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Branche kompakt | Frankreich | Chemische Industrie

Frankreichs Chemiebranche rutscht weiter in die Krise

Auch 2025 ist keine Erholung für die französische Gesamtchemie in Sicht. Das Mercosur-Abkommen und die Transformation eröffnen aber neue Geschäftsfelder. (Stand: September 2025)

Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris

Ausblick der chemischen Industrie in Frankreich

Bewertung: 

  • US-Zölle belasten die exportorientierte Branche.
  • Branche kämpft mit Wettbewerbsdruck, schwacher Nachfrage und hohen Energiepreisen.
  • Unternehmen schieben Investitionen auf.
  • Spezialchemie für innovative Geschäftsbereiche (Recycling, Elektronik, Transformation) expandiert.
  • Mercosur-Freihandelsvertrag öffnet südamerikanische Märkte.

Anmerkung: Einschätzung der Autorin für die kommenden zwölf Monate auf Grundlage von prognostiziertem Umsatz- und Produktionswachstum, Investitionen, Beschäftigungsstand, Auftragseingängen, Konjunkturindizes etc.; Einschätzungen sind subjektiv und ohne Gewähr; Stand: September 2025

  • Markttrends

    Die Chemiebranche gerät ans Limit. Unternehmen fordern eine schnelle Umsetzung der europäischen Rettungspläne. Spezialbranchen wie Recycling entwickeln sich aber gut.

    Der Abschwung des Jahres 2024 wird sich 2025 fortsetzen. Die französische Chemieproduktion ist im 1. Halbjahr 2025 um 5 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum geschrumpft. Nicht nur die organische und die Basischemie sind betroffen. Selbst die in der Vergangenheit vergleichsweise starke Fein- und Spezialchemie leidet. Nur wenige Branchenunternehmen schafften es, ihre Umsätze und Gewinne während der ersten sechs Monate 2025 zu steigern, darunter Air Liquide und der Düngemittelkonzern Yara.

    Die Kapazitätsauslastung lag laut Banque de France im 1. Halbjahr 2025 konstant bei 72 Prozent. Damit stagnieren die Auslastungen bereits seit dem 1. Quartal 2022 unter der Grenze von 75 Prozent. Die Rentabilität von Unternehmen ist gefährdet. Zwischen 15.000 und 20.000 Arbeitsplätze könnten in den nächsten drei Jahre wegfallen, warnt der Branchenverband.

    4,8 Prozent

    betrug der Produktionsrückgang in Frankreichs chemischer Industrie laut France Chimie im 1. Halbjahr 2025.

    Unternehmen fahren auf Sicht

    Die Gründe sind bekannt. Das wirtschaftliche und geopolitische Umfeld gestaltet sich anhaltend schwierig. Die internationale Nachfrage bleibt ohne Impulse, Überkapazitäten in China überschwemmen den europäischen Markt und die hohen Energiepreise belasten den Sektor. Auch die Schwäche wichtiger inländischer Abnehmerindustrien wie Bau und Kfz hemmt nach wie vor einen Aufschwung. Und die US-Strafzölle werden die exportorientierte Industrie erheblich unter Druck setzen, fürchtet der Branchenverband France Chimie.

    Die innenpolitische Dauerkrise belastet Unternehmen ebenfalls. Es fehlt an Planbarkeit, auch weil Frankreich gezwungen ist, massive Einsparungen vorzunehmen. Die Zukunft von Förderprogrammen wie der Forschungszulage "Credit d'impot recherche" ist ungewiss. Angesichts der massiven Staatsverschuldung befürchten Unternehmen zudem, dass Steuern und Sozialabgaben angehoben werden könnten.

    Angesichts der schwachen internationalen Nachfrage gehen auch die Auslandsverkäufe der eigentlich exportstarken Chemiebranche zurück. So nahmen die Ausfuhren chemischer Produkte im 1. Halbjahr 2025 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 5 Prozent auf 24,5 Milliarden Euro ab. Selbst die Stütze des französischen Chemiesektors, die Parfüm-, Seifen-, Wasch- und Körperpflegemittelchemie, musste im 1. Halbjahr 2025 einen Exportrückgang um 0,8 Prozent auf 12,5 Milliarden Euro hinnehmen. Die Sparte leidet bereits massiv unter den US-Zollschranken. So brachen die Parfüm- und Kosmetikausfuhren in die USA im 1. Halbjahr 2025 um 12 Prozent ein.

    US-Strafzölle schlagen auf die Parfüm- und Kosmetikchemie durchFrankreichs Chemieausfuhren weltweit und in die USA; in Millionenen Euro; Veränderung in Prozent
     

    Gesamtexporte im 1. Halbjahr 2025 *)

    Veränderung 1. Halbjahr 2025/1. Halbjahr 2024 *)

    US-Exporte im 1. Halbjahr 2025

    Veränderung 1. Halbjahr 2025/1. Halbjahr 2024

    C20A (Basischemie)

    24.500

    -5,0

    1.266

    14,8

    C20C (Spezialchemie)

    611

    12,5

    C20B (Parfüm-, Seifen-, Wasch- und Körperpflegemittelchemie)

    12.500

    -0,8

    1.296

    -12,3

    Chemie gesamt (C20A+C20B+C20C)

    37.000

    -3,6

    3.173

    1,6

    * Einzelaufstellungen C20A und C20C für Berichtszeiträume nicht verfügbarQuelle: Douanes&Droits Indirects 2025; Berechnungen von Germany Trade & Invest 2025

    Branchenverband fordert schnelle Umsetzung von EU-Rettungsplänen

    Der Branchenverband France Chimie fordert angesichts der aktuellen Herausforderungen:

    • Zugang zu preislich wettbewerbsfähiger Energie, die arm an Kohlendioxid (CO2) ist,
    • Absicherung gegen indirekte CO2-Kosten,
    • flexiblere Beihilferegeln für strategische Industrien wie die Batterieproduktion sowie
    • gezielte Förderung europäischer Märkte.

    Auch der Abbau von bürokratischen Vorgaben ist ein wesentliches Anliegen des Verbands. Die Ausgaben, um französischen und europäischen Berichtspflichten nachzukommen, belaufen sich laut France Chimie mittlerweile auf 12 Prozent der jährlichen Wertschöpfung.

    Die EU-Kommission hat den Hilferuf der Branchenverbände verstanden. Sie stellte mit dem Clean Industrial Deal im Februar 2025 sowie dem European Chemicals Industry Plan im Juli 2025 Initiativen vor, die die Belastung der Industrie kurzfristig verringern sollen. Die Unternehmen hoffen nunmehr auf eine zügige Umsetzung.

    Fördergelder für chemisches Recycling von Kunststoffen

    Vereinzelt gibt es aber Lichtblicke. Die Recyclingindustrie entwickelt sich gut und baut neue Produktionskapazitäten auf. Die Entwicklung des Recyclingsektors wird auch getrieben von neuen europäischen Verpackungsvorgaben, die ab dem Jahr 2030 umzusetzen sind. Die Regierung unterstützt die Umorientierung im Rahmen des Innovationsplans France 2030. So hat Frankreich im Januar 2025 ein von der EU genehmigtes Programm zur Förderung des chemischen Recyclings von Plastik in Höhe von 500 Millionen Euro aufgelegt.

    Unternehmen investieren in die Transformation

    Auch die Dekarbonisierung und die Elektrifizierung von Mobilität und Prozessen in der Wirtschaft eröffnen neue Geschäftsfelder. Spezialchemie für die Bereiche Batterien und Elektronik findet steigende Nachfrage. Auch die Gewinnung und Verarbeitung seltener Erden gewinnt an Gewicht. So hat Solvay eine Produktionslinie für Permanentmagnete in La Rochelle eröffnet. Damit befindet sich das einzige europäische Verarbeitungswerk für seltene Erden in Frankreich. Die Produktion von biobasierten Kunststoffen gewinnt ebenfalls an Schwung.

    In diesen Spezialsektoren werden in Frankreich nach wie vor Großprojekte umgesetzt. So hat sich das Unternehmen FertigHy mit Siemens zusammengeschlossen, um in Nordfrankreich eine dekarbonisierte Düngemittelproduktion aufzubauen, eine Investition von 1,3 Milliarden Euro. Das Luxemburger Unternehmen Livestro plant in Le Havre 1 Milliarde Euro in eine Lithiumrecyclinganlage zu investieren. Darüber hinaus dürften erwartete Großinvestitionen in die Verteidigungsindustrie auch in Teilen der Chemiebranche im Jahr 2025 für Impulse sorgen.

    Ausgewählte Investitionsprojekte der chemischen Industrie in Frankreich In Millionen Euro
    Projekt/Akteure (Standort)

    Investitionssumme 

    ProjektstandAnmerkungen
    Produktion von CO2-armen Düngemitteln/FertigHy, Siemens (Hauts-de-France)

    1.300

    Abstimmungsverfahren läuft Inbetriebnahme geplant 2030
    Lithiumraffinerie/Livista Energy (Le Havre)

    1.000

    Projektankündigung November 2024Inbetriebnahme geplant 2028
    Anlage für Kunststoffrecycling/Eastman (Saint-Jean-de-Folleville; Normandie)

    1.000

    Baugenehmigung erteilt; Baubeginn verzögert sichBaubeginn geplant 2025, Inbetriebnahme geplant 2026
    Projekt Take Kair für E-Kerosin/Hynamics (EDF), Holcim, IFPEN, Axens (Donges/Nantes Saint-Nazaire Port)

    850

    Projektankündigung 2024; Abstimmungsverfahren läuftInbetriebnahme geplant 2030
    Anlage zur Produktion von E-Methanol/Elyse Energy (Roches-Roussillon; Isère)

    750

    Abstimmungsverfahren läuftBaubeginn geplant 2026, Inbetriebnahme 2028 
    Produktion von Kathodenaktivstoffen/Hunan Changyuan Lico (China), Axens (Frankreich) (Port de Saint-Saulve; Hauts-de-France)

    600

    Projektankündigung Mai 2024; Machbarkeitsstudie wird erstelltBaubeginn geplant 2027
    Chemische Recyclinganlage für PET/Loop Industries (Kanada), SK Geo Centric (Südkorea), Suez (Frankreich)/(Carling-Saint-Avold; Moselle)

    450

    Projektankündigung Januar 2023; Abstimmungsverfahren läuftKapazität 70.000 Tonnen pro Jahr; Baubeginn 2025, Inbetriebnahme 2027 geplant
    Umstellung auf klimafreundliche Produktion/Arkema

    400

    Projekt im Juli 2022 vorgestellt; Umsetzung läuftAbsenkung Treibhausausstoß um 46 Prozent gegenüber 2019; fortlaufend bis 2030
    Aufbau einer dekabornisierten Wasserstoffproduktion/Total Energie, Air Liquide (Plattform La Mède; Châteauneuf-les Martigues)

    150

    Projektankündigung November 2024Kapazität 25.000 Tonnen H2O jährlich; Inbetriebnahme geplant 2028
    Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2025

    Mercosur öffnet wichtige Märkte

    Zudem dürfte das in Frankreich umstrittene Freihandelsabkommen Mercosur dem Gesamtsektor, vor allem aber der in Frankreich starken Kosmetiksparte erneuten Anschub geben. Der Verband für die Kosmetikindustrie Febea erwartet eine steigende Nachfrage insbesondere aus Brasilien.

    Chemiebranche muss sich anpassen

    Außerhalb der Spezialchemie schränken Unternehmen ihre Investitionen aber ein. Lediglich Investitionen in Wartung und Instandhaltung sowie Anpassung an regulative Vorgaben erfolgen weiterhin. Die Branche müsste aber weitere Innovation anstoßen, so der Marktanalyst Xerfi. Denn die Chemiebranche steht vor einer tiefgreifenden Transformation. Sie muss sich an Nachfrageveränderungen anpassen und weiter in Digitalisierung und KI-gesteuerte Prozessoptimierung investieren, auch um international nicht weiter an Wettbewerbsfähigkeit einzubüßen.

    Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris

  • Nachhaltigkeit in der Chemieindustrie

    Unternehmen halten trotz der schwierigen Lage an bereits aufgelegten Dekarbonisierungsplänen fest. Wasserstoffprojekte hingegen geraten ins Stocken. 

    Die Chemieindustrie erzeugt gut ein Viertel der Klimagase der gesamten französischen Industrie. Damit steht die Branche im Fokus von Initiativen zur Dekarbonisierung. Die Stratégie Nationale Bas-Carbone aus dem Jahr 2021 sowie die Branchenroadmap Dekarbonisierung sehen bis 2030 eine Rückführung der Treibhausgasemissionen um mindestens 26 Prozent gegenüber 2015 vor.

    Die garantierten Einsparungen sollen 5,7 Megatonnen Kohlendioxid(CO₂)-Äquivalent erreichen. Im Rahmen der freiwilligen Selbstverpflichtung stellt die Branche eine zusätzliche Verringerung des Ausstoßes von Treibhausgasen in Aussicht. Die Gesamtreduktion könnte sich so statt 26 auf bis zu 49 Prozent im Zeitraum bis 2030 belaufen.

    Und tatsächlich waren die Emissionen der Branche bereits 2024 um rund 28 Prozent oder 6,2 Megatonnen niedriger als im Bezugsjahr 2015. Allerdings beruhte dieser Rückgang laut Angaben des Industrieverbandes France Chimie zu zwei Dritteln auf Werksschließungen oder dem Drosseln von Produktionen. Aktuelle Unternehmensbeispiele sind ExxonMobil, das 2024 seine Steamcracker-Anlage in Port-Jérôme-sur-Seine abgeschaltet hat und sich aus dem französischen Markt zurückzieht. Auch gab LAT Nitrogen Anfang 2025 seine Ammoniak-Produktion in Grandpuits auf. Dieser Trend dürfte sich fortsetzen. France Chimie befürchtet, dass in den kommenden drei Jahren 47 Chemieunternehmen ihre Tore schließen werden.

    An der Dekarbonisierung der Branche aber wird kein Weg vorbeigehen. Eine bessere CO2-Bilanz dürfte mit Blick auf den CO2-Grenzausgleichmechanismus der EU und steigende Emissionspreise in Zukunft ein Element sein, die Wettbewerbsposition zu verbessern. Und angesichts eines sich verändernden Klimas gewinnt die Anpassung von Produktionsstätten an extreme Wetterphänomene wie Starkregen oder ausgedehnte Hitze- und Dürreperioden an Bedeutung.

    Der Staat hilft bei der Dekarbonisierung

    Frankreichs Regierung hat für die Dekarbonisierung des produzierenden Gewerbes Unterstützungsleistungen von insgesamt 10,6 Milliarden Euro zugesagt. Speziell für die Dekarbonisierung der 50 größten industriellen Treibhausgasemittenten sind 5 Milliarden Euro reserviert. Die EU-Kommission hat dieses Transformationsförderprogramm im Februar 2025 genehmigt.

    Die Bemühungen zur Dekarbonisierung der Chemieindustrie stehen die 16 größten Treibhausgasemittenten der Branche. Ende November 2023 vereinbarte die Regierung mit Unternehmen wie TotalEnergies und LAT Nitrogen eine jeweils individuelle Dekarbonisierungsstrategie. Die entsprechenden Verträge (Contrats de Transition Écologique de l'Industrie) setzen auf eine Steigerung der Energieeffizienz, die Elektrifizierung der Produktion unter verstärktem Einsatz dekarbonisierten Wasserstoffs sowie die Abscheidung und Speicherung von CO2.

    Chemieunternehmen mit Transitionsvertrag CO2-Ausstoß in tCO2e; Reduzierungsziel in Prozent
    GruppeStandortProduktionCO2-Ausstoß 2015Reduzierungsziel
    NaphtachimieLavéraOlefine

    1.468.000

    15 - 24

    BorealisGrandpuitsAmmoniak und Düngemittel

    726.197

    42 - 56

    BorealisGrand-QuevillyAmmoniak und Düngemittel

    579.758

    65 - 82

    VersalisMardyckOlefine

    643.720

    19 - 36

    HumensLaneuville-devant-NancyKarbonate

    609.217

    60

    AlsachimieChalampéOrganische Chemie

    548.930

    37

    LyondellBasellBerreBasischemie

    1.217.000

    35

    TotalEnergiesGonfreville, Fezin, DongesOlefine

    6.000.000

    50

    YaraLe HavreAmmoniak und Düngemittel

    750.000

    39 - 73

    PetroineosLavéraOlefine

    1.561267

    24 - 31

    Quelle: Französische Regierung 2023

    Kleine und mittlere Unternehmen können Hilfen aus Förderprogrammen der staatlichen Umweltagentur Ademe abrufen. Diese hält für Investitionen in Dekarbonisierung, Energieeffizienz und Wasserstoff im Rahmen der Programme Decarb IND und DECARB IND+ bis zu 200 Millionen Euro bereit. Der Fonds Chaleur unterstützt Effizienzsteigerungen bei Wärme-/Kälteerzeugung und Energierückgewinnung. Angesichts der Sparzwänge auf Regierungsseite ist aber offen, ob die laufenden Förderprogramme in ihrer Gesamtheit weiterlaufen können.

    Wasserstoffprojekte geraten ins Stocken

    Große Wasserstoffprojekte werden langsamer umgesetzt als geplant. Es fehlt eine umfassende Wasserstoffinfrastruktur. Viele Technologien wie die Elektrifizierung von Prozessen, die Herstellung von grünem Wasserstoff oder das Abscheiden und Speichern von CO2 sind noch nicht marktreif. Zudem halten sich die Banken nach Unternehmensinformationen mit Finanzierungszusagen für Dekarbonisierungsprojekte zurück. Die Preise für dekarbonisierten Wasserstoff gelten bislang noch als zu hoch, um Vorhaben in die Rentabilitätszone zu bringen.

    Der Energiekonzern TotalEnergies treibt seine Wasserstoffprojekte aber weiter voran. So sichert eine bereits im September 2023 getroffene Vereinbarung zwischen TotalEnergies und Air Liquide, dass die Raffinerie- und Petrochemieplattform von TotalEnergies in der Normandie langfristig mit grünem und kohlenstoffarmem Wasserstoff versorgt wird. Im Juni 2024 schloss TotalEnergies mit dem US-Unternehmen Air Products eine weitere Liefervereinbarung über den Bezug von 70.000 Tonnen Wasserstoff jährlich ab. Der Energieriese will die Prozesse in seinen sechs europäischen Raffinerien dekarbonisieren, um ab 2030 pro Jahr 5 Millionen Tonnen CO₂ einzusparen. Zudem kündigte TotalEnergies Ende 2024 an, dekarbonisierten Wasserstoff in Kooperation mit Air Liquide auf der Industrieplattform La Mède im Süden Frankreichs herzustellen. Die dafür veranschlagte Investition beläuft sich auf 150 Millionen Euro.

    Auch deutsche Unternehmen engagieren sich im Bereich Wasserstoff. So haben Siemens Frankreich und FertigHy im Januar 2025 vereinbart, gemeinsam eine Anlage zur Herstellung von Düngemitteln aus kohlenstoffarmem Wasserstoff in Nordfrankreich zu errichten.

    Großkonzerne investieren in die grüne Transformation

    Neben den bereits angeschobenen Projekten halten sich Unternehmen angesichts hoher Finanzierungskosten und der schwachen Branchenkonjunktur mit Neuinvestitionen jedoch häufig zurück. Gerade große Chemieunternehmen entwickeln aber Speziallösungen, um die Transformation in Richtung klimafreundliche Produktion voranzutreiben.

    Arkema, einer der Chemieriesen des Landes, hat im Juli 2022 angekündigt, bis 2030 rund 400 Millionen Euro in Klimatechnologie zu investieren. Der belgische Chemiekonzern Solvay plant, seine Natriumcarbonatproduktion in Dombasle-sur-Meurthe in Kooperation mit der französischen Veolia auf Ersatzbrennstoffe umzustellen.

    Aber auch kleinere Unternehmen müssen nachziehen. So geht der Marktanalyst Xerfi davon aus, dass Branchenunternehmen keine andere Wahl haben, als ihre Transformation in Richtung Dekarbonisierung voranzutreiben. Nur so könnten sie wettbewerbsfähig bleiben.

    Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris

  • Branchenstruktur

    Frankreichs Chemiesektor zählt zu den wichtigsten Industrien des Landes. Branchengrößen verstärken Kooperationen mit Start-ups sowie mit kleinen und mittleren Unternehmen.

    Die chemische Industrie hat in Frankreich eine lange Tradition und ist in allen Segmenten der Produktion gut vertreten. Das Land verfügt nach Deutschland über die zweitgrößte Chemieindustrie in Europa und über die fünftgrößte weltweit. Die knapp 4.000 Branchenunternehmen erwirtschafteten 2024 mit ihren rund 229.000 Mitarbeitenden laut France Chimie einen Gesamtumsatz von 102 Milliarden Euro. Der Beitrag der Chemiebranche zu Frankreichs Gesamtausfuhren lag 2024 bei 12,8 Prozent, womit sie der wichtigste Exportzweig war.

    Unternehmenskooperation gewinnt an Bedeutung

    Kleine und mittlere Unternehmen prägen die Chemielandschaft. Rund 94 Prozent der Branchenakteure beschäftigen weniger als 250 Mitarbeitende. Das Land verfügt jedoch auch über große, international aufgestellte Konzerne wie TotalEnergies, Arkema, Air Liquide und Kem One. Darüber hinaus ist Frankreich besonders für US-Unternehmen ein wichtiger Produktionsstandort in Europa.

    Auch die großen deutschen Chemiekonzerne sind in Frankreich aktiv. Allein BASF ist mit rund 15 Produktions- und mehreren Forschungsstandorten vertreten und beschäftigt mehr als 3.000 Mitarbeitende. Bayer betreibt mit ebenfalls rund 3.000 Mitarbeitenden sechs Fabriken sowie Forschungs- und Entwicklungszentren in Frankreich.

    Gerade Großunternehmen investieren in die eigene Forschung und Entwicklung, setzen zunehmend aber auch auf übergreifende Kooperationen mit kleinen und mittleren Firmen oder Forschungsinstitutionen. Durchschnittlich rund 8 Prozent der jährlichen Brancheninvestitionen entfallen laut Branchenverband auf Forschung und Entwicklung.

    Zudem macht sich die Chemiebranche auf die Suche nach Start-ups, die mit unkonventionellen Technologien und Konzepten den Umbau der Produktion vorantreiben sollen. Konzerne wie Air Liquide oder Solvay fördern die Entwicklung innovativer Anwendungen und Technologien durch eigene Investitionsfonds. France Chimie betreibt in Kooperation mit der BPI France für Start-ups den Hub ChemTech. Landesweit mehr als 100 Start-ups fokussieren sich unter anderem auf Geschäftsfelder wie das chemische Recycling, biobasierte Chemie, Digitalisierung in der Chemie und Batterieforschung.

    Regionale Cluster fördern die Spezialisierung

    Die Herstellung chemischer Erzeugnisse konzentriert sich in regionalen Clustern und an spezialisierten Standorten. Ein Großteil der Unternehmen produziert in einer von insgesamt 18 Chemieplattformen. Einer der bedeutendsten Standorte der Branche ist die Region Auvergne-Rhône-Alpes mit starken Industrie- und Forschungsclustern in Lyon (Vallée de la Chimie), Les-Roches-Roussillon und Grenoble (Grenoble Chemical Park). Hier haben Konzerne wie Arkema, BASF, Bayer und Solvay Produktions- und Forschungsstandorte errichtet.

    Der Großraum Le Havre ist Europas Zentrum der Düngemittelproduktion und der französischen Petrochemie. Der Hafen von Le Havre ist ein wichtiges Hub für den Chemieimport und -export mit Produktionsniederlassungen von TotalEnergies, Arkema und BASF. 

    Ein weiterer wichtiger Petrochemiestandort ist die Region Provence-Alpes-Côte-d’Azur (PACA) mit dem Großraum Marseille. Firmen wie Petroineos, LyondellBasell, Kem One, Total Petrochemicals oder Arkema sind dort mit großen Produktionsstätten vertreten. Weitere bedeutende Cluster befinden sich im Norden des Landes im Großraum Lille und in der Hauptstadtregion, wo die Schwerpunkte in der Forschung und Spezialchemie liegen.

    Das wichtigste Regionalzentrum für die in der Kosmetik- und Parfümherstellung benötigte Spezialchemikalien befindet sich im südfranzösischen Grasse. Im Einzugsbereich von Sofia Antipolis bei Nizza hat sich zudem ein Schwerpunkt im Bereich biobasierte Chemie entwickelt.

    Wichtige Branchenunternehmen in FrankreichUmsatz in Milliarden Euro

    Unternehmen

    Sparte

    Umsatz 2024

    Total Petrochemicals France

    Petrochemie

    3,1

    Arkema Spezialchemie

    2,9

    Parfums Christian DiorKosmetik

    2,4

    BASF FranceBasischemie, Spezialchemie

    1,6

    Air Liquide France IndustriesIndustriegase

    1,3

    Bayer SASAgrarchemie, Pharma, Spezialchemie

    1,2

    AdisseoErgänzungsstoffe für Tierfutter

    1,1

    Kem Oneorganische Chemie

    1,0

    Syensqo France (Solvay)Basischemie, organische Chemie

    1,0

    Yara FranceDüngemittel

    0,7

    Quelle: Auskunftei Verif 2025

    Unternehmen verstärken Investitionen in grüne Chemie

    Zahlreiche Innovationscluster engagieren sich in der Entwicklung nachhaltiger Lösungen ("grüne Chemie") und neuer Materialien, die unter anderem von den in Frankreich starken Branchen Luft- und Raumfahrt, Automobil oder Mode nachgefragt werden.

    Großunternehmen wie TotalEnergies oder Arkema investieren in die umweltgerechte Anpassung ihrer Produktpalette. Aber auch kleinere Unternehmen und Start-ups entwickeln häufig außerhalb der führenden Chemiezentren des Landes Anwendungen der biobasierten Industrie. In der südwestlichen Region Nouvelle-Aquitaine hat sich seit 2010 im Rahmen des Clusters Aquitaine Chimie Durable ein aufstrebendes Zentrum grüner Chemie entwickelt. Im ehemaligen Raffineriezentrum Carling in der Region Moselle siedeln sich auch mit Unterstützung von TotalEnergies – Chemieunternehmen an, die sich auf grüne Chemieerzeugnisse fokussieren.

    Kosmetikbranche stützt die französische Chemie

    Knapp 45 Prozent der Produktion der französischen Chemie entfällt auf Grundstoffe. Damit spielen Basischemikalien eine geringere Rolle als in Deutschland. Mehr Gewicht als in Deutschland kommt in Frankreich hingegen der Sparte Düngemittel und Pflanzenschutz zu. Auch Firmen wie Bayer produzieren in diesem Bereich im Land. Die Sparte gerät aufgrund sich ändernder politischer und gesellschaftlicher Vorgaben sowie steigender Kosten aber zunehmend unter Druck.

    Frankreich ist zudem mit weltweit führenden Herstellern wie L'Oréal, Chanel, Dior Parfums und Guerlain ein wichtiger Standort für die Produktion und den Export von Kosmetik, Körperpflegemitteln und Duftstoffen. Ein Drittel der Produktion und Exporte entfällt auf diese Sparte. 

    Daten zu den Produktionsmengen der chemischen Industrie werden seit 2017 nur sehr lückenhaft veröffentlicht. Viele Angaben werden aufgrund der überschaubaren Zahl an Unternehmen als "vertraulich" eingestuft und nicht ausgewiesen. Damit erlauben die verfügbaren Daten nur einen eingeschränkten Blick auf die Branchenentwicklung.

    Produktion ausgewählter chemischer Erzeugnisse in Frankreich In Millionen Euro; Veränderung und Marktanteil in Prozent

    Sparte (NACE-Code)

    2023

    Veränderung 2023/2022

    Marktanteil *)

    Chemische Grundstoffe (20.1)

    36.287

    -7,2

    43,9

    Schädlingsbekämpfung und Pflanzenschutz (20.2)

    5.040

    -0,5

    6,1

    Farben und Lacke (20.3)

    3.931

    6,5

    4,6

    Seifen, Wasch-, Reinigungs- und Körperpflegemittel sowie Duftstoffe (20.4)

    28.077

    -3,0

    34,0

    Andere chemische Produkte (20.5)

    9.309

    -15,2

    11,0

    Chemiefasern (20.6)

    129

    -5,1

    0,2

    * Marktanteil chemische Produkte (NACE 20.1 bis 20.6) berechnet in Bezug auf die gesamte NACE-Gruppe 20.Quelle: Statistikamt Insee 2025; Berechnungen von Germany Trade & Invest

    Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris

  • Rahmenbedingungen

    In Frankreich gelten die Regeln der EU für die Zulassung von Chemikalien. Darüber hinaus kann es zusätzliche Einschränkungen für den Einsatz von Chemie geben.

    Die Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe unterliegt den Bestimmungen der EU-Chemikalienverordnung REACH. Der deutsche REACH-CLP-Biozid-Helpdesk der Bundesbehörden gibt darüber detaillierte Auskunft.

    Frankreich erlässt zum Teil unilateral Einschränkungen für den Einsatz von Chemikalien. Bei der Gesetzgebung sind je nach Anwendungsbereich verschiedene Ministerien federführend (einzeln oder vielfach gemeinsam).

    Für das Verbot von Pestiziden, die Neonicotinoide enthalten, sind die Ministerien für Gesundheit (Ministère des Solidarités et de la Santé), Landwirtschaft (Ministère de l’Agriculture et de l‘Alimentation) und Umwelt (Ministère de la Transition écologique et solidaire) verantwortlich. Diese hatten zwar für den Zuckerrübenanbau Ausnahmen vom Verbot des Einsatzes von Neonicotinoiden eingeräumt. Mittlerweile ist der Einsatz dieser Kategorie von Pestiziden vollumfänglich verboten. Ein 2025 erlassenes Gesetz ("Loi Duplomb") hatte für das Pflanzenschutzmittel Acetamiprid zunächst eine abweichende Regelung vorgesehen. Eine Petition gegen die Loi Duplomb sammelte in kürzester Zeit mehr als 1 Million Unterschriften. Im Rahmen eines Klageverfahrens untersagte das französische Verfassungsgericht letztlich auch den Einsatz von Acetamiprid.

    Im innergemeinschaftlichen Warenverkehr der EU sind die Regelungen des EU-Umsatzsteuerkontrollverfahrens zu beachten. Informationen hierzu finden sich auf der Internetseite des Bundeszentralamtes für Steuern. Hinsichtlich der Normierung gelten die einschlägigen EU-Richtlinien (siehe etwa die Website des Deutschen Instituts für Normung e.V.).

    Germany Trade & Invest stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.

    Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    Germany Trade & Invest

    Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft

    AHK Frankreich

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    Ministère de la Transition écologique, de la Biodiversité, de la Forêt, de la Mer et de la PêcheUmweltministerium

    France Chimie

    Chemieverband

    Union des industries de la fertilisation (Unifa)

    Düngemittelverband
    Ufip Énergies et MobilitésVerband der Ölindustrie
    Fédération des industries des peintures, encres, couleurs, colles et adhésifs, préservation du bois (Fipec)Verband für Farben, Lacke, Klebstoffe und Holzschutzmittel
    Union des transformateurs de polymères (Polyvia)Verband für Kunststoffe und Verbundwerkstoffe
    L’Usine NouvelleFührende Industriefachzeitschrift
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