Branche kompakt | Frankreich | Chemische Industrie
Branchenstruktur
Frankreichs Chemiesektor ist vielfältig. Auch kleine Unternehmen belegen wichtige Positionen in den Lieferketten. Branchengrößen verstärken Kooperationen und Start-up-Förderung.
18.04.2024
Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris
Die chemische Industrie hat in Frankreich eine lange Tradition und ist in allen Segmenten der Produktion gut vertreten. Das Land weist nach Deutschland die zweitgrößte Chemieindustrie in Europa und die siebtgrößte weltweit auf. Die knapp 4.000 Branchenunternehmen erwirtschafteten 2022 mit ihren rund 228.000 Mitarbeitern laut France Chimie einen Gesamtumsatz von 129 Milliarden Euro. Die Chemiebranche ist Frankreichs bedeutendste Exportindustrie.
Start-ups und Kooperationen treiben Innovationen
Kleine und mittlere Unternehmen prägen die Chemielandschaft. Rund 94 Prozent der Unternehmen beschäftigen weniger als 250 Mitarbeitende. Das Land verfügt jedoch auch über große international aufgestellte Konzerne wie Total, Arkema, Air Liquide und Kem One. Darüber hinaus ist Frankreich besonders für US-amerikanische Unternehmen (ExxonMobil Chemical, LyondellBasell) ein wichtiger Produktionsstandort in Europa. Auch die großen deutschen Chemiekonzerne sind in Frankreich aktiv. BASF ist mit 14 Produktionsstandorten in Frankreich vertreten und beschäftigt mehr als 3.000 Mitarbeitende. Bayer betreibt mit ebenfalls gut 3.000 Mitarbeitenden sechs Fabriken sowie Forschungs- und Entwicklungszentren in Frankreich. Auch wenn die deutschen Chemiekonzerne Restrukturierungsmaßnahmen ergreifen, bleiben die französischen BASF- und Bayer-Standorte bislang von Schließungen oder Personalfreisetzungen verschont.
Branchengrößen investieren in die eigene Forschung und Entwicklung, setzen zunehmend aber auch auf unternehmensübergreifende Kooperationen mit kleinen und mittleren Unternehmen oder Forschungsinstitutionen. Die Ausgaben für Entwicklung und Forschung lagen 2022 bei 2 Milliarden Euro. Zudem macht sich die Chemiebranche auf die Suche nach Start-ups, die mit unkonventionellen Technologien und Konzepten den Umbau von Produkten und Produktion vorantreiben sollen. Konzerne wie Air Liquide oder Solvay fördern die Entwicklung innovativer Anwendungen und Technologien durch eigene Investitionsfonds. France Chimie betreibt in Kooperation mit der BPI France den Startup-Hub ChemTech.
Regionale Cluster bündeln die Branche
Die Chemieproduktion konzentriert sich in Clustern in verschiedenen Regionen Frankreichs. Ein Großteil der Chemieunternehmen des Landes hat sich in einer der 18 regionalen Chemieplattformen des Landes angesiedelt. Einer der bedeutendsten Chemiestandorte ist die Region Auvergne-Rhône-Alpes mit starken Clustern der Industrie und der Forschung in Lyon (Vallée de la Chimie), Les-Roches-Roussillon und Grenoble (Grenoble Chemical Park). Hier haben Konzerne wie Arkema, BASF, Bayer und Solvay Produktions- und Forschungsstandorte errichtet.
Der Großraum Le Havre ist das größte Zentrum der Düngemittelproduktion in Europa und der Petrochemie in Frankreich. Der Hafen ist wichtiger Hub für den Chemieimport und -export mit Produktionsniederlassungen von Total, ExxonMobil, Arkema und BASF. Zudem errichtet Total Energies in LeHavre ein Flüssiggasterminal, das seit Oktober Ende 2023 in Betrieb ist.
Einen weiteren wichtigen Petrochemiestandort bildet die Region Provence-Alpes-Cote-d’Azur (PACA) mit dem Großraum Marseille. Firmen wie Ineos, LyondellBasell, Kem One, Total Petrochemicals oder Arkema betreiben hier große Produktionsstätten. Weitere wichtige regionale Cluster befinden sich im Norden des Landes im Großraum Lille und in der Hauptstadtregion (mit Schwerpunkten in der Forschung und Spezialchemie).
Einen besonderen Schwerpunkt bilden die Cluster für Spezialchemie für die Kosmetik- und Parfumherstellung. Das wichtigste Cluster dieser gerade in Frankreich bedeutenden Chemiesparte befindet sich im südfranzösischen Grasse.
Unternehmen | Sparte | Umsatz 2022 |
---|---|---|
Total Marketing France | Petrochemie | 32,0 |
Total Petrochemicals France | Petrochemie | 4,4 |
Arkema | Spezialchemie | 2,9 |
ExxonMobil Chemical France | Petrochemie, organische Chemie | 2,4 |
BASF France | Basischemie, Spezialchemie | 2,3 |
Parfums Christian Dior | Kosmetik | 2,2 |
Kem One | Organische Chemie | 1,7 |
Adisseo | Ergänzungsstoffe für Tierfutter | 1,6 |
Bayer SAS | Agrarchemie, Pharma, Spezialchemie | 1,4 |
Rhodia Operations (Solvay) | Basischemie, organische Chemie | 1,3 |
Unternehmen verstärken Investitionen in grüne Chemie
Zahlreiche Innovationscluster engagieren sich vor allem in der Entwicklung nachhaltiger Lösungen (grüne Chemie) und neuer Materialien (unter anderem für die in Frankreich starke Luft- und Raumfahrt- und Automobil-, aber auch die Modeindustrie).
Großunternehmen wie Total oder Arkema investieren in die Ökologisierung ihrer Produktpalette. Aber auch kleinere Unternehmen und Start-ups entwickeln häufig außerhalb der führenden Chemiezentren des Landes Anwendungen der biobasierten Industrie. In der südwestlichen Region Nouvelle-Aquitaine hat sich seit 2010 im Rahmen des Clusters Aquitaine Chimie Durable ein aufstrebendes Zentrum grüner Chemie entwickelt. Im ehemaligen Raffineriezentrum Carling in der Region Moselle siedeln sich, auch mit Unterstützung von Total Energie, Chemieunternehmen an, die sich auf die Entwicklung einer grünen Chemie fokussieren.
Kosmetikbranche stützt den Sektor
Ein Drittel der französischen Gesamtchemieproduktion entfällt auf chemische Grundstoffe. Damit spielen Basischemikalien eine geringere Rolle als in Deutschland. Mehr Gewicht als in Deutschland kommt in Frankreich der Sparte Pflanzenschutz zu. Diese allerdings gerät aufgrund sich ändernder politischer und gesellschaftlicher Vorgaben unter Druck. Auch ausländische Firmen wie Bayer produzieren in diesem Bereich im Land.
Frankreich ist zudem mit weltweit führenden Herstellern wie L'Oréal, Chanel, Dior Parfums und Guerlain ein wichtiger Standort für die Produktion und den Export von Kosmetik, Körperpflegemitteln und Duftstoffen. Daher fällt diese Sparte in der Chemieindustrie deutlich stärker ins Gewicht als in Deutschland.
Zu den Produktionsmengen der Industrie werden seit 2017 nur sehr lückenhafte Daten veröffentlicht. Viele Zahlen werden aufgrund der geringen Anzahl an Unternehmen als "vertraulich" eingestuft und nicht ausgewiesen. Damit erlauben die verfügbaren Daten nur einen eingeschränkten Blick auf die Branchenentwicklung.
Sparte (NACE-Code) | 2021 | Veränderung 2021/2020 | Marktanteil |
---|---|---|---|
Mineralölerzeugnisse (19.2) | 27.640 | 41,6 | 48,9 |
Chemische Grundstoffe (20.1) | 10.341 | -15,4 | 18,3 |
Schädlingsbekämpfung und Pflanzenschutz (20.2) | 1.526 | -26,5 | 2,7 |
Farben und Lacke (20.3) | 1.002 | -60,0 | 1,7 |
Seifen und Parfums (20.4) | 12.795 | 5,2 | 22,6 |
Andere chemische Produkte (20.5) | 3.226 | -56,2 | 5,7 |
Chemiefasern (20.6) | 27 | 10,0 | 0,1 |