Frankreichs Chemiesektor zählt zu den wichtigsten Industrien des Landes. Branchengrößen verstärken Kooperationen mit Start-ups sowie mit kleinen und mittleren Unternehmen.
Die chemische Industrie hat in Frankreich eine lange Tradition und ist in allen Segmenten der Produktion gut vertreten. Das Land verfügt nach Deutschland über die zweitgrößte Chemieindustrie in Europa und über die fünftgrößte weltweit. Die knapp 4.000 Branchenunternehmen erwirtschafteten 2024 mit ihren rund 229.000 Mitarbeitenden laut France Chimie einen Gesamtumsatz von 102 Milliarden Euro. Der Beitrag der Chemiebranche zu Frankreichs Gesamtausfuhren lag 2024 bei 12,8 Prozent, womit sie der wichtigste Exportzweig war.
Unternehmenskooperation gewinnt an Bedeutung
Kleine und mittlere Unternehmen prägen die Chemielandschaft. Rund 94 Prozent der Branchenakteure beschäftigen weniger als 250 Mitarbeitende. Das Land verfügt jedoch auch über große, international aufgestellte Konzerne wie TotalEnergies, Arkema, Air Liquide und Kem One. Darüber hinaus ist Frankreich besonders für US-Unternehmen ein wichtiger Produktionsstandort in Europa.
Auch die großen deutschen Chemiekonzerne sind in Frankreich aktiv. Allein BASF ist mit rund 15 Produktions- und mehreren Forschungsstandorten vertreten und beschäftigt mehr als 3.000 Mitarbeitende. Bayer betreibt mit ebenfalls rund 3.000 Mitarbeitenden sechs Fabriken sowie Forschungs- und Entwicklungszentren in Frankreich.
Gerade Großunternehmen investieren in die eigene Forschung und Entwicklung, setzen zunehmend aber auch auf übergreifende Kooperationen mit kleinen und mittleren Firmen oder Forschungsinstitutionen. Durchschnittlich rund 8 Prozent der jährlichen Brancheninvestitionen entfallen laut Branchenverband auf Forschung und Entwicklung.
Zudem macht sich die Chemiebranche auf die Suche nach Start-ups, die mit unkonventionellen Technologien und Konzepten den Umbau der Produktion vorantreiben sollen. Konzerne wie Air Liquide oder Solvay fördern die Entwicklung innovativer Anwendungen und Technologien durch eigene Investitionsfonds. France Chimie betreibt in Kooperation mit der BPI France für Start-ups den Hub ChemTech. Landesweit mehr als 100 Start-ups fokussieren sich unter anderem auf Geschäftsfelder wie das chemische Recycling, biobasierte Chemie, Digitalisierung in der Chemie und Batterieforschung.
Regionale Cluster fördern die Spezialisierung
Die Herstellung chemischer Erzeugnisse konzentriert sich in regionalen Clustern und an spezialisierten Standorten. Ein Großteil der Unternehmen produziert in einer von insgesamt 18 Chemieplattformen. Einer der bedeutendsten Standorte der Branche ist die Region Auvergne-Rhône-Alpes mit starken Industrie- und Forschungsclustern in Lyon (Vallée de la Chimie), Les-Roches-Roussillon und Grenoble (Grenoble Chemical Park). Hier haben Konzerne wie Arkema, BASF, Bayer und Solvay Produktions- und Forschungsstandorte errichtet.
Der Großraum Le Havre ist Europas Zentrum der Düngemittelproduktion und der französischen Petrochemie. Der Hafen von Le Havre ist ein wichtiges Hub für den Chemieimport und -export mit Produktionsniederlassungen von TotalEnergies, Arkema und BASF.
Ein weiterer wichtiger Petrochemiestandort ist die Region Provence-Alpes-Côte-d’Azur (PACA) mit dem Großraum Marseille. Firmen wie Petroineos, LyondellBasell, Kem One, Total Petrochemicals oder Arkema sind dort mit großen Produktionsstätten vertreten. Weitere bedeutende Cluster befinden sich im Norden des Landes im Großraum Lille und in der Hauptstadtregion, wo die Schwerpunkte in der Forschung und Spezialchemie liegen.
Das wichtigste Regionalzentrum für die in der Kosmetik- und Parfümherstellung benötigte Spezialchemikalien befindet sich im südfranzösischen Grasse. Im Einzugsbereich von Sofia Antipolis bei Nizza hat sich zudem ein Schwerpunkt im Bereich biobasierte Chemie entwickelt.
Wichtige Branchenunternehmen in FrankreichUmsatz in Milliarden EuroUnternehmen | Sparte | Umsatz 2024 |
|---|
Total Petrochemicals France | Petrochemie | 3,1 |
| Arkema | Spezialchemie | 2,9 |
| Parfums Christian Dior | Kosmetik | 2,4 |
| BASF France | Basischemie, Spezialchemie | 1,6 |
| Air Liquide France Industries | Industriegase | 1,3 |
| Bayer SAS | Agrarchemie, Pharma, Spezialchemie | 1,2 |
| Adisseo | Ergänzungsstoffe für Tierfutter | 1,1 |
| Kem One | organische Chemie | 1,0 |
| Syensqo France (Solvay) | Basischemie, organische Chemie | 1,0 |
| Yara France | Düngemittel | 0,7 |
Quelle: Auskunftei Verif 2025
Unternehmen verstärken Investitionen in grüne Chemie
Zahlreiche Innovationscluster engagieren sich in der Entwicklung nachhaltiger Lösungen ("grüne Chemie") und neuer Materialien, die unter anderem von den in Frankreich starken Branchen Luft- und Raumfahrt, Automobil oder Mode nachgefragt werden.
Großunternehmen wie TotalEnergies oder Arkema investieren in die umweltgerechte Anpassung ihrer Produktpalette. Aber auch kleinere Unternehmen und Start-ups entwickeln häufig außerhalb der führenden Chemiezentren des Landes Anwendungen der biobasierten Industrie. In der südwestlichen Region Nouvelle-Aquitaine hat sich seit 2010 im Rahmen des Clusters Aquitaine Chimie Durable ein aufstrebendes Zentrum grüner Chemie entwickelt. Im ehemaligen Raffineriezentrum Carling in der Region Moselle siedeln sich – auch mit Unterstützung von TotalEnergies – Chemieunternehmen an, die sich auf grüne Chemieerzeugnisse fokussieren.
Kosmetikbranche stützt die französische Chemie
Knapp 45 Prozent der Produktion der französischen Chemie entfällt auf Grundstoffe. Damit spielen Basischemikalien eine geringere Rolle als in Deutschland. Mehr Gewicht als in Deutschland kommt in Frankreich hingegen der Sparte Düngemittel und Pflanzenschutz zu. Auch Firmen wie Bayer produzieren in diesem Bereich im Land. Die Sparte gerät aufgrund sich ändernder politischer und gesellschaftlicher Vorgaben sowie steigender Kosten aber zunehmend unter Druck.
Frankreich ist zudem mit weltweit führenden Herstellern wie L'Oréal, Chanel, Dior Parfums und Guerlain ein wichtiger Standort für die Produktion und den Export von Kosmetik, Körperpflegemitteln und Duftstoffen. Ein Drittel der Produktion und Exporte entfällt auf diese Sparte.
Daten zu den Produktionsmengen der chemischen Industrie werden seit 2017 nur sehr lückenhaft veröffentlicht. Viele Angaben werden aufgrund der überschaubaren Zahl an Unternehmen als "vertraulich" eingestuft und nicht ausgewiesen. Damit erlauben die verfügbaren Daten nur einen eingeschränkten Blick auf die Branchenentwicklung.
Produktion ausgewählter chemischer Erzeugnisse in Frankreich In Millionen Euro; Veränderung und Marktanteil in ProzentSparte (NACE-Code) | 2023 | Veränderung 2023/2022 | Marktanteil *) |
|---|
Chemische Grundstoffe (20.1) | 36.287 | -7,2 | 43,9 |
Schädlingsbekämpfung und Pflanzenschutz (20.2) | 5.040 | -0,5 | 6,1 |
Farben und Lacke (20.3) | 3.931 | 6,5 | 4,6 |
Seifen, Wasch-, Reinigungs- und Körperpflegemittel sowie Duftstoffe (20.4) | 28.077 | -3,0 | 34,0 |
| Andere chemische Produkte (20.5) | 9.309 | -15,2 | 11,0 |
| Chemiefasern (20.6) | 129 | -5,1 | 0,2 |
* Marktanteil chemische Produkte (NACE 20.1 bis 20.6) berechnet in Bezug auf die gesamte NACE-Gruppe 20.Quelle: Statistikamt Insee 2025; Berechnungen von Germany Trade & Invest
Von Frauke Schmitz-Bauerdick
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Paris