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Branchen | Bosnien-Herzegowina | Kfz-Teile, Zulieferindustrie

Autozulieferindustrie in Bosnien und Herzegowina etabliert sich

Die Anzahl der Zulieferer für die Autoindustrie wächst. Das Spektrum reicht von der Alufelge bis zum Zahnrad. Auch deutsche Investoren interessieren sich für das Land.

Von Martin Gaber | Belgrad

Die Autozulieferindustrie in Bosnien und Herzegowina gewinnt wieder an Bedeutung. Schon im ehemaligen Jugoslawien war das Land ein wichtiges Automobilzentrum. Es wurden Teile für Mercedes und Volkswagen produziert. Später gründete Volkswagen ein Joint Venture in Sarajewo und produzierte den VW Golf für den lokalen Markt. In den Balkankriegen der 1990er-Jahre mussten viele Unternehmen dann aber ihren Betrieb einstellen.

Zulieferindustrie in Bosnien und Herzegowina festigt sich

Seit einigen Jahren ist Bosnien und Herzegowina nun dabei, sich als Zulieferstandort für die Autoindustrie neu zu etablieren. Trotz der komplexen Lage im Land, gibt es dafür viel Potenzial. Grundlage bilden das Know-how und die industriellen Kapazitäten von damals. Hinzu kommen wettbewerbsfähige Lohnkosten und die günstige geografische Lage. So zählt Bosnien und Herzegowina rund 70 Unternehmen aus der Automotive-Branche. Sie liefern meistens nicht direkt an die Hersteller, sondern deren Lieferanten. Einige beliefern aber auch direkt die sogenannten OEMs (Original Equipment Manufacturer), also die Fahrzeughersteller selber.

Lieferantenstruktur ist breit aufgestellt

Die Unternehmen haben einen Schwerpunkt auf Produkten aus Metall-, Gummi-, Textil- und Kunststoff gelegt, es gibt aber auch Spezialisten für das Engineering oder andere Bereiche, zeigt eine Analyse der Automotive Industry Association (AIA). Die AIA ist eine Art Branchenverband der Autoindustrie in Bosnien und Herzegowina. "Unsere Autozulieferer sind sehr heterogen. Wir haben alles dabei, vom Filterspezialisten bis zum Engineering", sagt Armin Hodžić, Koordinator der AIA. Er betreut den Verband seit einigen Jahren und erlebt die Entwicklung der Branche mit. Seiner Schätzung nach dürfte die Mitarbeiterzahl in den letzten fünf Jahren um 30 bis 40 Prozent zugelegt haben.

Autozulieferindustrie in Bosnien und Herzegowina auf einen Blick
  • Zahl der Unternehmen: 60 bis 70
  • Beschäftigte: rund 15.000
  • Kunden: vor allem Tier 1 bis Tier 3, aber auch einige OEMs
  • Produkte: Fokus auf Produkte aus Kunststoff, Gummi, Metall und Textil, aber auch Spezialisierungen und Engineering
  • Märkte: großer Exportfokus, vor allem Richtung EU und dort Deutschland
  • Exportvolumen: über 500 Millionen Euro

Kleine und mittlere Unternehmen setzen Impulse

Früher waren es vor allem Großbetriebe mit mehreren tausend Mitarbeitern, heute prägen kleine und mittlere Unternehmen die Branche in Bosnien und Herzegowina. Dazu zählt auch das Unternehmen Core aus Sarajewo, das mittlerweile auch einen Standort in München hat. Bei Core konstruieren Ingenieure Interieur- und Exterieur-Lösungen für BMW, Mini und Rolls Royce.

Doch nicht nur Pkw stehen im Fokus, auch Hersteller weiterer Bauteile sind im Land angesiedelt. Das Unternehmen Krupa Kabine in Bosanska Krupa entwickelt und produziert Kabinen für Lastwagen und Baufahrzeuge. Zu den Kunden gehören Weltmarktführer wie Liebherr und Caterpillar.

Eher die Ausnahme sind Großbetriebe wie Prevent. Das Unternehmen mit verschiendenen Standorten weltweit zählt in seinen verschiedenen Sparten über 10.000 Beschäftigte. Nach einem Streit mit Volkswagen im Jahr 2016 hat sich das Unternehmen auf andere Marken konzentriert. Prevent produziert verschiedene Komponenten für die Autoindustrie. Dazu gehören Bremsscheiben, Kunststoffteile oder Sitzbezüge.

Auch deutsche Unternehmen setzen auf den Standort

Kürzlich hat Mann+Hummel 4 Millionen Euro in sein neues Logistikzentrum in Bosnien und Herzegowina investiert. Der Standort gewinnt für die Gruppe an Bedeutung. Der baden-württembergische Filterspezialist beschäftigt über 700 Mitarbeiter am Standort Tešanj. Weitere Investitionen, gerade in die Produktion, seien schon in Planung und werden in den nächsten Jahren folgen. "Die Bedeutung des Standorts Bosnien und Herzegowina wird immer wichtiger. Sowohl für unsere Zentrale in Deutschland, als auch auf globaler Ebene", sagt Mahmut Galijašević, Geschäftsführer von Mann+Hummel in Bosnien und Herzegowina.

PASS hingegen gehört zu den Neulingen in Südosteuropa. Umso beeindruckender ist die Entwicklung des Unternehmens, das in dem Balkanstaat Teile für das Flüssigkeitsmanagement im Fahrzeug fertigt.

"Wir haben 2017 begonnen und sind seitdem sehr erfolgreich unterwegs. Allein die Mitarbeiterzahl haben wir von 100 auf heute 970 erhöht.",

sagt Dr. Karsten Geveke, Geschäftsführer von PASS. Das Unternehmen komme mit Land und Standort sehr gut zurecht, was das Management dazu bewegt habe, weiter zu investieren. PASS hat im März 2022 in Zvornik einen weiteren Standort eröffnet. Die Produktion ist im Oktober 2022 angelaufen und die Mitarbeiterzahl auf 45 gestiegen.

Ebenfalls zu den neueren Projekten gehört die Investition der Selzer Group. Der Hersteller von Komponenten für Getriebesysteme hat sich im Jahr 2020 für einen Standort in Rajlovac bei Sarajewo entschieden. Dort sollen nach lokalen Medienberichten rund 300 Arbeitsplätze entstehen.

Ausgewählte deutsche Autozulieferer in Bosnien und Herzegowina

Unternehmen, Ort

Mitarbeiterzahl

PASS, Bijeljina

1.100

EMKA, Goražde

1.000

Mann+Hummel, Tešanj

750

Veritas, Rajlovac/Sarajewo

500

Volkswagen, Vogošća/Sarajewo

350

Selzer Automotive, Rajlovac/Sarajewo

300

Surtec-Eurosjaj, Konjic

300

Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2023

Potenzial noch nicht erschöpft

Das Exportvolumen liegt bei über 500 Millionen Euro, so eine Studie der Entwicklungsagentur der Vereinten Nationen (UNDP) aus dem Jahr 2019. Das dürfte mittlerweile nochmals deutlich zugelegt haben. Insgesamt sind knapp 15.000 Beschäftigte in der Zulieferindustrie in Bosnien und Herzegowina tätig, so die Einschätzung von AIA-Koordinator Armin Hodžić. Die Industrie hat sich zu den führenden Exportbranchen des Landes entwickelt. Ein limitierender Faktor dürfte auch in Bosnien und Herzegowina zunehmend die Personalsituation werden. Zwar klagt das Land über eine hohe Arbeitslosenquote von rund 15 Prozent, doch Fachkräfte werden rar. Gerade die Ausbildung entspricht nicht immer den Bedürfnissen der Unternehmen.

Dass Bosnien und Herzegowina sein Potenzial noch nicht ausschöpft, dürfte auch an der schwierigen politischen Lage im Land liegen. Doch der Trend hin zu Nearshoring wird das Land stärker in den Fokus rücken, zumal es seit Ende 2022 EU-Beitrittskandidat ist. Zukünftig dürften in noch mehr Fahrzeugen Teile aus Bosnien und Herzegowina zu finden sein. "Ich bin ziemlich sicher, dass es in fast jedem Auto zumindest ein Teil made in Bosnia and Herzegovina gibt", sagt Armin Hodžić.

Kontaktadressen

Bezeichnung

Anmerkungen

Germany Trade & Invest

Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft

Delegation der Deutschen Wirtschaft in Bosnien und Herzegowina (AHK)

Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

Foreign Investment Promotion Agency (FIPA)

Investitionsagentur Bosnien und Herzegowinas

Automotive Industry Association (AIA)

Automobilverband

Außenhandelskammer VTK

gesamtstaatliche Handelskammer

Föderale Wirtschaftskammer

zuständig für die Föderation Bosnien und Herzegowina

Wirtschaftskammer der Republika Srpska

zuständig für die Entität Republika Srpska

Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2023

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