Für deutsche Unternehmen, die in Marokkos Energiewirtschaft Fuß fassen möchten, haben sich mehrere strategische Ansätze bewährt.
Eine grundlegende Form des Markteinstiegs für deutsche Energieunternehmen stellt die Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen dar, insbesondere im Wasserstoff-, Solar- und Windsektor. MASEN fungiert hier als zentraler Akteur.
Deutsche Unternehmen können sich darüber hinaus direkt an den international wettbewerbsorientierten Ausschreibungen beteiligen, um zum Beispiel Kraftwerke als unabhängige Stromerzeuger (IPP) zu errichten und zu betreiben.
Eine weitere effektive Strategie besteht darin, sich als Technologie- und Know-how-Partner zu positionieren. Deutsche Firmen genießen einen ausgezeichneten Ruf für Qualität und Effizienz und finden Geschäftschancen in der Lieferung von Hochtechnologie-Komponenten wie Windturbinen, Solarmodulen, Wechselrichtern, Steuerungstechnik, Parabolspiegeln oder Elektrolyseuren für die Wasserstoffproduktion. Ebenso gefragt sind Ingenieur-, Planungs- und Beratungsdienstleistungen, bei denen deutsche Unternehmen, etwa Fichtner, bereits stark vertreten sind.
Der Fokus auf den Wasserstoffsektor eröffnet weitere Chancen: Mithilfe der Initiative „Offre Maroc“ fördert die Regierung die Entwicklung einer grünen Wasserstoffwirtschaft, was Möglichkeiten für die gesamte Wertschöpfungskette schafft – von Projektentwicklern über Hersteller von Elektrolyseuren bis hin zu Spezialisten für die Produktion grünen Ammoniaks oder synthetischer Kraftstoffe.
Die jüngsten Reformen, insbesondere im Rahmen des Gesetzes 13-09, erleichtern den Marktzugang für private Stromerzeugungsprojekte erheblich. Deutsche Unternehmen können dadurch Projekte in Eigenregie entwickeln, um Strom direkt an industrielle Großkunden zu verkaufen, was besonders für energieintensive Industrien interessant ist, die ihre CO2-Emissionen reduzieren möchten.
Auch der Bereich Energieeffizienz bietet Wachstumspotenzial: Marokko strebt eine erhebliche Reduktion des Energieverbrauchs in Industrie, Verkehr und Gebäuden an. Das schafft Chancen für Anbieter von Energiemanagementsystemen, energieeffizienter Anlagentechnik, Gebäudedämmung und Smart-Grid-Lösungen. Da deutsche Produkte oft höhere Anschaffungskosten haben als Wettbewerbsangebote, ist es entscheidend, ihre Langlebigkeit, Zuverlässigkeit und geringeren Lebenszykluskosten (Total Cost of Ownership) hervorzuheben.
Regierung bietet Investitionsanreize
Die marokkanische Regierung fördert ausländische Investitionen durch verschiedene Anreize. Die neue Investitionscharta ermöglicht finanzielle Zuschüsse von bis zu 30 Prozent des Investitionsvolumens, abhängig von Kriterien wie Nachhaltigkeit, Schaffung von Arbeitsplätzen und Standort in Förderregionen. Projekte im Bereich erneuerbarer Energien können zusätzlich eine Prämie von bis zu 5 Prozent erhalten.
Im Rahmen des Programms „Offre Maroc“ stellt der Staat große, erschlossene Landflächen zur Verfügung, um die Produktion von grünem Wasserstoff und die dafür erforderlichen erneuerbaren Energien zu ermöglichen. Ausländische Investoren genießen grundsätzlich uneingeschränkten Zugang zum Energiesektor und können marokkanische Gesellschaften zu 100 Prozent besitzen, was maximale unternehmerische Freiheit sicherstellt.
Die jüngsten Gesetzesreformen, insbesondere das Gesetz 82-21, schaffen einen klaren Rechtsrahmen für die Eigenerzeugung von Strom und erlauben den Verkauf von bis zu 20 Prozent des überschüssigen Stroms an den staatlichen Versorger ONEE.
Einstiegshilfen, Netzwerke und Projektfrühinformationen
Für den erfolgreichen Markteintritt ist die Vernetzung mit den richtigen Akteuren vor Ort essenziell. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer in Marokko (AHK Marokko) in Casablanca unterstützt deutsche Unternehmen umfassend – von der Marktberatung über die Vermittlung von Geschäftskontakten bis zur Vermittlung von Rechtsberatungen sowie Geschäftspartnern. Die AHK organisiert zudem Wirtschaftsdelegationen und Fachkonferenzen. Germany Trade & Invest (GTAI) bietet detaillierte Marktanalysen, Branchenberichte sowie Informationen zu rechtlichen und zollrechtlichen Rahmenbedingungen und stellt damit eine wichtige Grundlage für die strategische Planung dar. Da AHK und GTAI in Casablanca eine Büronachbarschaft bilden, sind umfassende Paketlösungen aus Marktanalyse, Marktberatung und Geschäftspartnersuche möglich.
Zu den marokkanischen Schlüsselakteuren zählen MASEN, die für Großprojekte im Bereich Solar- und Windenergie sowie für die Wasserstoffinitiative „Offre Maroc“ unverzichtbar ist, ONEE als zentraler Partner für Netzanschluss, Netzkapazitäten und Stromabnahme, sowie AMEE, die Agentur für Energieeffizienz. Das Ministerium für Energiewende und nachhaltige Entwicklung (MTEDD) definiert die politischen und strategischen Rahmenbedingungen. Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) ist im Rahmen der Deutsch-Marokkanischen Energiepartnerschaft (PAREMA) gleichfalls aktiv und spielt eine zentrale Rolle im politischen und technologischen Dialog zwischen Marokko und Deutschland im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit.
Von Ullrich Umann
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Casablanca