2022 noch nicht so reibungslos wie vor Ausbruch der Pandemie.
Deutschland ist stärkster Partner im Außenhandel. Belgien erwirtschaftet dabei Exportüberschüsse. Im Jahr 2021 entfielen auf Deutschland 13,7 Prozent aller Ein- und 18,7 Prozent aller Ausfuhren. Führendes Lieferland sind die Niederlande mit einem Importanteil von 19,4 Prozent. Auf Deutschland folgen Frankreich (9,5 Prozent) und die USA (6,4 Prozent). Beim belgischen Export lag Deutschland 2021 mit einem Anteil von 18,7 Prozent an erster Stelle vor Frankreich (14,2 Prozent), den Niederlanden (12,2 Prozent) und den USA (6 Prozent). Das Vereinigte Königreich hat seit dem Austritt aus der Europäischen Union stark an Bedeutung verloren.
2020 | 2021 | Veränderung 2021/2020 | |
---|---|---|---|
Importe | 347.960 | 432.069 | 24,2 |
Exporte | 369.673 | 461.622 | 24,9 |