
Special | Bulgarien | Beschaffung
Autobauer sind wichtige Kunden der bulgarischen Elektroindustrie
Die bulgarische Elektroindustrie lebt vom Export und überwiegend von Industriekunden aus Deutschland. Sie bestellen in Bulgarien Sensoren, Leiterplatten oder Kabel.
28.05.2025
Von Dominik Vorhölter | Sofia
Die deutsche Industrie ordert bei Bulgariens Elektroindustrie pro Jahr für rund 1 Milliarde Euro. Neben Produkten aus der Metallindustrie zählen elektronische und elektrische Bauteile sowie Geräte zu den am meisten aus Bulgarien exportierten Gütern. Insgesamt führten bulgarische Branchenunternehmen im Jahr 2024 Waren und Güter im Wert von 4 Milliarden Euro aus.
beträgt der Importwert der von der deutschen Industrie bei der bulgarischen Elektroindustrie bestellten Waren und Güter im Jahr 2024.
Im gesamten Handel mit Deutschland belegt das südosteuropäische Land in der Rangfolge der Lieferanten Platz 36. Damit rangiert Bulgarien als Beschaffungsmarkt für die deutsche Industrie knapp hinter Lieferländern wie Kanada und Slowenien.
Die größte Kundengruppe der bulgarischen Elektroindustrie sind in Europa tätige Automobilhersteller und Maschinenbauer. Aus beiden Branchen beschaffen Unternehmen Sensortechnik, Kabel und Leiterplatten aus Bulgarien. Die Elektroindustrie hat einen Anteil von rund 11 Prozent an den bulgarischen Exporten.
Etwa 80 Prozent der Sensoren, zum Beispiel für Airbags, Abgasmessung, Bremsen etc., die in Autos aus europäischer Produktion verbaut sind, stammen aus Bulgarien. Das berichtet die bulgarische Investitionsförderagentur InvestBulgaria Agency. Das belgische Unternehmen Melexis und das deutsche Unternehmen Festo stellen unter anderem Sensoren in Sofia her.
Zu den größten deutschen Investoren in der bulgarischen Elektronindustrie zählen neben Firmen wie Festo (Automatisierungstechnologie) auch Liebherr Hausgeräte Marica, Behr Hella Thermocontrol (Kfz-Zulieferer - Klimasteuerung) und EbV Elektronik (Regelsysteme für Heizungsanlagen). Etablierte Produktionszentren im Land sind Plowdiw, Sofia, Ruse und Vidin.
Bulgariens Elektroindustrie produziert Platinen, Kühlschränke und Sensoren
Die Produktpalette weiterer in Bulgarien tätiger Unternehmen beinhaltet elektronische integrierte Schaltkreise, Kabel für Autos, Transformatoren, Schalttafeln, Kühlschränke und Warmwasserbereiter. Bulgarien war unter den Ländern des ehemaligen Ostblocks berühmt für seine Elektroindustrie.
Bulgarische Elektronikfirmen liefern wertmäßig mehr Elektronikprodukte ins Ausland als serbische Wettbewerber, aber weniger als die Elektroindustrie in Rumänien. Bulgariens Elektroindustrie kann im EU-Vergleich und im regionalen Vergleich auf Grund von niedrigen Strom- und Lohnkosten sehr wettbewerbsfähig anbieten.
"Die meisten Unternehmen profitieren heute vom bulgarischen Know-how der Branche, weil sie hier gut ausgebildete Fachkräfte zu günstigen Löhnen finden", sagt Dimitar Beleliev, Vorsitzender des Branchenverbandes der bulgarischen Elektroindustrie BASEL. "Wir beobachten, dass europäische Unternehmen bei uns Tochterfirmen gründen“, sagt Beleliev. Der Grund dafür seien die wettbewerbsfähigen Lohnkosten und Energiekosten im Vergleich mit anderen EU-Märkten, sagt Beleliev.
Stromkosten pro Kilowattstunde 1) | Arbeitskosten pro Stunde 2) | |
---|---|---|
Bulgarien | 0,11 | 10,6 |
Griechenland | 0,13 | 16,7 |
Serbien | 0,14 | 11,4 |
Rumänien | 0,14 | 12,5 |
EU-Durchschnitt | 0,16 | 33,5 |
Deutschland | 0,2 | 43,4 |
Fertigungsschritte sind oft halbautomatisch
Viele bulgarischen Unternehmen bieten Leiterplatten (auch printed circuit board, PCB, genannt) an. So ist Bulgariens Elektronindustrie eng eingebunden in internationale Wertschöpfungsketten, denn ohne PCB lassen sich elektronische Geräte nicht steuern. Die Platinen werden mit einer personalintensiven Oberflächenmontagetechnik gefertigt. Fachkreise nennen diesen Prozess Surface Mount Technology (SMT). Die meisten Unternehmen setzen halbautomatische Maschinen und viel Personal ein.
Der bulgarische Verband der Elektroindustrie, BASEL, zählt 1.250 aktive Unternehmen mit rund 57.000 Beschäftigten. Insgesamt gibt es noch Potenzial für einzelne Unternehmen, sowohl Kapazitäten als auch Effizienz zu steigern. So erwartet der Branchenverband BASEL, dass in den kommenden drei Jahren mindestens ein Drittel der Branchenunternehmen in Automatisierung und Robotik investieren wird, um Wettbewerbsfähigkeit und Wertschöpfung zu steigern. In Bulgarien und in den Nachbarländern liegt der Beitrag der Branche zur jeweiligen Bruttowertschöpfung leicht über 1 Prozent. Bulgarischen Unternehmen fällt es ohne ausländische Kapitalbeteiligungen schwer, sich zu modernisieren.
Unternehmen profitieren von weiterer EU-Integration
Die EU stimuliert Investitionen der bulgarischen Unternehmen in Robotik und Automatisierung. Sie stellt für das Jahr 2025 kleinen und mittelständischen Unternehmen Fördermittel in Höhe von 650 Millionen Euro für Digitalisierung und Prozessautomatisierung sowie für Investitionen in Cybersicherheit bereit. Das Geld verteilt die Organisation Management für finanzielle Instrumente in Bulgarien. Sie setzt diese EU-Programme für Unternehmen um.
Seit Anfang 2025 ist Bulgarien vollständig in den Schengenraum integriert, was die Bedingungen für internationale Lieferungen verbessert. Die Wartezeiten für Lkw an den Binnengrenzen werden dadurch erheblich verkürzt. Laut dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss spart die bulgarische Transportbranche durch die offenen Binnengrenzen bis zu 870 Millionen Euro an Transportkosten für Personen und Waren. Auch der gegenwärtig stattfindende Ausbau der Infrastruktur, der von der EU mit Förderprogrammen unterstützt wird, bietet Chancen. Geplant ist unter anderem, Verkehrswege und Stromtrassen in Richtung Rumänien auszubauen.
Hinweise zu Transport und Logistik:
Bulgarien entwickelt die Transportinfrastruktur. Die Stadt Ruse zum Beispiel, an der Grenze zu Rumänien, plant ein intermodales Terminal an der Donau. Ebenso entsteht in Vidin, im Dreiländereck mit Serbien und Rumänien, ein Industriepark mit intermodalem Terminal.
Weitere Informationen zu zollrechtlichen Regeln bietet unser Überblick zur Wareneinfuhr in die EU.
Unternehmen hoffen zudem, dass Bulgarien den Euro als Zahlungsmittel einführen wird. Das würde Kreditaufnahmen und Zahlungsvorgänge vereinfachen. Die Einführung des Euro hängt jedoch davon ab, ob die Inflation im Laufe des Jahres zurückgeht. Ende März 2025 lag die jährliche Inflationsrate bei 4 Prozent, was über der Zielmarke liegt, die Bulgarien gemäß den Vorgaben der Europäischen Zentralbank erreichen muss. Die Inflationsrate darf maximal 1,5 Prozent über jener der drei preisstabilsten Mitgliedstaaten des Vorjahres liegen. Dieser Zielwert lag zuletzt bei 2,57 Prozent.
Hinweise zur Geschäftspraxis:
- Zahlungen dauern oft mindestens 60 Tage.
- Geschäftsbeziehungen leben von persönlichen Netzwerken.
- Es lohnt sich, bulgarisches Personal zu engagieren, um Kontakte anzubahnen.
- Achtung, andere Körpersprache: Mit dem Kopf nicken, bedeutet "Nein", den Kopf schütteln bedeutet "Ja".
Bezeichnung | Anmerkung |
---|---|
AHK Bulgarien | Anlaufstelle für deutsche Unternehmen |
BASEL | Bulgarischer Branchenverband |
International Technical Fair, 24.-27. September 2025 | Internationale Fachmesse |
National Company Industrial Zones | Nationale Plattform für Industriegebiete |
InvestBulgaria Agency (IBA) | Investitionsförderagentur Bulgariens |