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Politische Ziele
Marokko verfolgt eine ehrgeizige Energiestrategie, mit der das Land seine Energieversorgung und seinen Energieverbrauch grundlegend umgestaltet.
15.08.2025
Von Ullrich Umann | Casablanca
Die marokkanische Regierung verfolgt seit 2009 eine konsequente Energiestrategie, die auf zwei zentralen Säulen ruht: der Reduzierung der hohen Abhängigkeit von importierten fossilen Brennstoffen und der Positionierung des Landes als führende Nation im Bereich der erneuerbaren Energien. Da Marokko rund 90 Prozent seines Primärenergiebedarfs importiert, ist die Energiewende nicht nur eine klima-, sondern auch eine industriepolitische Notwendigkeit.
Das zentrale Ziel ist es, den Anteil erneuerbarer Energien an der installierten Stromerzeugungskapazität bis 2030 auf über 52 Prozent zu steigern. Dieses Ziel soll durch einen Mix aus Solar- (20 Prozent), Wind- (20 Prozent) und Wasserkraft (12 Prozent) erreicht werden. Ergänzt wird der Ausbau der Erzeugungskapazitäten durch ein ambitioniertes Energieeffizienzziel, das eine Senkung des Energieverbrauchs um 20 Prozent bis 2030 gegenüber dem Basisszenario aus dem Jahr 2016 (Verpflichtung aus dem Pariser Klimaschutzabkommen) vorsieht. Diese Maßnahmen betreffen Sektoren wie Industrie (-22 Prozent), Verkehr (-24 Prozent) und Gebäude (-14 Prozent) und sollen nicht nur den Energiebedarf reduzieren, sondern auch Arbeitsplätze schaffen.Investitionen zum Kapazitätsausbau
Um diese ambitionierten Ziele zu erreichen, hat Marokko ein Investitionsprogramm aufgelegt. Die Regierung plant, die Stromerzeugungskapazität von derzeit rund 12 Gigawatt auf 27 Gigawatt bis 2030 zu steigern, was einem Investitionsvolumen von 120 Milliarden Marokkanischen Dirham (MAD), umgerechnet etwa 13 Milliarden US-Dollar, entspricht. Ein wesentlicher Teil dieses Ausbaus, rund 80 Prozent, soll aus erneuerbaren Quellen stammen.
Aktuell wirbt die Regierung private Investitionen aus dem In- und Ausland ein. Eigens wurde mit der Reform der Investitionscharta im Jahr 2022 der anreizorientierte Rechtsrahmen aufgewertet. In begründeten Fällen wird privaten Investoren zur Risikoreduzierung das Eingehen öffentlich-privater Partnerschaften angeboten. Neben der Privatwirtschaft beteiligen sich auch bi- und multilaterale Entwicklungsbanken, darunter die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), an der Projektfinanzierung mit dem Ziel, die CO2-freie Energieversorgung auszubauen.
Marokko profitiert von den im weltweiten Vergleich niedrigen Gestehungskosten (LCOE) für Wind- und Solarenergie, was den Erneuerbaren einen klaren und unbestreitbaren wirtschaftlichen Vorteil verschafft. Die marokkanische Regierung nutzt diesen Sachverhalt für ihr umfassendes Investitionsprogramm, das bis 2030 zusätzliche 15 Gigawatt an erneuerbarer Kapazität schaffen soll.
Technologie | Marokko (LCOE-Spanne, geschätzt 2025) | Welt (IRENA-Durchschnitt) | Deutschland/EU (Durchschnitt jüngster Ausschreibungen) |
Onshore-Wind | 23 - 37 € | ~31 € | > 87 € |
Großtechnische Solar-PV | 28 - 46 € | ~40 € | 60 - 80 € |
Staatliche Institutionen wie das nationale Energieamt ONEE (Office National de l'Électricité et de l'Eau Potable) und die Agentur für nachhaltige Energie Masen (Moroccan Agency for Sustainable Energy) steuern und koordinieren diesen Ausbau. Das ursprüngliche Ziel, bis 2030 einen Anteil von 52 Prozent erneuerbarer Energien an der installierten Stromkapazität zu erreichen, gilt bereits als Untergrenze. Aktuelle Prognosen und Analysen deuten auf einen deutlich höheren Anteil von über 64 Prozent hin, was die Dynamik und den Erfolg der Strategie verdeutlicht.
Die bislang größte staatliche Initiative ist die Großausschreibung „Offre Maroc“ für grünen Wasserstoff. Das Königreich möchte sich dadurch als zukünftigen Schlüsselexporteur grüner Energie nach Europa positionieren und vergrößert gleichzeitig die Nachfrage nach erneuerbarem Strom, hochmodernen Elektrolyseuren und der zugehörigen Infrastruktur für Produktion, Transport und Speicherung grünen Wasserstoffs und Derivaten daraus. Die Auswahl internationaler Konsortien, darunter mit Nordex eine deutsche Teilhabe, für die erste Projektphase bestätigt das hohe Interesse am Mitaufbau einer Wasserstoffwirtschaft in Marokko.