Der indische Bausektor wird von lokalen Konzernen dominiert. Ausländische Unternehmen punkten bei Großprojekten meist nur in Konsortien.
Wettbewerbssituation
Der indische Tiefbau ist fest in der Hand großer lokaler Infrastrukturkonzerne wie Larsen & Toubro oder Reliance Infrastructure. Ausländische Unternehmen kommen vor allem dann zum Zuge, wenn sie sich im Rahmen eines Konsortiums an einer Ausschreibung beteiligen. Bei Großvorhaben im Hafen- und Flughafenbau oder im Transport- und Energiesektor sind Finanzierungsmodelle wie öffentlich-private Partnerschaften und Zweckgesellschaften (Special Purpose Vehicle) weit verbreitet.
Große Hochbauprojekte im Privatsektor werden von lokalen Immobilienentwicklern wie DLF, Prestige Group, Lodha Group oder Godrej Properties umgesetzt. Die Entwickler konzentrieren sich dabei meist auf ihre regionalen Stammmärkte und arbeiten dort als Generalunternehmen mit lokalen Baufirmen zusammen. Der Staatskonzern NBCC India spielt bei öffentlichen Bauvorhaben eine wichtige Rolle.
Ausgewählte Strukturdaten zur Bauwirtschaft in IndienKennziffer | 2024 | 2025* | Veränderung 2025/2024 (in Prozent) |
|---|
Wert der Bauinvestitionen insgesamt (in Milliarden US$) | 1.000 | 1.200 | 20 |
Tiefbau/Infrastrukturbau (in Milliarden US$) | 475 | 512 | 7,8 |
Wert der erbrachten Ingenieur-, Architektur- und Consultingleistungen (in Milliarden US$) | 18,3 | 19,6 | 7,1 |
Wohnbau: | | | |
Fertigstellungen (Anzahl Einheiten) | 350.835 | 372.936 | 6,3 |
Hausverkäufe (Anzahl Einheiten) | 271.818 | 302.867 | 11,4 |
*PrognoseQuelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2025
Geschäftspraxis
Indiens Bausektor steht ausländischen Investoren zwar grundsätzlich offen. Direktinvestitionen in Projekte im Wohnungs-, Gewerbe sowie im öffentlichen Bau sind – unter Auflagen – bis 100 Prozent erlaubt und werden im beschleunigten Genehmigungsverfahren (Automatic Route) bewilligt. Das Geschäft läuft aber meist über persönliche Beziehungen, was den Markteintritt erschwert.
Vorhaben der öffentlichen Hand werden auf der zentralen Ausschreibungsplattform der indischen Regierung veröffentlicht. Zwar ist der Prozess weitgehend digitalisiert und damit transparenter. Deutsche Unternehmen bemängeln jedoch, dass die Tender oft auf indische Firmen zugeschnitten sind und Ausschreibungen nicht selten wieder zurückgezogen werden, wenn nicht das gewünschte Ergebnis eintrifft.
Bei Straßen- und Schienenverkehrsprojekten ist es üblich, dass das Vorhaben nicht als Ganzes, sondern in mehreren Teilabschnitten oder Tranchen ausgeschrieben wird.
Viele Infrastrukturprojekte überschreiten Kosten- und Zeitrahmen
In Indien sind finanzielle und zeitliche Überschreitungen bei Infrastrukturprojekten keine Seltenheit. Die Infrastructure and Project Monitoring Division veröffentlicht regelmäßig Statusberichte zu Vorhaben der Zentralregierung mit einem Investitionsvolumen von mehr als 18 Millionen US-Dollar (US$). Im langjährigen Mittel liegen rund 50 Prozent der Vorhaben über dem geplanten Zeitrahmen, bei einer durchschnittlichen Kostenüberschreitung von etwa 20 Prozent des gesamten Projektvolumens.
Im Privatsektor laden die Projektentwickler die Unternehmen zur Angebotsabgabe (Request for Quotation/Request for Proposal) ein. Um an Projektfrühinformationen zu gelangen, ist der Aufbau eines Netzwerks zu den privaten Infrastrukturkonzernen wichtig. Die zahlreichen Messen und Konferenzen zu verschiedenen Aspekten des Tiefbaus bieten hierfür eine gute Plattform.
Rechtliche Absicherung wichtig
Während die Projektplanung inzwischen oft auf internationalem Niveau ist, gibt es bei der Bauausführung hinsichtlich Qualität und Termintreue zum Teil noch Defizite. Vor allem bei öffentlichen Bauaufträgen sind Verzögerungen und Kostenüberschreitungen eher die Regel. Die Zahlungsmoral im indischen Baugewerbe gilt als äußerst schwach. Daher sollten Unternehmen bei der Vertragsgestaltung Punkte wie Zahlungsmodalitäten und Streitschlichtung frühzeitig klären, um sich rechtlich abzusichern.
Neue Trends in der indischen Bauindustrie
Der Markt für die Vermietung von Baumaschinen verzeichnet in Indien ein erhebliches Wachstum. Es gibt sogar auf die Vermietung von Baumaschinen spezialisierte Anbieter.
Die Anmietung von Geräten bietet kostengünstige Lösungen für Bauunternehmer, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen. Außerdem ermöglicht die Anmietung den Zugang zu fortschrittlichen Maschinen ohne erhebliche Kapitalinvestitionen.
Nachhaltigkeitsinitiativen
Die Verwendung von recycelten Materialien, energieeffizienten Designs und umweltfreundlichen Produktionsprozessen werden in der Branche immer wichtiger. Im Einklang mit den globalen Klimazielen werden Elektro- und Hybridmaschinen wie beispielsweise Elektrobagger und -lader an Dynamik gewinnen und die Emissionen und Betriebskosten senken. Biokraftstoffe und wasserstoffbetriebene Geräte entwickeln sich ebenfalls zu vielversprechenden Alternativen.
Digitale Lösungen, darunter Building Information Modeling und Flottenmanagement-Software, revolutionieren das Projektmanagement. Echtzeitüberwachung und vorausschauende Wartung verbessern die Betriebszeit der Anlagen und senken die Betriebskosten.
Baumaschinenhersteller investieren stark in Forschung und Entwicklung, um innovative Produkte einzuführen, die den vielfältigen Bedürfnissen des indischen Marktes gerecht werden. Autonome Geräte, Hybridmotoren und Telematik gestalten die Branche neu. Die Automatisierung wird die Baustelle weiter revolutionieren. Autonome Baufahrzeuge wie selbstfahrender Lader und Bagger werden die Produktivität und Sicherheit erhöhen.
Die Robotik wird eine entscheidende Rolle bei sich wiederholenden oder gefährlichen Aufgaben spielen. Mit dem zunehmenden Umfang von Infrastrukturprojekten ist die Sicherheit zu einem vorrangigen Anliegen geworden. Die Integration von durch künstliche Intelligenz gestützten Sicherheitssystemen wie Kollisionsvermeidung und Ermüdungserkennung des Bedieners wird die Sicherheit auf Baustellen erhöhen. Körpernahe Technologien wie intelligente Helme und Westen stellen Echtzeitwarnungen bereit und überwachen wichtige Statistiken.
Intelligente Technologieintegration
Intelligente Baumaschinen ermöglichen eine Echtzeitüberwachung und vorausschauende Wartung. Diese Technologien tragen dazu bei, die Maschinenleistung zu optimieren, Ausfallzeiten zu reduzieren und die Lebensdauer der Anlagen zu verlängern, um eine höhere Betriebseffizienz zu gewährleisten. Die Technologie des digitalen Zwillings wird die Projektplanung und -ausführung durch die Erstellung virtueller Nachbildungen von Geräten und Baustellen verändern. Dies ermöglicht eine Simulation und Optimierung in Echtzeit und hilft den Beteiligten, potenzielle Herausforderungen zu bewältigen, bevor sie auftreten.
Innovationen bei Materialien wie leichten Verbundwerkstoffen und selbstheilendem Beton werden die Haltbarkeit und Leistung von Baumaschinen verbessern. In der Zwischenzeit wird die 3D-Drucktechnologie die schnelle Herstellung kundenspezifischer Teile ermöglichen, die Vorlaufzeiten verkürzen und schnellere Wartungslösungen gewährleisten. Modulare Baumaschinen mit austauschbaren Komponenten werden den unterschiedlichen Projektanforderungen gerecht, bieten Flexibilität und reduzieren den Bedarf an mehreren Maschinen. Diese anpassungsfähigen Designs werden auch dem wachsenden Trend zur Urbanisierung und zu kompakten Bauräumen entsprechen.
Von Werner Kemper
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New Delhi