Branche kompakt | USA | Chemische Industrie
Branchenstruktur
Die Chemieindustrie findet gute Standortbedingungen in den USA vor. An ihrer Golfküste entstehen Anlagen für Flüssigerdgas. Auch deutsche Unternehmen bauen ihre Produktion aus.
27.05.2025
Von Heiko Stumpf | San Francisco
Die Vereinigten Staaten sind weltweit der zweitgrößte Produzent von chemischen Erzeugnissen – nach China. Die Branche deckt die gesamte Bandbreite von Grundchemikalien, chemischen Zwischenerzeugnissen und Spezialchemikalien ab. Wichtige Segmente sind Agrarchemikalien, Automobilchemie, Substanzen zur Wasserbehandlung, Kleb- und Dichtstoffe sowie industrielle Gase.
Sparte | 2021 | 2022 | 2023 | 2024 |
---|---|---|---|---|
Chemische Erzeugnisse (außer Pharmazeutika und Arzneimittel) | 93,4 | 95,9 | 95,7 | 96,7 |
Organische Chemikalien | 94,3 | 91,3 | 90,2 | 87,8 |
Anorganische Basischemikalien | 89,1 | 96,2 | 100,9 | 98,2 |
Harz, Synthesekautschuk und -fasern | 86,5 | 87,1 | 87,3 | 90,6 |
Agrarchemikalien | 106,3 | 111,8 | 112,5 | 119,0 |
Farben, Lacke und Klebstoffe | 95,0 | 108,5 | 100,4 | 97,2 |
Seifen und Körperpflegemittel | 93,4 | 96,8 | 101,0 | 108,7 |
LNG-Großanlagen im Aufbau
Über die größten Kapazitäten verfügt mit insgesamt 132 Raffinerien die Petrochemie. Die Anlagen konnten im Jahr 2024 eine Rohölmenge von insgesamt 18,4 Millionen Barrel pro Tag verarbeiten. Aufgrund der Schließung von zwei Raffinerien durch LyondellBasell und Phillips 66 wird bis 2026 ein Rückgang der Verarbeitungskapazitäten um 370.000 Barrel pro Tag erwartet.
Auf Hochtouren läuft hingegen der Ausbau der Terminals für Flüssigerdgas (Liquified Natural Gas; LNG), das in den USA durch Fracking gewonnen wird. Mit einer bereits installierten Kapazität von rund 123 Millionen Tonnen sicherten sich die USA 2024 zum zweiten Mal in Folge den Titel des Exportweltmeisters für LNG. Und liegen damit vor Australien und Katar.
In den Bundesstaaten Louisiana und Texas entstehen derzeit fünf zusätzliche Gasverflüssigungsanlagen. Dadurch kommt bis 2028 eine jährliche Kapazität von knapp 79 Millionen Tonnen hinzu. Zu den Vorhaben zählt die zweite Phase des Plaquemines-Projektes in Louisiana, welches ab 2025 jährlich 13,8 Millionen Tonnen LNG bereitstellen soll.
Zehn weitere Projekte befinden sich zudem derzeit im Bau. Allein dadurch könnten weitere LNG-Kapazitäten von mindestens 107 Millionen Tonnen entstehen. Ein von US-Präsident Joe Biden verhängtes Moratorium für neue LNG-Exportprojekte wurde mittlerweile durch die Trump-Regierung aufgehoben, so dass noch weitere Anlagen hinzukommen könnten. Wie viele zusätzliche LNG-Vorhaben tatsächlich umgesetzt werden, bleibt abzuwarten: Es gibt bereits Warnungen vor drohenden Überkapazitäten.
Attraktive Standortbedingungen dank günstiger Preise
Die reichhaltige und kostengünstige Verfügbarkeit von Erdgas ist einer der Hauptgründe für die guten Standortbedingungen der Chemieindustrie in den USA. Die U.S. Energy Administration (EIA) erwartet für das Jahr 2025 einen durchschnittlichen Spotpreis für Erdgas im als Benchmark geltenden Henry Hub nahe Erath, Louisiana, von 3,80 US-Dollar (US$) pro Million britischer Wärmeeinheiten (Metrische Millionen Britische Wärmeeinheiten; MMBtu). Damit liegt der erwartete Preis deutlich unter dem Durchschnittsniveau der letzten 20 Jahre von 4,18 US$. In Europa, wo die niederländische Title Transfer Facility (TTF) als wichtige Benchmark gilt, lag der Gaspreis Anfang 2025 bei über 14 US$ je MMBtu.
Hinzu kommt günstiger Strom: Laut der EIA lag der durchschnittliche Industriestrompreis im Dezember 2024 bei 8,01 US$ pro Megawattstunde. In Deutschland sind die Stromkosten mehr als doppelt so hoch.
Die US-Chemieindustrie kann deshalb in die Zukunft ihrer Standorte investieren. Nachdem im Jahr 2024 Investitionen in Höhe von 34 Milliarden US$ getätigt wurden, erwartet der ACC für 2025 einen Anstieg um 3,2 Prozent. Im Jahr 2026 sollen die Investitionen um 2,8 Prozent wachsen.
Deutsche Unternehmen auf Investitionskurs
Auch deutsche Chemiekonzerne bauen ihre Anlagen in den USA aus: BASF steckt bis 2025 rund 780 Millionen US$ in die Erweiterung der Fertigungsstätte Geismar, Louisiana. Evonik erhöht die Produktion von Kieselsäure in Charleston, South Carolina, bis 2026 um die Hälfte. Covestro will einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag investieren, um den Standort Hebron, Ohio, bis 2026 zu erweitern. Dies umfasst mehrere Produktionslinien für Polycarbonate.
Akteur (Projekt) | Investitionssumme | Geplante Fertigstellung | Anmerkung |
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Formosa Plastics (Sunshine Project) | 9.400 | Baustart unklar, Genehmigung noch nicht vollständig erteilt | Herstellung von Polymeren in St. James, Louisiana; Kapazität pro Jahr: 2,4 Mio. t Ethylen für u.a. 800.000 t LLDPE und HDPE |
Chevron Phillips/Qatar Energy (Golden Triangle Polymers) | 8.500 | 2026 | Herstellung von Polymeren in Orange, Texas; Kapazität pro Jahr: 2,1 Mio. t Ethylen und 2 Mio. t Polyethylen |
LG Chemicals | 3.200 | 2027 | Herstellung von Kathodenaktivmaterial in Clarksville, Tennessee; Kapazität pro Jahr: 120.000 t |
Cronus Chemicals | 2.300 | 2028 | Herstellung von Ammoniak für Düngemittel in Tuscola, Illinois; Kapazität pro Jahr: 840.000 t |
Mitsubishi Chemical | 1.000 | 2025 | Herstellung von Methylmethacrylat in Geismar, Louisiana; Kapazität pro Jahr: 35.000 t |
Syenqo | 850 | 2027 | Herstellung von Polyvinylidenfluorid für die Batterieindustrie in Augusta, Georgia; Kapazität pro Jahr: ausreichend für 5 Mio. Autobatterien |
Koura Chemicals | 800 | 2027 | Herstellung von Batteriechemikalien in St. Gabriel, Louisiana; Kapazität pro Jahr: 11.000 t Lithiumhexafluorophosphat und 44.000 t R-142b (Kältemittel) |
Epsilon Advanced Materials | 650 | 2026 | Herstellung von Grafitanoden in Clarksville, Tennessee; Kapazität pro Jahr: 50.000 t |
PCC GulfChem | 540 | 2028 | Herstellung von Chloralkali in Pass Christian, Mississippi; Kapazität pro Jahr: 340.000 t |
PPG Industries | 225 | 2026 | Herstellung von Farben und Lacken in Loudon, Tennessee; Kapazität pro Jahr: 42 Mio. l |
Für Bewegung sorgen auch Batteriehersteller, die in den USA eine Gigafactory nach der anderen hochziehen. Bis 2028 könnte eine Gesamtkapazität von mehr als 1.000 Gigawattstunden entstehen. Dadurch steigert sich beispielsweise die Nachfrage nach Fluorkunststoffen, die für Batterien benötigt werden.
Gleichzeitig löste der IRA eine Investitionswelle entlang der gesamten Batteriewertschöpfungskette aus. BASF gehört zu einer Reihe von Unternehmen, die die Produktion von Kathodenmaterial starten. Lanxess ist in El Dorado, Arkansas, zusammen mit dem kanadischen Unternehmen Standard Lithium an einem Lithiumprojekt beteiligt.
Der CHIPS and Science Act hat entlang der Wertschöpfungskette für Halbleiter über 80 Projekte mit einem Investitionsvolumen von rund 450 Milliarden US$ angestoßen. In der Folge dürfte sich die Chipproduktion in den USA bis 2032 mehr als verdreifachen. Zur Herstellung eines Mikrochips werden rund 500 verschiedene Spezialchemikalien benötigt. Als Nebeneffekt löste der CHIPS and Science Act deshalb bereits knapp 30 Projekte für chemische Ausgangsmaterialien aus.
Für die Herstellung von chemischen Halbleiterlösungen investiert das zu Merck aus Darmstadt gehörende Unternehmen EMD Electronics rund 300 Millionen US$ in Pennsylvania. Weitere Großinvestitionen gibt es beispielsweise durch Entegris in Colorado (600 Millionen US$) und Soulbrain in Texas (575 Millionen US$).
Vielzahl an regionalen Chemieclustern
Der heterogene Charakter der Chemieindustrie und die engen Verbindungen zu anderen Wirtschaftszweigen zeigen sich auch geografisch. So verfügen fast alle US-Staaten über chemische Produktionskapazitäten. Herausgebildet haben sich klare regionale Schwerpunkte.
Für die Produzenten chemischer Grundstoffe aus Erdöl und Erdgas ist unter anderem die Nähe zu den Förderstätten und Häfen wichtig. Rund 90 Prozent der petrochemischen Produktion ballt sich deshalb in den Küstenstaaten Texas und Louisiana. Auch die Herstellung von Basischemikalien und Kunststoffen konzentriert sich stark an der US-Golfküste.
Region | Schwerpunkte |
---|---|
Golfküste | Petrochemikalien, Grundchemikalien, Polymere, Kunstharze, Synthesekautschuk |
Mittlerer Westen | Agrarchemikalien, Kunststoffe, Farben |
Ohio Valley | Organische Chemikalien, Kunststoffe, Spezialchemikalien |
Mittelatlantik | Konsumgüter |
Südosten | Anorganische Chemikalien, Fasern, Konsumgüter, Batteriechemikalien |
Nordosten | Konsumgüter, Spezialchemikalien |
Westküste | Grundchemikalien, Agrarchemikalien, Konsumgüter |
Die Stärke der US-Chemie zeigt sich auch in der Unternehmenslandschaft. Die USA haben weltweit agierende Branchengrößen wie Dow, ExxonMobil und Chevron hervorgebracht. DuPont kündigte Anfang 2025 an, seine Elektroniksparte in ein eigenständiges börsennotiertes Unternehmen abzuspalten.
Unternehmen | Sparte | Umsatz 2023 |
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Dow | Chemieproduktion | 44,6 |
ExxonMobil | Petrochemikalien | 40,7 |
LyondellBasell Industries | Chemieproduktion | 32,0 |
Mosaic | Düngemittel | 13,7 |
Air Products and Chemicals | Industriegase | 12,6 |
DuPont | Chemieproduktion | 12,1 |
Chevron Phillips Chemical | Petrochemikalien | 11,6 |
Celanese | Chemieproduktion | 10,9 |
Albemarle | Spezialchemikalien | 9,6 |
Eastman Chemical | Chemieproduktion | 9,2 |