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Wirtschaftsausblick | Belgien
Belgiens Bruttoinlandsprodukt soll 2023 nur minimal um real 0,2 Prozent zulegen. Dies schätzt die Europäische Kommission, die für 2022 noch ein Plus von 2,8 Prozent erwartet.
09.12.2022
Von Torsten Pauly | Berlin
Die Inflation in Belgien 2022 soll laut Europäischer Kommission im Jahresmittel 10,4 Prozent erreichen und liegt damit noch über dem Durchschnitt der Eurozone (8,5 Prozent). Im Jahr 2023 soll die Teuerung in Belgien erneut 6,2 Prozent betragen. Der Grund sind unterbrochene internationale Lieferketten und eine daraus resultierende Knappheit an Energieträgern, Rohstoffen und Vorprodukten.
Diese Entwicklungen wirken sich in Belgien besonders stark aus, denn das Land ist eine äußerst offene Volkswirtschaft. Die Warenimporte betrugen 2021 etwa 86 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) und die Exporte sogar 92 Prozent. Dies liegt auch am Transit, denn Belgien ist eine Logistikdrehscheibe für ganz Nordwesteuropa. Europas zweitgrößter Hafen Antwerpen-Brügge verzeichnet einen höheren Umschlag als alle deutschen Seehäfen zusammen. Dabei hat Antwerpen vor der Coronapandemie etwa 30 Prozent seines Güteraufkommens für Kunden in Deutschland abgewickelt.
Die Europäische Kommission prognostiziert, dass der belgische Privatkonsum 2023 um real 1,1 Prozent zulegen und damit stärkster Konjunkturtreiber sein wird. In Belgien müssen die Löhne per Gesetz mit der Inflation steigen. Dies kommt der Kaufkraft der Bevölkerung zugute, bringt aber für die Unternehmen deutlich höhere Zahlungen mit sich.
Die Investitionstätigkeit dürfte sich in Belgien 2023 nur um 0,6 Prozent ausweiten, der Staat dagegen 0,4 Prozent weniger ausgeben. Insgesamt erhöht sich die belgische Inlandsnachfrage 2023 leicht um 0,6 Prozent, so die Europäische Kommission. Damit ergeben sich für deutsche Anbieter durchaus Geschäftschancen. Der Import von Waren und Dienstleistungen wird 2023 voraussichtlich um 1,6 Prozent und damit stärker als der Export (+1,3 Prozent) anziehen. Dies verschlechtert Belgiens Leistungsbilanzsaldo.
In Belgien gibt es große regionale Unterschiede in der Wirtschaftsleistung. Das BIP pro Kopf lag 2020 in der Hauptstadtregion Brüssel 73 Prozent über dem nationalen Durchschnitt. In Flandern überstieg es den Vergleichswert für Wallonien um 38 Prozent.
Indikator | 2020 | 2021 | Vergleichsdaten Deutschland 2021 |
---|---|---|---|
BIP (nominal, Mrd. Euro) | 460 | 502 | 3.602 |
BIP pro Kopf (nominal, Euro) | 39.830 | 43.340 | 43.292 |
Bevölkerung (Mio.) | 11,5 | 11,6 | 83,2 |
Die Ausrüstungsinvestitionen sollen 2023 real um 0,6 Prozent steigen, so die Europäische Kommission. Ein stärkeres Wachstum verhindern die unsicheren Konjunkturaussichten. So hat sich die Auftragslage der Unternehmen in Belgiens verarbeitendem Gewerbe zwischen Mai und November 2022 kontinuierlich verschlechtert. Auch die Kapazitätsauslastung ist von April bis Oktober 2022 stetig gesunken und war zuletzt niedriger als im langjährigen Durchschnitt. Es gibt aber auch Großinvestitionen, unter anderem in der Chemie- und Pharmaindustrie oder in der Batteriefertigung.
Auch die Baukonjunktur leidet unter den höheren Materialkosten und den gestiegenen Zinsen auf Baukredite. Die Europäische Kommission erwartet dennoch, dass die realen Bauinvestitionen in Belgien 2023 leicht um 0,4 Prozent zunehmen. Hier stabilisieren langjährige öffentliche Investitionsprogramme in die Verkehrsinfrastruktur, in den Energiesektor und in das Gesundheitswesen die Auftragslage.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (in Mio. Euro) | Projektstand | Anmerkung/Ansprechpartner |
---|---|---|---|
Oosterweel-Ringstraße in Antwerpen | 4.800 | Planung, tw. Bau | Realisierung bis 2030 geplant; Osterweelverbinding |
Fertigung von Batteriekomponenten | 3.000 | Planung | Joint-Venture von PowerCo und Umicore gegründet |
Neue PDH-Anlage und Ethan-Cracker von INEOS in Antwerpen *) | 3.000 | Planung, tw. Bau | Realisierung bis 2024 geplant; INEOS |
U-Bahn-Bau in Brüssel (Linie 3) | 2.300 | Planung, tw. Bau | Fertigstellung erster Bauabschnitt im Zentrum und Süden 2025 geplant; danach Bau von 7 Stationen im Norden; U-Bahn Brüssel |
Dekarbonisierung des ArcelorMittal-Stahlwerks in Gent | 1.000 | Planung | Bau neuer Elektroöfen und einer DRI-Anlage (Direct Reduce Iron); ArcelorMittal |
Neue Biopharmaproduktion und Forschungsabteilung von UCB | 975 | Planung | Realisierung bis 2024 geplant; UCB |
Ausbau der Stromverteilungsnetze in Flandern | 891 | Planung | Realisierung bis 2026 geplant; Fluvius |
Neue Klinik "Grand Hopital de Charleroi" | 483 | Planung, tw. Bau | 900 Betten; Realisierung bis 2024 geplant; Grand Hopital de Charleroi |
Neues Krankenhaus der Gruppe ZNA in Antwerpen | 470 | Planung, tw. Bau | Realisierung bis 2022 geplant; ZNA Antwerpen |
Neue Klinik im „Saint Luc“-Komplex in Brüssel | 400 | Planung | 77.000 m3; Realisierung bis 2025 geplant; Krankenhaus Saint Luc |
Zwei Neubauten am Krankenhaus Diest | 180 | Planung | Fertigstellung Bau I bis 2024 geplant; AZ Diest |
Über öffentliche Ausschreibungen informieren sowohl die Föderalregierung als auch die Regionen Flandern, Wallonien und Brüssel.
Informationen zu EU-Binnenmarktausschreibungen bietet GTAI auf ihrer Website.
Die Kauflaune der Haushalte soll 2023 preisbereinigt um 1,1 Prozent steigen, so die Europäische Kommission. In Belgien ist die Lohnentwicklung gesetzlich an die Inflation gekoppelt, weswegen sich die Teuerungsraten für die Arbeitnehmer nicht so negativ wie in vielen anderen EU-Ländern auswirken. Allerdings gibt es bei der Lohnanpassung eine gewisse Verzögerung. Die Europäische Kommission erwartet daher, dass die Reallöhne in Belgien 2022 zwar um 1,7 Prozent sinken, 2023 jedoch um 3,4 Prozent zulegen werden. Die Beschäftigung steigt 2022 voraussichtlich um 1,8 Prozent, 2023 um 0,3 Prozent. Dies wird sich auch positiv auf die Kaufkraft auswirken.
Die belgischen Verbraucher kaufen weniger auf Pump. Im Oktober 2022 gab es 7,1 Millionen Konsumkredite, das waren 2,3 Prozent weniger als vor Jahresfrist. Die Zahl der Darlehen mit Zahlungsverzug sank im selben Zeitraum sogar um 6,5 Prozent auf 372.000 Verträge.
Belgien hat in den letzten Jahrzehnten stets hohe Exportüberschüsse erwirtschaftet. Doch 2022 verteuerten sich die Preise für die Einfuhren noch stärker als für die Ausfuhren. Viele belgische Erzeuger können ihre gestiegenen Einkaufskosten wegen langfristiger Lieferverträge nicht in vollem Umfang an ihre Kunden weitergeben. Die Europäische Kommission erwartet daher für 2022 ein belgisches Außenhandelsdefizit von 2,2 Prozent beziehungsweise für 2023 in Höhe von 2,4 Prozent des BIP.
Belgiens führendes Herkunftsland sind die Niederlande, die 2021 etwa 19,4 Prozent aller Warenimporte geliefert haben. Es folgten Deutschland und Frankreich mit Anteilen von 13,7 Prozent sowie 9,5 Prozent. Wichtigster ausländischer Absatzmarkt ist Deutschland, das 2021 etwa 18,7 Prozent der belgischen Exporte abnahm. Es folgten Frankreich (14,2 Prozent) und die Niederlande (12,2 Prozent). Das Vereinigte Königreich war bis zu seinem EU-Austritt Belgiens viertwichtigster Handelspartner, hat aber seither an Bedeutung verloren.
2020 | 2021 | Veränderung 2021/2020 | |
---|---|---|---|
Importe | 347.960 | 432.069 | 24,2 |
Exporte | 369.673 | 461.622 | 24,9 |