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Branchen | Taiwan | Chemische Industrie

Markttrends

Die Anbieter von Chemikalien profitieren von umfangreichen Investitionen im Halbleiterbereich. In anderen Segmenten sind die Signale eher gemischt.

Von Alexander Hirschle | Taipei

Die chemische Industrie Taiwans konnte sich im Schlepptau der dynamischen Konjunktur auf der Insel positiv entwickeln. Gesamtzahlen für den Absatzmarkt des Landes gibt es nicht. Doch die Importe zogen 2021 um starke 27 Prozent an. Auch die Produktionsstatistiken des Sektors zeigten 2021 stark nach oben. Im 1. Quartal 2022 setzte sich der Aufwärtstrend in leicht abgemildeter Form fort. Besonders hohe Zuwächse entfielen im vergangenen Jahr auf Öl- und Kohleerzeugnisse, Basischemikalien sowie Kunststoffe und Granulate. Diese drei Segmente zeichnen zusammen für fast drei Viertel des Outputs der chemischen Industrie in Taiwan verantwortlich.

Die Chemiebranche profitierte dabei von der Tatsache, dass die Wirtschaft Taiwans relativ schadlos durch die jüngsten Krisen wie den Handelskonflikt und vor allem die Coronapandemie gekommen ist. Taiwan konnte 2020 trotz weltweiter Rezessionen noch eine Steigerung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von mehr als 3 Prozent aufweisen. Im Jahr 2021 wurde mit einem Plus von 6,6 Prozent das höchste Wachstum seit einem Jahrzehnt erzielt.

Diese positiven Entwicklungen hielten die Binnennachfrage nach Chemikalien hoch. Besonders starke Impulse kamen aus der anziehenden Investitionstätigkeit. Die Insel erlebt seit 2019 einen regelrechten Investitionsboom, der gespeist wird vom Reshoring taiwanischer Firmen zurück aus China und den Aktivitäten der lokalen Halbleiterproduzenten.

Halbleiterfirmen kurbeln Nachfrage an

Als einer der wichtigsten Faktoren für den Bedarf an Chemikalien gilt die massive Ausweitung der Halbleiterkapazitäten in Taiwan. In diesem Bereich sind vor allem High-End-Erzeugnisse mit hohem Mehrwert gefragt. Taiwan wird 2022 nach Schätzungen des Fachverbandes Semi mit rund 34 Milliarden US-Dollar (US$) der größte Abnehmer von Halbleiterausrüstungen weltweit sein, noch vor Südkorea und China. Auch in den kommenden Jahren dürfte die Nachfrage hoch bleiben.

Allein Branchengigant TSMC (Taiwan Semiconductor Manufacturing Co.) plant bis 2024 Investitionen von rund 100 Milliarden US$ in die Ausweitung seiner Kapazitäten. Mehrere deutsche Firmen profitieren von diesem Boom und intensivieren ihr Liefergeschäft oder bauen ihre Kapazitäten vor Ort aus. 

Petrochemie mit weniger Großprojekten

Die Petrochemie nimmt in Taiwan traditionell eine dominierende Rolle innerhalb der chemischen Industrie ein. Etwa 40 Prozent der Produktion gehen in den Export. Allerdings wurden in den vergangenen Jahren nach Einschätzung des Industrial Technology Research Institute (ITRI) immer weniger Großinvestitionen in diesem Bereich angekündigt.

Aufgrund verschärfter Umweltbestimmungen wird es zunehmend schwer, Projekte auf der Insel durchzuführen. Auch stoßen neue Vorhaben und Investitionen auf immer größere Widerstände der Öffentlichkeit. Aus diesem Grund haben lokale Branchenfirmen ihre Auslandsinvestitionen zuletzt verstärkt. Aber auch die Tatsache, näher an die Abnehmer zu rücken, spielt bei diesen Erwägungen eine Rolle.

Die Entwicklung des Rohölpreises wird als einer der entscheidenden Faktoren für die Erfolgsaussichten des Sektors in naher Zukunft eingestuft. Die inflationären Tendenzen verdüstern die Aussichten der petrochemischen Hersteller, ebenso wie eine nachlassende Nachfrage aus China – wohin 50 Prozent der Branchenexporte gehen.

Nach einem starken Jahr 2021 mit sehr hohen wertmäßigen Produktionszuwächsen von mehr als 50 Prozent wird daher für 2022 zunächst mit Outputsteigerungen im niedrigen einstelligen Bereich zwischen 1 und 2 Prozent gerechnet. Mittelfristig bereitet den lokalen Herstellern die zunehmende Konkurrenz aus dem Reich der Mitte Sorgen, wo die Produktionskapazitäten in die Höhe geschraubt werden.

Spezialchemikalien mit nachlassender Dynamik

Bei Spezialchemikalien zeichnet sich ebenfalls eine rückläufige Dynamik ab. Noch 2021 konnten die meisten Segmente zweistellige Produktionszuwächse realisieren. Doch die ITRI-Schätzungen für 2022 besagen ein durchschnittliches Wachstum des Segments von knapp 4 Prozent nach 17 Prozent im Vorjahr. So wird für Kunststoffe aufgrund der weltweit verstärkten Bemühungen um die Einführung der Kreislaufwirtschaft tendenziell kein starkes Wachstum erwartet.

Im Bereich Pharmazeutika sehen Experten künftig eine hohe Nachfrage aufgrund der demographischen Entwicklung Taiwans mit einer stark alternden Bevölkerung. Lokale Firmen operieren im Markt hauptsächlich mit Generika auf Basis abgelaufener Patente westlicher Firmen. Die Importe konnten 2021 stark um 20 Prozent und im 1. Halbjahr 2022 sogar um mehr als 80 Prozent im Vergleich zur selben Vorjahresperiode zulegen.

Im Bereich Kosmetika werden trotz der zuletzt mäßigen Ergebnisse im Außenhandel die mittelfristigen Perspektiven positiv eingestuft. Im Binnenmarkt sehen vor allem junge Menschen aufgrund des Einflusses sozialer Medien eine immer stärkere Notwendigkeit zur „Optimierung“ des eigenen Aussehens, was sich positiv auf die Nachfrage nach Schönheitsprodukten auswirkt. Allerdings geraten die lokalen Hersteller durch die Konkurrenz in China unter Druck, die mit höheren Skaleneffekten operieren können.

Bausektor mit gemischten Signalen

Die Entwicklung der Nachfrage bei Farben und Lacken ist unter anderem stark abhängig von der Bauindustrie. Im 1. Halbjahr 2022 sendete diese Branche jedoch gemischte Zeichen. So sank die Zahl der Bauanträge im Vergleich mit demselben Vorjahreszeitraum um fast 10 Prozent. Positiv entwickelte sich nur die Nachfrage im Bürogebäude- und Industriebau. Auch im Tourismus und Hotelbau werden mehrere größere Vorhaben erwartet.

Vor allem der Industriebau dürfte sich auch weiterhin gut entwickeln. Sorgen bereitet der Bau von Wohnimmobilien angesichts nachlassender Wachstumsdynamik bei Immobilienkrediten. Auch drücken steigende Preise und sinkende Reallöhne auf die Kauflust der potenziellen Kunden. Branchenvertreter sprechen von Lieferproblemen bei Rohstoffen und befürchten eine Wachstumsdelle im Bausektor in den nächsten 12 bis 24 Monaten.

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