Special | China | LkSG | Umsetzungshilfe Risikoanalyse
Missachtung von Arbeitsschutz und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren
Der Länderbericht Umsetzungshilfe Risikoanalyse China unterstützt bei der Ermittlung und Vermeidung menschenrechtlicher Risiken gemäß dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz.
15.09.2023
(Vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 5 LkSG)
Kurzbeschreibung: Maßgeblich ist das Recht des Beschäftigtenortes. Verstöße gegen das national anwendbare Arbeitsschutzrecht sind verboten, wenn dadurch die Gefahr von Unfällen bei der Arbeit oder arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren entstehen. Dies kann durch ungenügende Sicherheitsstandards, Fehlen geeigneter Schutzmaßnahmen und ungenügende Ausbildung und Unterweisung verursacht werden.
Gesetzliche Grundlagen
China ist Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organization; ILO) und hat sieben von zehn Kernübereinkommen ratifiziert. Dazu gehört das hier relevante Übereinkommen über Arbeitsschutz und Arbeitsumwelt (ILO-Übereinkommen Nr. 155). Das Kernübereinkommen über den Förderungsrahmen für den Arbeitsschutz (ILO-Übereinkommen Nr. 187) hat China nicht ratifiziert (Stand: Juli 2023), allerdings das Übereinkommen über den Arbeitsschutz im Bauwesen (ILO-Übereinkommen Nr. 167). Informationen zu Mitgliedschaften in internationalen Abkommen sind in der Datenbank NORMLEX (Information System on International Labour Standards) der ILO verfügbar: Ratifications by country.
Im Bereich des Arbeitsschutzes verfügt China über eine Vielzahl nationaler und lokaler Regelungen. Je nach Branche können Sondervorschriften gelten. Eine wesentliche Rechtsgrundlage ist das branchenübergreifende „Law on the Prevention and Control of Occupational Diseases“ (中华人民共和国职业病防治法 chinesische Fassung von 2018). Dieses Gesetz umfasst 88 Artikel (Art.) und dient insbesondere dem Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer. Es gilt für Tätigkeiten zur Vorbeugung und Bekämpfung von Berufskrankheiten. Darunter versteht das Gesetz solche Krankheiten, die dadurch entstehen, dass Mitarbeiter von Unternehmen, öffentlichen Einrichtungen, Wirtschaftsorganisationen und anderen Arbeitgebern während ihrer beruflichen Tätigkeit Staub, radioaktiven Stoffen sowie anderen giftigen und schädlichen Einflüssen ausgesetzt sind.
Gemäß Art. 4 des Gesetzes haben Arbeitnehmer ein Recht auf Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz. Art. 39 des Gesetzes zählt einzelne Arbeitsschutzrechte auf, die der Arbeitgeber zu gewährleisten hat. Arbeitgeber sind verpflichtet, ein Arbeitsumfeld und solche Bedingungen für die Arbeitnehmer zu schaffen, die den nationalen arbeitsmedizinischen Standards und Gesundheitsanforderungen entsprechen, und haben Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die Arbeitnehmer arbeitsmedizinischen Schutz erhalten. Arbeitgeber haben unter anderem ein Verantwortlichkeitssystem zur Prävention und Kontrolle von arbeitsbedingten Krankheiten einzurichten und die Verantwortung für entstehende Berufskrankheiten zu übernehmen.
Das Gesetz schreibt die Beteiligung des Arbeitgebers an einer Arbeitsunfallversicherung vor. Es gibt ferner vor, welche arbeitsmedizinischen Anforderungen der Arbeitsplatz zu erfüllen hat: So sind etwa sanitäre Einrichtungen sowie Ruheräume für Schwangere vorzusehen und die Geräte müssen den Anforderungen zum Schutz der körperlichen und geistigen Gesundheit der Beschäftigten entsprechen. Arbeitgeber müssen nach Art. 20 des Gesetzes bestimmte dort genannte Maßnahmen treffen; dazu zählen die Einrichtung eines betrieblichen Gesundheitsmanagements sowie eines Bewertungssystems für Risikofaktoren oder die Erstellung von Rettungsplänen.
Arbeitgeber müssen ihre Angestellten mit persönlicher Schutzausrüstung ausstatten, Tafeln mit Regeln und Rettungsmaßnahmen gut sichtbar aufstellen und bestimmte Warnhinweise in chinesischer Sprache für gefährliche Tätigkeiten an auffälligen Stellen anbringen. Gefährliche Arbeitsplätze sind unter anderem mit Alarmvorrichtungen, Erste-Hilfe-Ausrüstung und Gefahrenabwehrbereichen auszustatten. Regelmäßig müssen Inspektionen durchgeführt und dokumentiert werden. Muss am Arbeitsplatz mit Chemikalien oder radioaktiven Stoffe gearbeitet werden, sind chinesischsprachige Anleitungen obligatorisch. Schwangere oder minderjährige Mitarbeiter dürfen für bestimmte schädliche Arbeiten nicht eingesetzt werden.
Beim Abschluss des Arbeitsvertrages muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer wahrheitsgemäß über die möglichen Gefahren und Schutzmaßnahmen etc. informieren. Arbeitgeber müssen zudem insbesondere für arbeitsmedizinische Schulungen sorgen. Jede Einheit oder Einzelperson hat das Recht, Gesetzesverstöße zu melden. Haftungsbestimmungen sind in Art. 69 ff. des Gesetzes zu finden. Mögliche Sanktionen bei Verstößen gegen das Gesetz reichen zum Beispiel bei Bauvorhaben von Verwarnungen über Bußgelder bis zum Baustopp. Gegebenenfalls werden Zuwiderhandlungen auch strafrechtlich verfolgt.
Das „Workplace Safety Law“ (oder auch „Production Safety Law“) aus dem Jahr 2002 wurde zuletzt mit Wirkung ab 1. September 2021 verschärft (中华人民共和国安全生产法 Arbeitssicherheitsgesetz; auf Chinesisch, englische Übersetzung in der Fassung von 2021). Das Gesetz bezweckt unter anderem die Stärkung der Produktionssicherheit und die Prävention von Unfällen in der Produktion. Mitarbeitende in Produktionsbetrieben haben danach ein Recht auf Garantien für die Sicherheit der Produktion.
Für Betriebe in Hochrisikobranchen ist auch eine auf die Produktionssicherheit bezogene Haftpflichtversicherung verpflichtend. Die meisten Verstöße gegen das Gesetz werden nun stärker sanktioniert: So können besonders schwerwiegende Umstände und Auswirkungen Bußgelder in Höhe von bis zu 100 Millionen Renminbi Yuan (RMB; entspricht circa 13 Millionen Euro) zur Folge haben (dazu Art. 114 des Gesetzes). Zuvor lag der gesetzliche Höchstbetrag bei 20 Millionen RMB.
Im chinesischen Arbeitsrecht bilden ferner das Arbeitsvertragsgesetz und das Arbeitsgesetz (中华人民共和国劳动法 chinesische Fassung von Dezember 2018) wichtige Rechtsgrundlagen. Das Arbeitsgesetz enthält im 6. Kapitel Vorschriften zur Arbeitssicherheit, etwa die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Einrichtung eines Arbeitssicherheitssystems und zur Umsetzung der Arbeitsschutzvorschriften, zum Angebot arbeitsschutzbezogener Schulungen sowie zur Bereitstellung notwendiger Schutzausstattung. Die gesetzliche Regelarbeitszeit beträgt acht Stunden pro Tag und im Durchschnitt nicht mehr als 44 Stunden in der Woche. Es soll pro Woche mindestens einen freien Tag geben. Pausen werden im Arbeitsvertrag geregelt. Informationen zu einschlägigen nationalen Policies und zum anwendbaren nationalen Recht sind in der Datenbank NATLEX (Database on national labour, social security and related human rights legislation) der ILO verfügbar: Browse by country.
Weiterführende Informationen zu Definition und rechtlichen Instrumenten bezüglich Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz bietet der Praxislotse Wirtschaft & Menschenrechte.
Risiken
Arbeitsunfälle sind häufig auf unzureichende Sicherheitsausrüstung, Ausbildung oder Überwachung zurückzuführen. Es gibt auch eine relativ hohe Zahl von Unfällen, die durch illegale Lagerung von Chemikalien oder anderen gefährlichen Stoffen oder durch unzureichende Bereichsteilung von Industrieanlagen, Lagerhäusern usw. verursacht werden. Verbesserungspotenzial besteht insbesondere in der Prävention. Aufgrund eingeschränkter Transparenz und häufig unkonkreten offiziellen Zahlen zu Arbeitsunfällen oder Todesfällen sind wichtige Details über die Art der Gefahren am Arbeitsplatz, die am stärksten gefährdeten Branchen und die häufigsten Todes- und Verletzungsursachen nur schwierig zu bewerten. Dadurch reduziert sich die Wahrnehmung der Öffentlichkeit, das tatsächliche Ausmaß und die Problembereiche der Arbeitssicherheit in China zu verstehen und zu beurteilen.
Die Gesamtsituation hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten verbessert, aber strukturelle Probleme bleiben bestehen. Traditionelle Hochrisikoindustrien sind die Schwerindustrie, wie zum Beispiel die Kohle- und Stahlindustrie sowie die Bauindustrie. Mit circa einem Drittel der Arbeitsunfälle sind die gefährlichsten Arbeitsplätze in Chinas schlecht regulierter Bauindustrie zu finden. Zu beachten ist, dass deutsche Unternehmen, die Hochtechnologie im Hoch- und Tiefbau einbringen, bei schweren Arbeitsunfällen von umfangreichen Untersuchungen der zuständigen Behörden und Strafmaßnahmen berichten. Im Zeitraum von 2012 bis 2021 hat sich nach Angaben des Ministry for Emergency Management die Anzahl der Arbeitsunfälle halbiert und die Anzahl der tödlichen Arbeitsunfälle ist um 45,9 Prozent zurückgegangen.
Die Verletzung von Arbeitszeitverstößen ist in Sozialaudits der am häufigsten festgestellte Verstoß gegen gesetzliche und vertragliche Vereinbarungen. Durch Überstunden kann sich das Risiko von Verletzungen am Arbeitsplatz deutlich erhöhen.
Für deutsche Firmen von geringer Relevanz ist eine Verlagerung hin zu immer mehr Unfällen im Dienstleistungssektor und in der Plattformwirtschaft. Dies betrifft insbesondere Verkehrsunfälle von Lieferdienstfahrern der großen Plattformunternehmen. Viele der Lieferdienstfahrer sind in subsidiären Beschäftigungsverhältnissen angestellt bei denen eine Gewerkschaftsvertretung von Arbeitnehmern nicht von den lokalen Behörden umgesetzt wird.
Die chinesische Regierung hat in den letzten Jahren Maßnahmen ergriffen, um die Arbeitssicherheit zu verbessern. Dazu gehören die Verabschiedung von Arbeitsgesetzen und -verordnungen, die Erhöhung der Strafen für Verstöße gegen Arbeitsvorschriften und die Bereitstellung von Schulungen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Die Regierung hat auch Arbeitsinspektoren eingesetzt, um die Einhaltung von Sicherheitsvorschriften zu überwachen. Jedoch liegt der Fokus weniger auf Prävention als auf Strafverfolgung. Die administrative Überwachung und Durchsetzung liegt bei den lokalen Regierungen, die dem Ministerium für Notfallmanagement (Ministry of Emergency Management; MEM) unterstellt sind.
Die Kommunalverwaltungen gelten als unterfinanziert, unterqualifiziert und unterbesetzt und verfügen nur über wenig Anreize, routinemäßige Arbeitsplatzinspektionen durchzuführen. Ein Schwerpunkt liegt darauf umfangreiche Berichte über Arbeitsunfälle zu verfassen, die sich in ihrem Zuständigkeitsbereich bereits ereignet haben. Wenn Maßnahmen ergriffen werden, dann häufig erst nach Abschluss des Vorfalls, diese können harte Maßnahmen zur Bestrafung der verantwortlichen Personen beinhalten. Bei der Ermittlung durch Beamte besteht das Risiko der Vorteilsgewährung zur Einstellung des Verfahrens, insbesondere in der Bauindustrie.
In dem Corporate Social Credit System sind Maßnahmen zum Arbeitsschutz nicht aufgeführt, entsprechend bestehen für Unternehmen weniger Anreize zur Umsetzung. In der Praxis kann ein wesentlicher Unterschied zwischen den rechtlichen Grundlagen und deren tatsächlicher Anwendungen bestehen. Gewerkschaftseinheiten gelten in der Gestaltung und Überwachung der Arbeitsbedingungen nicht als relevanter Akteur.
Das China Labour Bulletin bietet eine für eine bessere Einschätzung von Risiken eine Übersicht aktueller Situationen wie zum Beispiel eine Übersicht von Arbeitsunfällen vor Ort (Accident Map) in China. Des Weiteren bietet sich das China Labour Bulletin als Ansprechpartner zum Austausch mit Arbeitnehmerinteressenorganisationen in China an.
Um mögliche Risiken bei der Missachtung von Arbeitsschutz und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren von China zu ermitteln, können Unternehmen auf den CSR Risiko-Check zurückgreifen.
Präventions- und Abhilfemaßnahmen
Die Deutsche Auslandshandelskammer in China (AHK) unterstützt deutsche Unternehmen den Anforderungen des LkSG vor Ort nachkommen zu können. Diese beinhalten den AHK Background Check mit grundlegenden Informationen zu in China registrierten Unternehmen, Website: Market Entry & Expansion (ahk.de). Darüber hinaus bietet die AHK eine Vorlage für einen Verhaltenskodex nach dem Prinzip des Ehrbaren Kaufmanns. Dieses historisch gewachsene Leitbild für ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein für das eigene Unternehmen, für die Gesellschaft und für die Umwelt und erstreckt sich über das eigene Unternehmen hinaus auf die gesamte Lieferkette.
Amfori BSCI (Business Social Compliance Initiative) bietet ein Protokoll an, welches die in dieser Publikation aufgeführten Verbotstatbestände § 2 Abs. 2 Nr. 1-8 LkSG auch umfasst. Der Code of Conduct Guide für das System der BSCI wird neben Englisch unter anderem auf Chinesisch zur Verfügung gestellt. Ausgehend von dem BSCI-Protokoll können Due-Diligence-Dienstleister Audits durchführen. Dieses Angebot bietet in China zum Beispiel TÜV und QIMA an. Das China Labour Bulletin stellt eine Übersicht aktueller Situationen zur Risikoeinschätzung zur Verfügung und kann als Ansprechpartner zum Austausch mit Arbeitnehmerinteressenorganisationen in China dienen.
Deutsche Unternehmen können in Zusammenarbeit mit ihren lokalen Geschäftspartnern grundlegende Kenntnisse von internationalen Sicherheitsrichtlinien einbringen. Dies können sie in Zusammenarbeit mit lokalen Behörden und Arbeitnehmervertretungen erreichen und Geschäftspartner darauf hinweisen, dass nationale Standards einzuhalten sind, wie das Arbeitssicherheitsgesetz. Um die mangelnde Prävention durch die Behörden auszugleichen, sollen Arbeitgeber darauf achten, dass Schulungen für Arbeitnehmer, ausreichende Sicherheitsausrüstung und -maßnahmen sowie Überwachung und Durchsetzung von Sicherheitsvorschriften erfolgen. Durch einen Maßnahmenkatalog kann dies auch bei Zulieferern zur Umsetzung eingebracht werden.
Der Vision Zero Fund ist eine Multi-Stakeholder-Plattform, die gemeinsam mit Experten Trainings für Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit in verschiedenen Lieferketten anbietet. Weiterführende Informationen zu Präventions- und Abhilfemaßnahmen hinsichtlich des Verbots der Missachtung des Arbeitsschutzes können über den Praxislotsen Wirtschaft & Menschenrechte unter Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz eingesehen werden.