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Hochbau: Projekte
Die Regierung stellt mehr Geld für den Bau öffentlicher Gebäude und Sozialwohnungen bereit. Impulse kommen von Luxusprojekten und Resorts für den wachsenden Tourismus.
03.06.2024
Von Gloria Rose | São Paulo
Der Bau öffentlicher Gebäude stockt seit Jahren. Über die Plattform Mãos à Obra sammelte die Regierung im Jahr 2023 Daten über ruhende Baustellen. Bislang meldeten die Gemeinden insgesamt 12.286 Projekte mit einem Investitionsvolumen von insgesamt 18 Milliarden US-Dollar (US$) an. Zum Großteil handelt es sich um Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen. Über einen Nationalpakt sollen nun Mittel für die Fertigstellung der Bauten zur Verfügung gestellt werden. Jedes einzelne Projekt muss erneut bewilligt werden.
Konkreter sind die Projekte, die Bundesstaaten und Gemeinden als öffentlich-private Partnerschaft, sogenannte PPP, vergeben. Laut dem Infrastrukturverband ABDIB befinden sich landesweit 180 PPPs mit einem Investitionsvolumen von bis zu 3,4 Milliarden US$ in der Ausarbeitung. Dabei handelt es sich auch um Vollzugsanstalten, Parks, Sportplätze oder Wohnblöcke.
Öffentlich-private Projekte im Bildungs- und Gesundheitssektor kommen voran
Laut der Beratungsagentur Radar PPP stieg das Gesamtvolumen der Gesundheitsprojekte 2023 um fast 10 Prozent an. Im November befanden sich 26 Projekte in der Pipeline, darunter das Hospital Vital Brazil in Timóteo (Minas Gerais), das Kinderkrankenhaus Irmã Calista in Maringá (Paraná) und das Hospital de Jaru (Rondônia). Auch die medizinische Grundversorgung in Recife und Jaboatão dos Guararapes im Staat Pernambuco wird 2024 als PPP vergeben. Viele Verträge erarbeitet der Projekthub der brasilianischen Entwicklungsbank BNDES.
Im Bildungsbereich bereitet BNDES derzeit fünf PPPs vor: für Recife im Bundesstaat Pernambuco, Caxias do Sul in Rio Grande do Sul, in Rio de Janeiro sowie für die Staaten São Paulo und Minas Gerais. Der Staat São Paulo will bereits im November 2024 den PPP-Vertrag für den Bau und die Verwaltung von 33 Schulen vergeben.
Darüber hinaus strukturiert BNDES auch Verträge zur Sanierung und Nutzung staatlicher Gebäude. In diesem Jahr werden fünf Immobilienblöcke versteigert.
Auch der private Gesundheitssektor investiert
Die Bevölkerung Brasiliens wird im kommenden Jahrzehnt deutlich schneller altern als in anderen Schwellenländern. Pflegeheime für die höheren Einkommensklassen rücken ins Interesse von Investmentfonds. Die Investitionen im privaten Gesundheitssektor steigen tendenziell und fördern den Bau weiterer Gesundheitseinrichtungen.
Sozialbau rückt ins Augenmerk der Wohnungsbaugesellschaften
Über das Förderprogramm "Minha Casa Minha Vida" (MCMV) wurden im Jahr 2023 Verträge für 460.000 neue Wohneinheiten geschlossen. Unter der Regierung Lula rückt der Sozialbau wieder in den Vordergrund. Davon profitieren besonders die Wohnungsbaugesellschaften Direcional, Cury und MRV, da 90 Prozent ihrer Aktivtäten über MCMV laufen. Aber auch Plano&Plano, Tenda und Cyrela nutzen den Trend für sich.
Der Bundesstaat São Paulo, der das höchste Wohnungsdefizit des Landes aufweist, errichtet Wohnungen in öffentlich-privaten Partnerschaften (PPP) über das Programm "Nossa Casa". Auch die Stadt São Paulo bietet Förderung an. Über das Programm "Pode Entrar" sollen 45.000 Wohnungen vergeben werden. Die Wohnungsbaugesellschaften Plano&Plano und Direcional gewannen bislang die meisten Aufträge. Aber auch Tenda und MRV interessieren sich für das Programm.
Fortsetzung alter Trends schlägt sich in Bauprojekten nieder
Die Millionenmetropole São Paulo ist der mit Abstand größte Markt für die brasilianische Bauwirtschaft. Mitte 2023 verabschiedete die Stadt einen neuen Bebauungsplan, der vorherige stammte aus dem Jahr 2014. Trotz Kritik vieler Stadtplaner, die den Abbau sozialer Gegensätze im Blick haben, setzt der neue "Plano Diretor Estratégico" (PDE) die Forderungen der Baugesellschaften um. Damit verstärkt sich der Trend zu kleinen Apartmentwohnungen für die mittleren und gehobenen Einkommensklassen an den Hauptverkehrswegen. In den letzten zehn Jahren floss die Hälfte aller Bauinvestitionen in Wohnimmobilien dieser Art. Der Plan gilt bis 2029.
Der Shoppingsektor hat sich von dem Einbruch in der Coronakrise erholt und wächst wieder. Damit steigen die Investitionen. Multiplan, einer der größten Betreiber von Shoppingzentren, baut bis 2026 sieben Einkaufszentren aus und investiert im Jahr 2024 etwa 80 Millionen US$ in die 20 bestehenden Zentren. Der börsennotierte Konzern Allos plant für 2024 den Ausbau von acht Zentren: Parque Shopping Maceió, Villa Lobos, Bahia, Del Rey, Dom Pedro, Uberlândia, Leblon und Recife. Auch neue Zentren entstehen. Von Jahr zu Jahr kommen neue Standorte hinzu. Insgesamt verfügen bislang knapp 250 der 5.570 Städte und Gemeinden Brasiliens über Shoppingzentren.
Tourismusbranche zieht Investoren an
Wegen der hohen Flugpreise machen immer mehr Brasilianer Urlaub im eigenen Land. Auch aus dem Ausland kommen mehr und mehr Besucher. Im Jahr 2023 brachten ausländische Touristen 6,9 Milliarden US$ ins Land, ein neuer Rekordwert. Nicht einmal die Fußballweltmeisterschaft 2014 brachte Brasilien höhere Einnahmen. Das beflügelt die Branche und viele Hotelketten investieren wieder, darunter zahlreiche internationale und renommierte Marken.
Im Süden São Paulos entsteht das Großprojekt Beyond The Club (BTC). Geplant sind ein Surfpark mit künstlichem Strand, Restaurants, Luxusapartments und Ladenlokalen. Investitionspartner sind BTG Pactual, KSM Realty und Realty Proprieties. Im Hinterland des Bundesstaates São Paulos rechnet der Tourismusdistrikt Serra Azul in der Umgebung der Städte Itupeva, Vinhedo, Louveira und Jundiaí bis 2026 mit Investitionen in Höhe von 360 Millionen US$. Geplant sind verschiedene Projekte von Hotel und Gastronomie bis zu Einkaufszentren und Freizeitparks.
Viele Projekte konzentrieren sich auf den Nordosten. In Cabo Branco bei João Pessoa im Bundesstaat Paraíba entstehen gleich vier Großprojekte im Gesamtwert von 240 Millionen US$. Die zwei neuen Ressorts und zwei Wasserparks sollen bis 2026 fertiggestellt werden.
Vorhaben (Bundesstaat) | Investitionssumme | Projektstand | Projektträger |
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Bau einer Zellstofffabrik in Inocência (Mato Grosso do Sul) | 3.000 | Inbetriebnahme für 2028 geplant, eine 2. Produktionsanlage mit gleicher Kapazität wird bereits geplant | Arauco |
Bau einer Tourismusanlage und nachhaltigen Luxusresidenz "Maraey" mit drei Hotels in Maricá (Rio de Janeiro) | 2.200 | Baubeginn April 2023, Fertigstellung 2033 | IDB Brasil (Cetya und Abacus Gruppe) |
PPP zum Bau eines neuen Krankenhauskomplexes in Campo Grande (Mato Grosso do Sul) | 1.048 (davon 200 privat) | Ankündigung im November 2023, Projektstudie wird bis Ende 2024 abgeschlossen | Finanzierung über die Interamerikanische Entwicklungsbank (IDB) |
Neue Brauerei in Passos (Minas Gerais) | 400 | Baubeginn im Mai 2023 | Heineken |
Ausbau von 7 Shoppingzentren in Brasília (Distrito Federal), Curitiba (Paraná), Belo Horizonte (Minas Gerais), Maceió (Alagoas) sowie Jundiaí, São Caetano do Sul und São Paulo (São Paulo) | 300 | Ankündigung im November 2023, Fertigstellung bis 2027 | Multiplan |
Premium-Tourismuskomplex in Gramado (Rio Grande do Sul) | 200 | Ankündigung im Juli 2023 | DC Set Group und Club Med (Frankreich) |
PPP zur Modernisierung und Verwaltung des Krankenhauses Souza Aguiar in Rio de Janeiro | 170 (davon 100 innerhalb der ersten drei Jahre) | Versteigerung des 30-jährigen Vertrags im April 2023 | Konsortium Smart Hospital (Best Energy & Engineering und Sian Engenharia) |
Neue Fabrik für Pflanzenschutzmittel in Piracicaba (São Paulo) | 140 | Ankündigung im März 2024 | Koppert do Brasil (Niederlande) |
Neue Tissuefabrik in Aracruz (Espírito Santo) | 130 | Inbetriebnahme im 1. Halbjahr 2026 | Suzano |
Weitere Informationen zu Projekten finden Sie in der GTAI-Datenbank "Entwicklungsprojekte".