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Wirtschaftsumfeld | Grönland | Wirtschaftsstruktur

Grönland setzt auf Allianzen und Autonomie

Die größte Insel der Welt ist noch lange nicht vollständig erschlossen. Und auch bis zur vieldiskutierten Unabhängigkeit scheint es noch ein langer Weg. GTAI ordnet ein.

Von Judith Illerhaus, Leonie Schneiderhöhn | Stockholm, Bonn

Kaum ein Land hat in diesem Jahr so viel unerwartetes mediales Interesse erhalten wie Grönland. Die Insel wurde aufgrund ihrer hohen Rohstoffvorkommen und ihrer strategisch-geopolitischen Lage mehrfach von US-Präsident Trump zum Kauf beansprucht – allerdings mit mehrheitlicher Ablehnung durch die Grönländer selbst. Noch ist das Land in großen Teilen abhängig vom Königreich Dänemark, durch das es im 18. Jahrhundert kolonialisiert wurde. Im Jahr 1979 erhielt Grönland den Status der Autonomie und befindet sich seit 2009 in Selbstverwaltung. Ein neues Abhängigkeitsverhältnis mit den USA wünscht sich die Bevölkerung nicht.

Das Thema Unabhängigkeit prägte auch die lokalen Parlamentswahlen im März 2025. Gewonnen hat die Mitte-rechts-Partei Demokraatit, die sich für eine behutsame Abnabelung von Dänemark ausspricht. Die zweitplatzierte, nationalistische Partei Naleraq hingegen pocht auf eine rasche Abspaltung. Andreas Wenzel, Geschäftsführer der Auslandshandelskammer (AHK) Dänemark, verweist in einem Gespräch mit Germany Trade & Invest (GTAI) auf einen noch langen Weg bis zur Unabhängigkeit: "Gemeint ist damit konkret die Übernahme von insgesamt 32 hoheitlichen Aufgaben durch das autonome Gebiet, die derzeit zum großen Teil noch von Dänemark ausgeführt werden. Über den Bereich der Rohstoffe entscheiden die Grönländer beispielsweise schon heute selbst sowie über ihre Zeitzone." Weitere Einschätzungen und Hintergründe liefert das Interview mit Herrn Wenzel am Ende des Berichts.

Europa und Grönland sind durch zahlreiche Statuten miteinander verbunden 

Im Gegensatz zu Dänemark ist Grönland kein Mitglied der EU, profitiert jedoch durch deren OCT-Statut (Overseas Countries and Territories, Vertrag zur Assoziation überseeischer Länder und Hoheitsgebiete) von Handelsvorteilen mit der EU. Von 2021 bis 2027 erhält Grönland 225 Millionen Euro von der EU zur Unterstützung der Bereiche nachhaltige Entwicklung, Bildung und grünes Wachstum. Von allen Überseegebieten der EU erhält es damit die meisten Fördermittel. Auch Dänemark selbst gewährt dem Land einen allgemeinen jährlichen finanziellen Zuschuss zur Deckung seiner Kosten. Die neue grönländische Ministerin für auswärtige Angelegenheiten und Forschung, Vivian Motzfeldt, betonte während ihres ersten Auslandsbesuchs in Brüssel im Mai 2025 die Wichtigkeit der EU für die grüne Insel:

"Die EU war schon immer ein wichtiger Partner für Grönland. In diesen schwierigen Zeiten, in denen Grönland steckt, ist es wichtig, dass wir mit unseren zuverlässigen Partnern, die die gleichen Werte wie wir teilen, enger zusammenrücken." 

Im Rahmen der Global-Gateway-Strategie und der Arktis-Strategie der EU wird die Insel ebenfalls subventioniert. Der Fortschritt der Arktis-Strategie wurde im März 2024 symbolisch mit der Eröffnung eines Büros der EU-Kommission in Nuuk zelebriert. Im November 2023 unterzeichneten die EU und Grönland zudem eine Absichtserklärung über kritische Rohstoffe. Sie spiegelt das gemeinsame Engagement für eine nachhaltige Ressourcenentwicklung wider und positioniert Grönland als strategischen Rohstofflieferanten für den grünen Wandel Europas. 

Grönland arbeitet neben der EU offiziell mit den Vereinten Nationen und der Welthandelsorganisation zusammen. Das Land ist ein unabhängiges De-facto-Mitglied der NATO und des Nordischen Rates. Außerdem beteiligt Grönland sich aktiv am Inuit Circumpolar Council, einer multinationalen NGO, die laut eigener Angabe etwa 150.000 Inuit aus den Vereinigten Staaten, Kanada, Grönland und Russland vertritt.

Kleiner Arbeitsmarkt auf großer Insel 

Mit einer Fläche von rund 2,2 Millionen Quadratkilometern ist Grönland die größte Insel der Welt. Gleichzeitig ist sie das am dünnsten besiedelte Land der Welt: Statistisch gesehen leben etwa 0,3 Menschen auf 1 Quadratkilometer. Die rund 57.000 Einwohner auf der Insel wohnen hauptsächlich in der Küstenhauptstadt Nuuk, der Rest entlang der Südwestküste. Mehr als 81 Prozent der Insel sind von Eis bedeckt, was den Bau von Transportwegen zwischen den Städten erschwert und Personen- und Frachttransport nur via Schiff oder Flugzeug erlaubt. Der Ausbau des Flughafens Nuuk wurde im November 2024 nach vielen Jahren abgeschlossen. Andere Projekte, die die Erreichbarkeit aus dem Ausland erleichtern sollen, stehen noch aus.

Ein Großteil der arbeitenden Bevölkerung war im Jahr 2022 in öffentlichen Stellen in Kommunen oder bei der grönländischen Regierung beschäftigt. Weitere Beschäftigungsbereiche sind Jagdwirtschaft, Fischerei oder Landwirtschaft und Großhandel sowie Bauwirtschaft. Grönlands internationale Ausrichtung nimmt zu: Migranten stellen mittlerweile 4,3 Prozent der Gesamtbevölkerung. Wichtigste Herkunftsländer von Einwanderern sind neben Dänemark die Philippinen, Thailand und Polen. 

 

Der öffentliche Dienst ist Hauptarbeitgeber in Grönlandin 2022
Branche

Anzahl der Mitarbeitenden

Öffentlicher Dienst

12.873

Fischerei, Jagd, Landwirtschaft

4.441

Großhandel

3.075

Bauwesen

2.308

Transport

2.043

Geschäftstätigkeiten

1.761

Rest

2.491

Gesamt

28.992

Quelle: Statbank Greenland 2025

Der grönländische Arbeitsmarkt folgt im Allgemeinen dem skandinavischen Modell mit Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen, Tarifverträgen und einer umfassenden Gesetzgebung zu Arbeitnehmerschutz, Schlichtungsverfahren, Urlaub und Arbeitnehmerentschädigung.

Die lokale Wirtschaft ist zum großen Teil in öffentlicher Hand

Die Wirtschaft Grönlands wird von wenigen Sektoren geprägt. Rund ein Drittel der gesamten Wertschöpfung entfällt auf die Fischerei, die im Jahr 2021 einen Umsatz von umgerechnet etwa 347 Millionen Euro erzielte. Das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts der Insel lag laut vorläufiger Angaben der grönländischen Statistikbehörde in den Jahren 2022 und 2023 bei jeweils 2,0 und 0,9 Prozent. 

In den letzten drei öffentlich verfügbaren Aufzeichnungsjahren der Statistikbehörde bis 2021 stieg der Umsatz am stärksten in den folgenden drei Branchen: Bergbau (+83,7 Prozent), administrative und unterstützende Dienstleistungen (+56,3 Prozent) und Bauwesen (+51,8 Prozent). Es ist zu erwarten, dass sich dieser Trend fortsetzen wird.

Die größten Unternehmen des Landes sind gleichzeitig auch vollständig in staatlicher Hand. Es handelt sich dabei um Royal Greenland (Fischerei), KNI (Großhandel und Öl), Royal Arctic Line (Schifffahrt), Air Greenland (Luftverkehr) und Tusass (Telekommunikation). 

Fisch ist Grönlands wichtigstes Handelsgut

Mehr als 90 Prozent der grönländischen Exporte machen traditionell Fischereiprodukte aus. Im Jahr 2023 belief sich deren Wert auf umgerechnet 786,9 Millionen Euro, gefolgt mit weitem Abstand von Maschinen und Transportequipment im Wert von 8,5 Millionen Euro. Damit ist Grönland stark abhängig von seiner Fischereibranche und den internationalen Käuferpreisen. Größter Partner im Export ist Dänemark, mit sehr großem Abstand gefolgt von Island. Im Jahr 2024 entfielen rund 22,5 Millionen Euro des grönländischen Exportvolumens auf den Verkauf von Zubereitungen von Fleisch und Fisch nach Deutschland. 

Da Grönland neben der Fischerei kaum andere Wertschöpfung kreiert, muss der Rest importiert werden. Dazu zählten im Jahr 2023 hauptsächlich Maschinen und Transportequipment im Wert von 220,3 Millionen Euro. Darauf folgten Lebensmittel und Vieh im Wert von 154,6 Millionen Euro und Fertigprodukte beziehungsweise Komponenten im Wert von 152,2 Millionen Euro. Es wird hauptsächlich aus der EU importiert, insbesondere aus Dänemark und Schweden. Aus Deutschland bezieht Grönland vor allem Kraftfahrzeuge, Maschinen sowie elektrotechnische Erzeugnisse. Deutschland befindet sich zwar unter den sechs wichtigsten Handelspartnern, allerdings sind die Handelsströme minimal.

"Bis zu einer wirtschaftlich profitablen Förderung werden noch Jahre vergehen"

Andreas Wenzel, Geschäftsführer, AHK Dänemark, Andreas Wenzel, Geschäftsführer, AHK Dänemark, | © AHK Dänemark

Andreas Wenzel, Geschäftsführer der AHK Dänemark, verantwortet neben Deutschlands nördlichem Nachbarn auch die Zuständigkeit für Grönland. Im Interview ordnet er das globale Interesse an der Insel und mögliche Zukunftschancen für deutsche Unternehmen ein.

Herr Wenzel, wie haben Sie die letzten Monate in Bezug auf Ihre Geschäftstätigkeit in Grönland erlebt?

Die diversen Anfragen rund um Grönland haben sich im letzten Jahr merklich gehäuft. Es gibt viel Interesse an dem Land und seinen Potenzialen, unternehmensseitig, aber auch vonseiten politischer Entscheidungsträger. Für bestimmte Branchen wie den Bergbau war Grönland aber auch zuvor schon interessant und wurde in den entsprechenden Kreisen thematisiert.

Bergbau ist ein gutes Stichwort. Wie schätzen Sie hier die Chancen einer wirtschaftlichen Aktivität ein? Und wie sieht es mit weiteren Branchen aus?

Vielleicht kennen Sie die Studie der Deutschen Rohstoffagentur DERA, die meines Wissens derzeit noch die detaillierteste Potenzialstudie liefert – und die stammt aus dem Jahr 2010. Zum Alter der Studie kommt noch hinzu, dass die fehlende Infrastruktur vor Ort und ökologische Anforderungen an die besonderen Gegebenheiten die Erschließung der Insel deutlich erschweren. Beispielsweise hat Grönland vor einigen Jahren den Uran-Abbau verboten. Fakt ist, dass bis zu einer wirtschaftlich profitablen Förderung noch Jahre vergehen werden. Darüber hinaus ist die wirtschaftliche Tätigkeit Stand heute eher dünn und beschränkt sich auf die Fischerei und einen kleinen Teil Tourismus. Auch hier wird zum Beispiel das Thema Kreuzfahrttourismus aus ökologischen Aspekten als ein schwieriges eingeschätzt. Aber mit dem Bau des Flughafens Nuuk hat sich zumindest die Erreichbarkeit verbessert. 

Wie würden Sie die zukünftige Situation Grönlands skizzieren?

Zunächst einmal muss sich Grönland wirtschaftspolitisch konsolidieren. Und ohne die Zukunft vorhersagen zu können, sind wir der Meinung, dass eine enge Zusammenarbeit zwischen Grönland und Europa die zielführendste wäre. Wenn man bedenkt, auf welchem Stand das Land aktuell noch ist, könnten sich Chancen in den Bereichen Ingenieurdienstleistungen und Consulting, aber auch bei der umweltfreundlichen Förderung von Rohstoffen ergeben. Auch Sektoren wie die Luftüberwachung, Kartierung und Fernerkundung werden eine Rolle spielen.

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