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Branchen | China | Gaming

Gaming-Markt in China schrumpft erstmalig

Die Spielebranche leidet unter strengen gesetzlichen Auflagen und sinkender Nachfrage. Im 3. Quartal 2022 gingen die Umsätze sogar zweistellig zurück.

Von Roland Rohde | Bonn

Erstmalig sehen sich die erfolgsverwöhnten Spieleentwickler in China mit einem rückläufigen Geschäft konfrontiert. Im 1. Halbjahr 2022 sanken die Umsätze laut dem Gaming Industry Report um knapp 2 Prozent. Im 3. Quartal 2022 soll sich der Abwärtstrend sogar noch einmal deutlich beschleunigt haben. Nach Angaben der Hongkonger Tageszeitung South China Morning Post (SCMP), die sich auf das Marktforschungsunternehmen CNG beruft, sank der Branchenumsatz auf Jahresbasis um 19 Prozent. In der mobilen Sparte betrug das Minus sogar nahezu ein Viertel. 

Chinas Spieleindustrie war 2020 noch der große Krisengewinner. Da es landesweit zahlreiche Lockdowns gab, vertrieben sich die Menschen die Zeit zu Hause mit Computerspielen. Der Umsatz der Branche stieg nach Angaben des China Gaming Industry Reports, einer Veröffentlichung des Game Publishers Association Committee (GPC) und des China Game Industry Group Committee (CGIGC), um mehr als ein Fünftel gegenüber dem Vorjahr. Doch anschließend schwächte sich das Wachstum deutlich ab.

Gaming-Branche in China im Überblick

Indikator

Wert

Inlandsumsatz (2021, in Milliarden US$), davon

46,7

  mit einheimischen Spielen

40,3

  mit mobilen Spielen

35,5

Umsatzwachstum (1. Halbjahr 2022, nominal, in Prozent)1, 2

-1,8

Einheimische Nutzer (1. Halbjahr 2022, in Millionen), davon

665,7

  via mobile Geräte

654,9

Wachstum Spielenutzer (1. Halbjahr 2022, in Prozent)1

-0,1

Auslandsumsatz (2021, in Milliarden US$)

18,0

Auslandsumsatzwachstum (1. Halbjahr 2022, nominal in Prozent)1

6,2

1) Veränderung 1. Halbjahr 2022 gegenüber 1. Halbjahr 2021; 2) auf Basis der InlandswährungQuelle: CGIGC; GPC (China Gaming Industry Report)

Die Branche bekommt Gegenwind von zwei Seiten: von den Behörden und den Kunden. Die chinesische Regierung führte bereits vor einiger Zeit strengere Regeln zum Schutz von Jugendlichen ein, die sie im Sommer 2021 nochmals erheblich verschärfte. Wer unter 18 Jahre alt ist, darf von Montag bis Donnerstag gar nicht mehr spielen. Von Freitag bis Sonntag ist lediglich zwischen 20 und 21 Uhr ein einstündiges Gaming erlaubt. Viele Eltern befürworten und unterstützen diese Initiative. Allerdings gibt es zahlreiche Tricks, um die Vorschriften zu umgehen, sonst wäre die Branche wohl längst kollabiert.

Lizenzvergabe bleibt schwierig, Nachfrage lässt nach

Eine weitere Stellschraube vonseiten der Behörden ist es, die Anzahl der Spielelizenzen zu beschränken. Ohne Lizenz ist die Markteinführung legal nicht möglich. Zwischen Herbst 2021 und Frühjahr 2022 wurden acht Monate lang ohne konkrete Begründung vonseiten der Behörden gar keine neuen Spiele auf dem chinesischen Markt zugelassen. Zwar hat sich die Lage seitdem wieder deutlich gebessert. Gemäß der SCMP wurden von Juni bis September 2022 rund 270 Genehmigungen erteilt. Allerdings sei die Branche damit immer noch weit von den Zahlen aus der Zeit entfernt, als die Regierung den Sektor weniger streng regulierte.

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Zugleich wird die Krise durch die fehlende Nachfrage induziert. So zeigt sich der Markt seit Längerem zunehmend gesättigt. Im Prinzip habe man alle potenziellen Nutzer erreicht, so die Einschätzung von Branchenkennern. Die Anzahl der Spieler wächst seit 2019 kaum noch. Zwischen Januar und Juni 2022 ging sie sogar ganz leicht zurück. Auch das ist neu in der Gaming-Industrie. Zudem sei laut Angaben der SCMP die durchschnittliche Zeit, die Nutzer täglich spielen, zurückgegangen. Das hat vor allem etwas mit der ungünstigeren wirtschaftlichen Situation in China zu tun. Das Land leidet stark unter den Folgen der Null-Covid-Politik.

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Den Menschen sitzt das Geld nicht mehr so locker in der Tasche und der Inlandskonsum schwächelt. Der Einzelhandelsumsatz ist in den ersten drei Quartalen 2022 nach Angaben des nationalen Statistikamtes nur um knapp 1 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gewachsen. Vor der Coronapandemie waren 8 Prozent jährlich die Norm. Für die Spieleindustrie kommt erschwerend hinzu, dass die Arbeitslosigkeit in der Altersgruppe der unter 25-Jährigen, der Hauptkundengruppe, kräftig gestiegen ist. Die Quote der Arbeitslosen bei jungen Wanderarbeitern (16 bis 24 Jahre) lag laut offiziellen Angaben im 3. Quartal 2022 bei 18 Prozent.

Mobile Sparte schwächelt

Die meisten Nutzer verwenden vorzugsweise ihr Smartphone zum Spielen. Zudem spielen sie gern unterwegs, insbesondere beim täglichen Pendeln zur Arbeit oder Universität. Die mobile Sparte wuchs bis 2021 stets deutlich schneller als die Gesamtbranche. Doch das ändert sich nun, wie aktuelle Daten zeigen. Ob es sich um einen dauerhaften Trend handelt, lässt sich allerdings noch nicht sagen. Insgesamt kommt die Online-Sparte gemessen am Umsatz der Gesamtbranche im 1. Halbjahr 2022 auf einen Marktanteil von drei Vierteln.

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Der chinesische Konzern Tencent ist der mit Abstand größte Spieleanbieter in China. Infolge der Marktschwäche musste das Unternehmen im 2. Quartal 2022 erstmals seit Bestehen einen Rückgang seiner Einnahmen um 3 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode verkünden. Der Gewinn ist sogar um 18 Prozent geschrumpft. In seinem Quartalsbericht begründet der Konzern die Entwicklung mit weniger Markteinführungen, mit strengen gesetzlichen Auflagen und geringeren Ausgaben der Kunden.

Einheimische und Massen-Mehrspieler-Strategiespiele beliebt

Insgesamt dominieren in China einheimische Spieleentwickler. Gemessen am Umsatz im 1. Halbjahr 2022 kamen sie auf einen Marktanteil von 84 Prozent. Zunehmend stoßen chinesische Anbieter auch auf ausländische Märkte vor. So erzielten sie dort 2021 einen Umsatz von rund 18 Milliarden US-Dollar (US$). Wuchs das Geschäft bis 2021 jährlich noch zweistellig, sank das Plus im 1. Halbjahr 2022 mit 6 Prozent erstmalig in den einstelligen Bereich. Tencent verweist in seinem Bericht für das 2. Quartal 2022 darauf, dass internationale Konsumenten nach dem Abflauen der Coronapandemie wieder verstärkt Aktivitäten offline unternehmen.

Klassische "Ballerspiele" sind in der Volksrepublik kaum noch gefragt beziehungsweise kommen gar nicht mehr auf den Markt, da Behörden die Zulassung verweigern. Stattdessen haben Massen-Mehrspieler-Rollenspiele enorm an Zustimmung gewonnen und sind der mit Abstand größte Umsatztreiber. Doch auch Karten- und Brettspiele erfreuen sich immer noch einer relativ großen Beliebtheit.

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