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Interview | Irak | Öl- und Gaswirtschaft

"Korruption ist leider die dunkle Seite des Geschäfts in Irak"

Iraks Ölindustrie investiert Milliarden und pocht auf Qualität. Das Setting passt für deutsche Anbieter, die Vertriebsstrukturen weniger. Ein irakischer Vertreter gibt Einblicke. 

Von Ulrich Binkert | Bonn

Der Mann, der hier ohne Namen bleiben soll, verkauft Messgeräte und andere Produkte westlicher Hersteller an Kunden in der irakischen Ölindustrie. Die Margen sind groß, die Herausforderungen aber ebenso. So sind bei Geschäften mit privaten Kunden auch immer Vertreter staatlicher Organisationen zu überzeugen. In diesem Teil des Interviews sprechen wir unter anderem über das Ausmaß der Korruption in Irak und wie westliche Technikanbieter ihre Compliance absichern können.

Irak hat in der deutschen Geschäftswelt nicht den besten Ruf. Zurecht?

Es gibt Herausforderungen, sicher. Aber gerade die Öl- und Gasindustrie investiert viel in Produkte mit hoher Qualität, wie sie gerade Deutschland liefert. Und das bei guten Preisen. Eine bestimmte Osmoseanlage für ein Klärwerk, die in Dubai vielleicht 5.000 Dollar kostet, lässt sich in Irak für 8.000 Dollar verkaufen. 

Die Öl- und Gasfelder Iraks sind im nationalen Besitz.

Zuletzt haben sich Chinesen stark in irakische Ölfelder eingekauft. Beschaffen sie billigere Technik aus China? 

Wir haben auch chinesische Kunden. Dort arbeiten auch viele Chinesen. Wir stellen aber kein anderes Beschaffungsverhalten fest als bei westlichen oder einheimischen Ölfirmen. Sicherheit und Produktqualität stehen in der Ölbranche an erster Stelle, und die Kunden bevorzugen bewährte Technik. Für eine koreanisch investierte Pipeline wollte ein Vertreter unlängst koreanische Produkte platzieren. Die staatliche Ölgesellschaft lehnte ab. Sie bestand auf Marken aus den USA, Europa oder Japan. Südkorea ging nicht und China schon gar nicht. 

Sind die staatlichen Ölunternehmen denn die Kunden, die bestimmen?

Die Öl- und Gasfelder Iraks sind im nationalen Besitz. Direkte Kunden sind aber nationale oder internationale Ölfirmen, welche die Felder als Investoren entwickeln und üblicherweise auch betreiben. Gemanagt werden die Ölfelder offiziell von beiden Parteien.

Wer bestimmt denn nun bei Beschaffungen?

Beide. Aber ohne Zustimmung des staatlichen Partners wird ein Geschäft nicht laufen. Als Technikvertreter muss man zunächst die staatliche Ölfirma überzeugen und erst dann den Investor. Erst bei eingeführten Produkten und Geschäftsbeziehungen kann man eventuell gleich mit dem Endkunden zusammenarbeiten. Man hat es also mit zwei Projektmanagern zu tun, die aus unterschiedlichen Firmen kommen und gleichberechtigt sind. Beide müssen zustimmen.

Klingt kompliziert. Haben Sie ein Beispiel?

Wir vertreten eine junge US-amerikanische Firma mit einer neuartigen Technik: Ihr Gerät kann rauchlos das Gas verbrennen, das in Irak bei der Ölförderung als Fackelgas anfällt. Wegen des hohen Schwefelgehalts ist das ein größeres Umweltproblem. Wir suchten zuerst den Kontakt zum staatlichen Eigentümer des Ölfeldes und erklärten die Technik. Dann organisierten wir virtuelle Meetings mit der US-Firma.

Schickte die US-Firma später auch Personal?

Ja, zwei Mitarbeiter präsentierten ihre Anlagen 40 Vertretern des staatlichen Stakeholders. Da war noch kein Vertreter der internationalen Ölfirma dabei, die das Ölfeld betreibt. 

Zum Erfolg braucht man hier einen langen Atem.

Mit Erfolg?

Die staatlichen Vertreter waren jedenfalls überzeugt. Sie haben dann alle Informationen an den Investor weitergegeben. Sie werden ihm die Technik voraussichtlich empfehlen und vermutlich auch anderen Investoren auf irakischen Ölfeldern. Inzwischen reden wir direkt mit dem Investor und hoffen, dass wir demnächst einen Vertrag abschließen. Kennengelernt hat einer meiner Ingenieure den US-Partner übrigens vor anderthalb Jahren auf einer Messe in Houston. Zum Erfolg braucht man hier einen langen Atem. 

Viele Partner wollen überzeugt werden – ist Korruption da kein Thema?

Das ist leider die dunkle Seite des Geschäfts in Irak. Ich schätze, bei mehr als 60 Prozent aller Projekte in der Öl- und Gasindustrie geht es nur dann vorwärts, wenn Leute von der anderen Seite ihren Anteil bekommen. Es gibt in Irak diese Kultur des Gebens und Nehmens, gerade in öffentlichen Institutionen. 

Können Sie das konkretisieren?

Manche Anbieter schieben schon mal Geld unter dem Tisch rüber, wenn technische oder kaufmännische Argumente nicht fruchten wollen. Das ist bei privaten Einladungen von Bietern so, mit denen Kunden ihre Ausrüstungen teils beschaffen. Und auch bei Ausschreibungen: Anbieter können dann eher Informationen erhalten und auf die relevanten Auswahllisten kommen. Dabei gilt es immer auch die staatlichen Stakeholder im Blick zu behalten. Man trifft sich zum Kaffee oder Tee, lädt zum Essen ein. Und manchmal werden ein iPhone für den Sohn erwartet oder andere Aufmerksamkeiten. So etwas dokumentiert natürlich niemand.

Compliance ist ein kritisches Thema im gesamten Ölgeschäft.

Wie sichern westliche Techniklieferanten da ihre Compliance?

Indem sie sich aus der direkten Marktarbeit raushalten: Sie verkaufen ihre Produkte an ihren Partner in Irak. Der vertreibt sie dort und ist verantwortlich für das ganze lokale Geschäft. Nebenbei: Compliance ist ein kritisches Thema im gesamten Ölgeschäft. Ich sehe da wachsende Probleme auch auf der Seite internationaler Player, die in Irak hauptsächlich mit Personal aus der Region und Südasien arbeiten und dies managen müssen. 

Als Eigenhändler hat der Vertreter aber das volle Marktrisiko und hohe Kapitalkosten.

Der ausländische Partner beteiligt sich daran, indem er etwa großzügige Zahlungsziele einräumt. Er muss auch Vertrauen haben. Er will ja von unseren Marktkenntnissen und unserem Netzwerk profitieren. Davon etwa, dass ich an derselben Uni in Basra studiert habe wie etliche Ingenieure unserer staatlichen Partner. 

Lesen Sie im Anschluss den zweiten Teil des Interviews!

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