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Finnland: Rechtsverfolgung
In Finnland gibt es neben der ordentlichen Gerichtsbarkeit auch Spezialgerichtsbarkeiten für bestimmte Sachverhalte. (Stand: 14.07.2025)
Von Nadine Bauer, Karl Martin Fischer | Bonn
Hinweis: Die folgenden Angaben stellen eine Erstinformation zu den rechtlichen Rahmenbedingungen und der Rechtspraxis dar. Germany Trade & Invest bietet keine weiterführende Rechtsberatung hinsichtlich der Rechtsverfolgung an.
Aufbau des Gerichtssystems
Die finnischen Gerichte sind wie folgt aufgeteilt: Es gib insgesamt 20 Amtsgerichte (käräjäoikeus), fünf Landgerichte (hovioikeus) als Berufungsgerichte und den Obersten Gerichtshof (korkein oikeus), der allerdings zunächst entscheidet, ob er die Revision zulässt. Amtsgerichte verhandeln Straf- und Zivilsachen in erster Instanz. Dem Obersten Gerichtshof obliegt als wichtigste Aufgabe die Erteilung von Vorabentscheidungen, die für die Rechtsprechung maßgebend sind.
Es gibt auch eine Verwaltungsgerichtsbarkeit, bestehend aus sechs Verwaltungsgerichten (hallinto-oikeus) und dem Obersten Verwaltungsgericht (korkein hallinto-oikeus). Vor den Verwaltungsgerichten können sich Bürger und Unternehmen gegen Entscheidungen der finnischen Behörden wehren. Die Verwaltungsgerichte sind auch zuständig, wenn Streitigkeiten zwischen Verwaltungsbehörden zu entscheiden sind.
Marktgericht (markkinaoikeus), Arbeitsgericht (työtuomioistuin) und Versicherungsgericht (vakuutusoikeus) sind Spezialgerichte, die sich jeweils mit Angelegenheiten aus ihrem Fachgebiet befassen. Das Marktgericht befasst sich mit öffentlichen Aufträgen, Wettbewerbsbeschränkungen und marktrelevanten Fragen. Gegen eine Entscheidung des Marktgerichts kann beim Obersten Verwaltungsgericht oder in einigen Fällen beim Obersten Gericht Berufung eingelegt werden. Das Arbeitsgericht behandelt Streitsachen aus kollektiven Arbeits- und Dienstverträgen und Verstöße gegen Vorschriften des Arbeitsschutzes. Das Versicherungsgericht behandelt unter anderem Renten- und sonstige Sozialversicherungsangelegenheiten. Gegen Entscheidungen des Arbeitsgerichts und des Versicherungsberichts kann in der Regel keine Berufung eingelegt werden.
Ausführliche Informationen zum Aufbau des Gerichtssystems und weiterführende Informationen bietet die finnische Justiz auf ihren Informationsseiten an.
Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen
Die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen regelt die Modalitäten der Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen im Verhältnis Deutschland-Finnland. Das Verfahren der Vollstreckbarerklärung (Exequaturverfahren) ist seitdem nicht mehr erforderlich. Darüber hinaus sind die EU-Verordnungen Nr. 805/2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen, Nr. 1896/2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens sowie Nr. 861/2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen zu beachten.
Kostentragung
Die Gerichtskosten sind gesetzlich im Gerichtsgebührengesetz (Tuomioistuinmaksulaki/Lag om domstolsavgifter 1455/2015) geregelt. Grundsätzlich wird die in zivilrechtlichen Streitigkeiten unterliegende Partei im Urteil verpflichtet, der gegnerischen Partei die Verfahrenskosten zu erstatten.
Anwaltszwang besteht in Finnland nicht, wenngleich empfohlen wird, einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen. Anwaltshonorare werden frei vereinbart und zwar meist im Verhältnis zum Zeitaufwand beziehungsweise der Schwierigkeit des Falles. Im eigenen Interesse sollte grundsätzlich vor Auftragserteilung die Kostenfrage geklärt werden. Die finnische Rechtsanwaltskammer (Suomen Asianajajaliitto) hat Leitlinien für Anwaltshonorare in Finnland herausgegeben.
Unbestrittene Geldforderungen können – unabhängig von ihrer Höhe – in einem beschleunigten Verfahren geltend gemacht werden. Zuständig ist das Amtsgericht. Darüber hinaus gilt die Verordnung (EG) Nr. 805/2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen.
Schiedsgerichtsbarkeit
Finnland ist – ebenso wie Deutschland – Mitglied des New Yorker Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.6.1958. Danach verpflichten sich die Vertragsstaaten, auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates ergangene Schiedssprüche anzuerkennen und zu vollstrecken.
Anwält:innen vor Ort
Über das GTAI-Angebot Rechtsberatung im Ausland können die von den deutschen Auslandsvertretungen erstellten Anwaltslisten aufgerufen werden.