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Special | Dänemark | Robotik

Branchenüberblick: Die neue dänische Spezialität

Dänische Hersteller decken den Großteil der inländischen Nachfrage nach Robotik selbst. Der Markt soll aber in den kommenden Jahren um ein Vielfaches wachsen.

Von Michał Woźniak | Stockholm

"Bei fast 20.000 Industrieunternehmen in Dänemark gibt es noch ein großes ungenutztes Potenzial für den Einsatz von Robotern", erklärt der Sekretariatsleiter der lokalen Branchenorganisation DIRA Søren Peter Johansen. Knapp 420 Unternehmen tummeln sich derzeit in der dänischen Robotikindustrie. Davon gehören mehr als die Hälfte DIRA an. Insgesamt arbeiteten im Jahr 2021 etwa 10.700 Personen im Bereich Robotik, Automatisation oder Drohnen. Bis 2025 soll diese Zahl auf bis zu 19.000 ansteigen.

Binnenmarkt als Wachstumstreiber 

Die Neuinstallationen von Robotern in Dänemark fluktuieren seit 2014 auf einem Niveau zwischen 600 und 800 Stück jährlich, wie aus Daten des Internationalen Robotikverbandes IFR hervorgeht. Damit schafft es das Land nur knapp unter die Top 30 Absatzmärkte weltweit. In Dänemark wird etwa jeder hundertste Industrieroboter in Europa installiert: Um die Hälfte weniger als in Schweden und etwas mehr als in Finnland und Norwegen zusammen.

Angesichts der kaum vorhandenen Automobilindustrie - den weltweit größten Robotik-Kunden, dennoch ein bemerkenswertes Ergebnis. Wie in Finnland und Schweden macht auch in Dänemark die Metallindustrie den größten Teil des Kundenstamms aus - mit etwa einem Viertel der Bestellungen. Jeweils etwa 15 Prozent der Abnehmer stellen die Chemie- sowie Nahrungsmittelindustrien. Entsprechend werden vor allem Beförderungs-, Verpackungs- und Lagerroboter nachgefragt. Die Statistiken dominieren - wie auch global - Mehrachsroboter. In den letzten Jahren gewinnen aber vor allem SCARA-Roboter an Zuspruch - zu Lasten von Linear- und Deltarobotern.

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Eine der wichtigsten Wachstumsgrenzen der Branche setzt die Unternehmensgröße: sie ist oft einer der entscheidenden Faktoren beim Kauf von Robotern. Unter den knapp 323.000 in Dänemark tätigen Firmen gelten weniger als 4.700 als mittelgroße oder große Unternehmen – sie können also mindestens 50 Mitarbeiter aufweisen. In der verarbeitenden Industrie – die vergleichsweise geringe 14 Prozent der Wirtschaftsleistung beisteuert (Deutschland: 21 Prozent) – sind es knapp 900. "[In Dänemark] haben die großen Unternehmen oft mehr als 50 Industrieroboter im Einsatz", erklärt Johansen. Insgesamt kam das Land im Jahr 2021 laut IFR auf einen Industrieroboterbestand von etwa 7.500 und somit eine Roboterdichte von 246 Roboter je 10.000 Industrieangestellte. Zum Vergleich: Beim skandinavischen Nachbarn Schweden waren es 224, in Deutschland 216.

In den kommenden Jahren soll der Rückstand aber verringert werden – das geht aus einer Firmenumfrage im August 2022 des Branchenclusters Odense Robotics (OR) hervor. Demnach sollen sich die Umsätze mit Robotik, Automatisierung und Drohnen in Dänemark von 2021 auf 2025 nahezu vervierfachen. Laut einer Umfrage der Sydbank von Mitte 2022 investierten 11 Prozent der dänischen KMU binnen der vorangegangenen 12 Monate in Roboter und Automatisierung, 13 Prozent meinen es binnen der nächsten 12 Monate aufgrund von Personalmangel tun zu müssen. Neben der Industrie, sollen sich laut OR unter anderem Einzelhandel und Agrarwirtschaft als wichtige Kunden etablieren.

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Robotikcluster entsteht in Odense

Die Hauptstadt der dänischen Robotikbranche ist Odense auf der Insel Fünen. Dort sollen laut dem Investorennetzwerk Odense Seed & Venture alleine 150 Start-ups angesiedelt sein. In dessen Anfang 2022 vorgestellten Bericht wird zudem erläutert, dass seit 2015 etwa 1,1 Milliarden Euro an Kapital von den Start-ups eingesammelt wurde. "Unser Robotik-Cluster nährt eine große Zahl von Zulieferern, Partnern auf nationaler und internationaler Ebene und schafft attraktive Arbeitsplätze. [Er] zieht Spezialisten und hochkarätige Technologieunternehmen aus der ganzen Welt an", freut sich Peter Rahbæk Juel, Bürgermeister der Gemeinde Odense. 

Odenses Erfolg basiert unter anderem auf dem Branchencluster Odense Robotics (OR) sowie der Universität Süddänemarks (SDU). Zusammen mit Industriepartnern erhielt die SDU Anfang 2022 knapp 12 Millionen Euro vom staatlichen Dänischen Rat für Wirtschaftsförderung. Unterstützt werden soll damit der Aufbau des Produktionszentrums für Großstrukturen (LSP): Darin entsteht eine robotisierte Herstellungsmöglichkeit für Windturbinen über Gebäude bis Schiffe. "Wir müssen Mitarbeiter einstellen und Ausrüstung kaufen, um uns im Hafen von Odense auf Lindø niederzulassen. Wir werden sofort mit drei Demonstrationsprojekten beginnen. Im Laufe der Zeit werden wir eine richtige Produktions- und Entwicklungshalle bauen", sagt Projektleiter Christian Schlette von SDU Robotics.

Neben Odense befinden sich in Dänemark weitere Ansiedlungen der Robotikindustrie in größeren Städten wie Kopenhagen, Aalborg und Arhus sowie gleich oberhalb der deutschen Grenze in Sonderborg. In allen vier finden sich auch regionale Hubs von OR.

Coronapandemie beschleunigt Branchenwachstum

Ferner wird viel Hoffnung der Robotikindustrie mit einer steigenden Nachfrage aus dem Gesundheitswesen verbunden. Der auch in Dänemark akuter werdende Fachkräftemangel in der Alterspflege oder die Konzentration hochspezialisierter Leistungen auf einige wenige Großkrankenhäuser steigern den Technikbedarf.

Die Pandemie fungierte zudem als Leistungsinitiator der Branche. Das Unternehmen Lifeline Robotics entwickelte bereits im Mai 2020 einen automatischen Abstrichroboter für Coronatests. Der Roboterhersteller Blue Ocean Robotics brachte einen Roboter auf den Markt, der mit Hilfe von UV-Strahlung Krankenhäuser, Schulen und andere öffentliche Plätze desinfiziert. Für das Gesundheitswesen und die Alterspflege gedacht ist auch ein spezieller Roboter der Firma zum Patiententransport. Und um das Homeoffice zumindest virtuell verlassen zu können, gibt es noch deren Telepräsenzroboter GoBe – eine wesentlich professioneller aussehende Version des Traums einer virtuellen Präsenz von Sheldon Cooper aus der US-Serie Big Bang Theory.

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