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Special | China | LkSG | Umsetzungshilfe Risikoanalyse

Missachtung der Koalitionsfreiheit, Vereinigungsfreiheit und Recht auf Kollektivverhandlungen

Der Länderbericht Umsetzungshilfe Risikoanalyse China unterstützt bei der Ermittlung und Vermeidung menschenrechtlicher Risiken gemäß dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz.

(Vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 6 LkSG)

Kurzbeschreibung: Koalitionsfreiheit umfasst das Recht von Arbeitnehmern, sich frei zu Gewerkschaften zusammenschließen zu dürfen. Koalitionsfreiheit umfasst zudem in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht des Beschäftigtenortes das Recht von Gewerkschaften, sich zu betätigen, was ein Streikrecht und ein Recht auf Kollektivverhandlungen beinhaltet.

Gesetzliche Grundlagen 

China ist Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organization; ILO), hat aber die hier relevanten Kernübereinkommen über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechtes (ILO-Übereinkommen Nr. 87) sowie über die Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechtes und des Rechtes zur Kollektivverhandlungen (ILO-Übereinkommen Nr. 98) nicht ratifiziert. Informationen zu Mitgliedschaften in internationalen Abkommen sind in der Datenbank NORMLEX (Information System on International Labour Standards) der ILO verfügbar: Ratifications by country.

China hat verschiedene Gesetze erlassen, die das Recht zur Bildung von Arbeitnehmerinteressenvereinigungen mittels einer Gewerkschaft gewähren, unter anderem ist dies in der chinesischen Verfassung (中华人民共和国宪法 chinesische Fassung von 2018) und im Arbeitsgesetz (中华人民共和国劳动法 chinesische Fassung von 2018) verankert. Gemäß Art. 7 haben Arbeitnehmer das Recht, Gewerkschaften beizutreten und sich in ihnen zu organisieren. Die Gewerkschaften haben die legitimen Rechte und Interessen der Werktätigen zu vertreten und zu schützen und ihre Tätigkeit in Übereinstimmung mit dem Gesetz unabhängig auszuüben.

Das Streikrecht wurde 1982 aus der Verfassung der Volksrepublik China gestrichen, es besteht jedoch kein grundsätzliches gesetzliches Verbot für Streiks. Beispielsweise erfordert das Arbeitsgesetz, dass ein Arbeitskampf nur nach dem Scheitern von Mediationsverfahren und unter bestimmten Bedingungen stattfinden darf. Die ACFTU und die Regierung versuchen regelmäßig, Arbeitskämpfe schnell zu beenden, indem sie die Arbeiter dazu auffordern, ihre Forderungen zurückzuziehen. Den Daten der Streikkarte des China Labour Bulletin, einer in Hongkong ansässigen NGO zu Arbeitnehmerrechten in China, zufolge kommt es in etwa 5 Prozent der Fälle zu Verhaftungen. In den Jahren 2020 bis 2022 wurden jeweils 804, 1094 und 829 Streiks registriert. Nach einer Auswertung der Bundeszentrale für politische Bildung beziehen sich knapp 20 Prozent der Demonstrationen in China auf Arbeitsthemen, über 50 Prozent auf Belange hinsichtlich Immobilien/Wohnungen. Über 80 Prozent der sich auf Arbeit beziehenden Demonstrationen haben ausstehende Lohnzahlungen zum Grund. Informationen zu einschlägigen nationalen Policies und zum anwendbaren nationalen Recht sind in der Datenbank NATLEX (Database on national labour, social security and related human rights legislation) der ILO verfügbar: Browse by country.

Weiterführende Informationen zu Definition und rechtlichen Instrumenten bezüglich Vereinigungsfreiheit bietet der Praxislotse Wirtschaft & Menschenrechte.

Risiken

China belegt nach dem Global Rights Index 2023 vom Internationalen Globalen Gewerkschaftsbund (IGB), der jährlich die relevanten Rahmenbedingungen zur Respektierung kollektiver Arbeitnehmerrechte durch das jeweilige Land bewertet, das Rating 5 (1 bis 5+). Dies bedeutet Rechte sind nicht garantiert.

Arbeiter, die versuchen, unabhängige Arbeitnehmerinteressenvertretungen zu bilden oder sich einer bereits bestehenden unabhängigen anzuschließen, können mit harten Sanktionen wie Entlassung, und Verhaftung konfrontiert sein. Zudem gibt es Berichte über Überwachung, Einschüchterung und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Aktivisten. Jeder Versuch, eine unabhängige Gewerkschaft zu gründen, kann von der Kommunistischen Partei als politische Bedrohung angesehen und entsprechend geahndet werden. Der allgemeine Trend geht dahin, den Zugriff der Kommunistischen Partei auf betriebliche pro-forma Beteiligungsstrukturen weiter zu stärken.

Das Recht chinesischer Arbeitnehmer auf Vereinigungsfreiheit wird in der Praxis stark eingeschränkt. Obwohl das Recht auf Gewerkschaftsbildung besteht, ist die 1925 etablierte All-China Federation of Trade Unions (ACFTU) www.acftu.org mit 305 Millionen Mitgliedern die einzige offizielle Arbeitnehmerorganisation des Landes. Nach Einschätzung der International Trade Union Confederation ist die ACFTU keine unabhängige Gewerkschaft. Im Vergleich zum Ministry of Human Resources and Social Security (MOHRSS) verfügt die ACFTU über eingeschränkte Machtbefugnisse innerhalb der Organisationen der Kommunistischen Partei und kann als Instrument zur Kontrolle der Arbeitnehmer anstatt deren Interessenvertretung betrachtet werden. Es bestehen signifikante Unterschiede zwischen gesetzlichem Auftrag und tatsächlichem Einfluss der Gewerkschaftsvertretungen, diese sind mit sehr wenigen Ausnahmen kein Akteur mit Blick auf die Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen. Zu beachten ist, dass die Beschäftigten selber als Vertreter eigener Interessen oder als Ansprechpartner für Unternehmen ausfallen.

Nach chinesischem Recht gilt: Gibt es mehr als 25 Gewerkschaftsmitglieder in einem Unternehmen, sollte dieses eine eigene Gewerkschaftsvertretung etablieren, die bei der ACFTU zu registrieren ist. Andernfalls übernimmt dies die ACFTU unmittelbar. Die Unternehmensführung darf diese Gründung nicht verhindern. Generell erfüllen Gewerkschaftsvertretungen in China vor allem soziale Funktionen; ein tarifpolitischer Akteur sind sie nicht. Allerdings schlagen sie mit 2 Prozent der Gesamtlohnsumme zu Buche. Dies verpflichtet den Betrieb, 2 Prozent der gesamten vom Arbeitgeber entrichteten Lohnsumme (Lohnkosten vor Steuern einschließlich Arbeitgeberanteil der Lohnnebenkosten) an die ACFTU zu überweisen.

Im Juli 2021 veröffentlichte die ACFTU zusammen mit anderen Regierungsstellen eine Reihe von  Leitlinien zum Schutz der Arbeitsschutzrechte und -interessen von Beschäftigten in "neuen Beschäftigungsformen"( 关于维护新就业形态劳动者劳动保障权益的指导意见 chinesische Fassung von 2021).  Trotz ihrer großen Zahl und der teilweise relativ schlechten Arbeitsbedingungen wurden in Techfirmen in der Regel keine Gewerkschaftseinheiten der ACFTU gründet, wie dies in der Vergangenheit für Arbeitnehmer in traditionellen Branchen wie dem Baugewerbe und der verarbeitenden Industrie erfolgte.

Risiken bestehen insbesondere in der Bauindustrie wo in hohem Maße Wanderarbeiter eingesetzt werden, die aufgrund temporärer Beschäftigungsverhältnisse in überdurchschnittlich ungünstigen Verhandlungspositionen gegenüber ihrem Arbeitgeber stehen. Insbesondere während der pandemiebedingten Einschränkungen für die Gesamtbevölkerung wie Lockdowns hat die Anzahl von Zustellfahrern zugenommen. Sie gehören mittlerweile zu den am stärksten gefährdeten Arbeitnehmern in der Volksrepublik mit gleichzeitig nur subsidiären und zumeist temporären Arbeitsverhältnissen. Aufgrund der Zeitverträge ist es für diese beiden Beschäftigungsgruppen noch schwieriger sich innerhalb der von der ACFTU gegebenen Möglichkeiten zu organisieren. Als Zulieferer für die Lieferkette deutscher Unternehmen sind die Bauindustrie und Zustellfahrer von untergeordneter Relevanz.

Das China Labour Bulletin bietet eine für eine bessere Einschätzung von Risiken eine Übersicht aktueller Situationen wie zum Beispiel eine Streikkarte (Strike Map) in China. Des weiteren bietet sich das China Labour Bulletin als Ansprechpartner zum Austausch mit Arbeitnehmerinteressenorganisationen in China an.

Das Verbot der Missachtung der Koalitionsfreiheit ist in vielen Wirtschaftsbereichen zu finden. Unternehmen können auf den CSR Risiko-Check des Helpdesk Wirtschaft und Menschenrechte zurückgreifen.

Präventions- und Abhilfemaßnahmen

Die Deutsche Auslandshandelskammer in China (AHK) unterstützt deutsche Unternehmen den Anforderungen des LkSG vor Ort nachkommen zu können. Diese beinhalten den AHK Background Check mit grundlegenden Informationen zu in China registrierten Unternehmen, Website: Market Entry & Expansion (ahk.de). Darüber hinaus bietet die AHK eine Vorlage für einen Verhaltenskodex nach dem Prinzip des Ehrbaren Kaufmanns. Dieses historisch gewachsene Leitbild für ein ausgeprägtes Verantwortungsbewußtsein für das eigene Unternehmen, für die Gesellschaft und für die Umwelt und erstreckt sich über das eigene Unternehmen hinaus auf die gesamte Lieferkette.

Amfori BSCI (Business Social Compliance Initiative) bietet ein Protokoll an, welches die wesentlichen Fragmente dieser Berichtsvorlage umfasst. Der Code of Conduct Guide für das System der BSCI wird neben Englisch unter anderem auf Chinesisch zu Verfügung gestellt. Ausgehend von dem BSCI-Protokoll können Due Dilligence Dienstleister Audits durchführen, dieses Angebot bieten in China zum Beispiel TÜV und QIMA an. Das China Labour Bulletin stellt eine Übersicht aktueller Situationen zur Risikoeinschätzung zur Verfügung und kann als Ansprechpartner zum Austausch mit Arbeitnehmerinteressenorganisationen in China dienen.

Auf internationaler Ebene bietet sich die Zusammenarbeit mit der ILO, dem Internationalen Gewerkschaftsbund und der IndustriALL Global Union an. Diese Organisationen bieten Leitfäden zur Umsetzung an und sind Ansprechpartner um Verstöße aufzunehmen und zu adressieren.

Aufgrund der Ratifizierung Chinas von 28 ILO-Konventionen kann die ACFTU als offizieller Ansprechpartner in Betracht kommen. Für deutsche Organisationen bietet sich als Ansatz an, im Austausch mit der ACFTU die gesetzlichen Rahmenbedingungen der ILO, der EU und der nationalen Ebene zu erläutern. Dabei können Aspekte aufgenommen werden, um diese in China im Interesse der Arbeitnehmer umzusetzen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass insbesondere auf unterer Verwaltungsebene keine (detaillierten) Kenntnisse der Anforderungen an ILO-Übereinkommen oder an deutsche Abnehmer in China produzierter Waren bestehen. Mit Informationen, wie eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen erfolgen kann, können Vertretungen der ACFTU auf lokaler Ebene als Ansprechpartner gewonnen werden.

In China bestehen staatliche Vorgaben mit einer Quote zur Einrichtung von Gewerkschaftseinheiten in Betrieben. Die Umsetzung wird von Provinzebene auf Gemeindeebene delegiert und auf Ortsebene umgesetzt. Dabei richten sich die ACFTU-Büros auf Ortsebene an Unternehmen, damit diese Gewerkschaftseinheiten etablieren und legen den Betrieben Vorlagen und Formate zur Umsetzung vor. Die Umsetzung erfolgt durch den Arbeitgeber. Bei dieser Umsetzung können deutsche Unternehmen ihren lokalen Zulieferer unterstützen, denn diesem stehen im Rahmen der ACFTU-Vorgaben Spielräume vor, zum Beispiel bei der Ernennung der Arbeitnehmervertreter. Auch bei bereits existierenden Gewerkschaftseinheiten können Unternehmen Unterstützung anbieten, wie Compliance-Bestimmungen umgesetzt werden können. Nach Einschätzung von CSR-Dienstleistern ist dies ein Prozess mit einem Zeitraum von drei bis fünf Jahren um Fortschritte zugunsten der Arbeitnehmer zu erzielen.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Einhaltung dieser Maßnahmen allein nicht ausreicht, um die Koalitionsfreiheit von Arbeitnehmern in China zu schützen. Der Einfluss zur Durchsetzung von Arbeitsrechten und Standards von Arbeitnehmern ist abhängig von ihrer Verhandlungsposition. Diese wird insbesondere bei einfachen Beschäftigungsverhältnissen durch kollektive Verhandlungen eingebracht und gestärkt, in der Regel durch Gewerkschaften und Betriebsräte. In China besteht keine Freiheit zur Gründung von Gewerkschaften und Arbeitnehmervereinigungen. Daher ist zur Umsetzung die Zusammenarbeit auf allen Ebenen mit offiziellen Organisationen erforderlich, um die Verhandlungspositionen zu stärken. Die chinesische Regierung hat in der Vergangenheit gewerkschaftliche Aktivitäten eingeschränkt und unterdrückt. Die Strukturen einer Interessenvertretung von Arbeitnehmern sind typischerweise nicht in der Lage, autonom eine Agenda zu setzen und für deren Umsetzung Konflikte einzugehen und auszuhalten.  

Das Freedom of Association Committee (Ausschuss für Vereinigungsfreiheit) überprüft gesondert Verstöße gegen das Recht auf Vereinigungsfreiheit und Kollektivverhandlungen. Informationen über ILO-Verfahren der Normenkontrolle sind frei verfügbar. Weiterführende Informationen zu Präventions- und Abhilfemaßnahmen hinsichtlich des Verbots der Missachtung der Koalitionsfreiheit können über den Praxislotsen Wirtschaft & Menschenrechte unter Vereinigungsfreiheit im Sorgfaltsprozess adressieren eingesehen werden.

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