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Die Papierindustrie modernisiert ihre Anlagen im Inland und baut zugleich neue Zellstofffabriken in Südostasien. Maschinen aus Deutschland sind stark nachgefragt.
24.08.2021
Von Roland Rohde | Hongkong
Die chinesische Papierindustrie hat das Coronajahr 2020 gut überstanden. Der Ausstoß von Papier und Pappe (ohne Zellstoffe) legte nach Angaben des nationalen Branchenverbandes gegenüber 2019 um 4,6 Prozent zu. Der einheimische Verbrauch stieg sogar um 10,5 Prozent. Zwar sanken die Umsätze der Branche gemäß Daten des nationalen Statistikamtes um 2,2 Prozent. Doch für das 1. Halbjahr 2021 ergab sich ein Plus von 18,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Die Hersteller profitierten einerseits von dem lebhaften Inlandskonsum. Zwischen Januar und Juli 2021 legten die Umsätze des gesamten Einzelhandels gemäß der Statistikbehörde um 20,7 Prozent zu. Weniger als die Hälfte des Wachstums war dabei auf den Basis- oder Nachholeffekt zurückzuführen. Mit anderen Worten: Das Vorkrisenniveau wurde deutlich übertroffen.
Andererseits gab es starken Rückenwind vonseiten des Außenhandelssektors, denn der Ende 2020 angesprungene Exportmotor läuft auf Hochtouren. Laut chinesischer Zollstatistik wuchsen die Ausfuhren der Volksrepublik in den ersten sechs Monaten 2021 um fast 39 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode. Damit wurde der Vorkrisenwert vom 1. Halbjahr 2019 um ganze 30 Prozent überschritten.
Entsprechend stark wächst die Nachfrage nach Verpackungen. Auch in bestimmten Konsumgüterbereichen floriert das Geschäft, so unter anderem in der Haushalts- und Hygienepapiersparte. Produzierende Unternehmen investieren daher verstärkt in neue Maschinen und Anlagen. Die entsprechenden Investitionen hatten 2019 einen Tiefpunkt erreicht und waren 2020 nur leicht gestiegen.
Der unangefochtene Marktführer – die an der Hongkonger Börse gelistete Gesellschaft Nine Dragons Paper – beauftragte etwa den deutschen Hersteller Voith mit dem Bau von drei Anlagen zur Herstellung von Verpackungsmaterialien. Darüber berichtete Ende Mai 2021 das deutsche Fachmagazin Fibers in Process (Nachhaltige Papierwirtschaft). Die geplanten täglichen Fertigungskapazitäten liegen bei jeweils 2.400 Tonnen. Die Inbetriebnahme ist für 2022 und 2023 anvisiert.
Insgesamt legten Chinas Importe von Papiermaschinen 2020 gemäß Daten des International Trade Centre (ITC) um 6,5 Prozent auf rund 450 Millionen US-Dollar (US$) zu. Damit erreichten sie gerade einmal etwas mehr als die Hälfte des Niveaus von 2018. Im Rekordjahr 2018 ließen staatliche Förderprogramme die Investitionen und Einfuhren in die Höhe schnellen. In den ersten sechs Monaten 2021 stiegen die Importe der Branchenmaschinen aber um stolze 57 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Bis zum Jahresende könnte sich ein Wert um die 600 Millionen US$ einstellen.
Deutschland ist für das Reich der Mitte vor Finnland traditionell der wichtigste Lieferant von Papiermaschinen. Im Jahr 2019 hatten die Einfuhren "made in Germany" mit 110 Millionen US$ einen vorläufigen Tiefpunkt erreicht. Sie stiegen 2020 aber um ein Drittel und legten im 1. Halbjahr 2021 um 12,2 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode zu.
Chinesische Firmen, die Papiermaschinen im Ausland kaufen wollen, stoßen zunehmend auf Schwierigkeiten. Bei zahlreichen Vorprodukten und Anlagegütern bestehen weltweit Engpässe. Zusätzlich ist die Logistikkette anfälliger geworden. Dadurch sind die Lieferzeiten und Preise deutlich angestiegen. So haben sich die Kosten für die Verschiffung eines Containers vervielfacht.
Außerdem gibt es Schwierigkeiten bei der Installation. Da Chinas Grenzen weitgehend dicht sind, kommen ausländische Ingenieure nicht mehr ins Land. Besserung ist kurzfristig nicht in Sicht und auch das Wiederaufflammen von Covid-19 in zahlreichen Landesteilen seit Juli 2021 dürfte die Sache verkomplizieren. Zahlreiche Flüge sowie Bus- und Zugverbindungen wurden im August 2021 gestrichen; an Frachthäfen kam es zu Containerstaus. Womöglich drohen erstmals seit über einem Jahr wieder Lockdowns.
Bedenklich ist, dass am neuen Infektionsgeschehen hauptsächlich die Delta-Variante beteiligt ist. Gegen sie schützen die ausschließlich verwendeten chinesischen Impfstoffe wohl nur bedingt. Trotz großer Impffortschritte bleibt die Lage damit unkalkulierbar. Greift das Reich der Mitte wieder zu drastischen Maßnahmen, könnte dies ernsthafte ökonomische Konsequenzen nach sich ziehen. Doch zumindest für die Papierindustrie dürften die Auswirkungen überschaubar bleiben.
Chinesische Papiermaschinenbauer drängen zunehmend auf Auslandsmärkte vor. Zwischen 2017 und 2020 legten ihre Ausfuhren gemäß ITC-Angaben um mehr als 50 Prozent auf 2,2 Milliarden US$ zu. Besonders dynamisch entwickelte sich das Geschäft mit Südostasien. So stiegen die entsprechenden Exporte an den Verband südostasiatischer Staaten (ASEAN) im vorliegenden Zeitraum um 120 Prozent auf eine Dreiviertelmilliarde US$.
Lieferungen von Papiermaschinen nach Vietnam und Malaysia stiegen zwischen 2017 und 2020 sogar fast um den Faktor drei auf eine halbe Milliarde US$. In beiden Ländern investieren Konzerne aus dem Reich der Mitte massiv in den Bau von Fabriken zur Herstellung von Pulpe aus Altpapier. Seit Beginn 2021 darf Altpapier nicht mehr nach China importiert werden, recycelter Zellstoff hingegen schon. Mit ihrem Engagement wollen Firmen das Verbot umgehen und den wachsenden ASEAN-Markt erschließen. Vorreiter ist auch hier das Unternehmen Nine Dragons Paper.
Bei einem Teil der Maschinenexporte dürfte es sich um gebrauchte Anlagen handeln, die aus chinesischen Fabriken abmontiert wurden und nun ein zweites Leben in Südostasien führen. Damit fahren die Papierkonzerne eine Art Doppelstrategie: Während sie in den ASEAN-Staaten vor allem mit älteren Betriebsmitteln produzieren, kommt in China überwiegend importierte Hightech zum Einsatz. Da der einheimische Markt sehr kompetitiv ist, fällt der Modernisierungsdruck entsprechend hoch aus.