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Wirtschaftsausblick | Irak
Iraks neuer Ministerpräsident Mohammed Al-Sudani versucht das Land politisch zu beruhigen und ökonomisch zu modernisieren. Dabei helfen die hohen Öleinnahmen.
20.01.2023
Von Detlef Gürtler | Berlin
Kaum ein Staat weltweit verzeichnete 2022 derart hohe Wachstumsraten wie der Irak. Auf 9,3 Prozent schätzt der Internationale Währungsfonds das reale Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Der mit Abstand wichtigste Grund sind die kriegs- und krisenbedingt massiv angestiegenen Weltmarktpreise für Erdöl. Für 2023 wird eine BIP-Wachstumsrate von etwa 4 Prozent prognostiziert.
Mit rund 4,5 Millionen Barrel pro Tag beziehungsweise einem Anteil von 4,5 Prozent an der weltweiten Produktion nahm der Irak im Jahr 2022 Rang 5 der Ölförderländer ein. Die nominale Kapazität soll in den kommenden fünf Jahren von derzeit 5 Millionen auf 7 Millionen Barrel pro Tag ausgeweitet werden. Irak gehört zu den am stärksten von Öl abhängigen Ländern der Welt: Im Jahr 2022 entfielen nach Angaben des irakischen Planungsministeriums 57 Prozent des BIP allein auf die Ölindustrie.
Der Ölsektor bleibt in Irak kurz- und auch mittelfristig der maßgebliche Wachstumstreiber. Die hohen Einnahmen daraus geben der neuen Regierung unter Ministerpräsident Mohammed Al-Sudani zudem Spielraum für ökonomische Reformen. Nach einem Jahr voller Unruhen und Machtkämpfe signalisierte die Wahl Al-Sudanis im Oktober 2022 eine politische Stabilisierung. Die Regierung wird von einer vergleichsweise breiten, aber auch heterogenen Koalition getragen.
Dennoch bleibt die politische Lage des Irak weiterhin spannungsreich. Einige der an der Regierung beteiligten Parteien zeigen eine große Nähe zum Iran, Al-Sudani selbst betreibt hingegen eine wirtschaftliche Öffnung in Richtung Europa. Sein erster Staatsbesuch außerhalb der Region führte ihn im Januar 2023 nach Deutschland. Mit dem Nachbarn und großen Handelspartner Türkei bestehen Konflikte über den Wasserzufluss von Euphrat und Tigris, mit den kurdischen Provinzen im Norden streitet Bagdad über den Grad ihrer Autonomie und die Verteilung der Öleinnahmen. Hinzu kommt die noch immer nicht gänzlich beseitigte Gefahr durch den Terrorismus des "Islamischen Staates".
Indikator | 2021 | 2022* | Vergleichsdaten Deutschland 2022 |
---|---|---|---|
BIP (nominal, Mrd. US$) | 206,7 | 282,9 | 4.261 |
BIP pro Kopf (US$) | 5.012 | 6.696 | 51.214 |
Bevölkerung (Mio.) | 43,5 | 44,5 | 83,2 |
Wechselkurs (Jahresdurchschnitt, 1 Euro = ... Irak-Dinar) | 1.723 | 1.526 | - |
Die von Krieg und Bürgerkrieg geschlagenen Wunden behindern weiterhin eine ökonomische Normalisierung in weiten Teilen des Landes. So kommt es häufig zu flächendeckenden Stromausfällen, ein wichtiger Auslöser für die immer wieder aufflammenden politischen Unruhen. Die Reparatur und der Neubau von Kraftwerken und Stromleitungen sollen eine zentrale Rolle in den Investitionsvorhaben der Regierung spielen – auch ein im Januar 2023 unterzeichnetes Abkommen mit Siemens Energy über den Aufbau neuer Kraftwerkskapazitäten zielt in diese Richtung.
Allerdings gibt es im Irak eine große Zahl an angekündigten und dann steckengebliebenen Investitionsprojekten. Das betrifft beispielsweise sämtliche in den letzten Jahren auf den Weg gebrachte Solarstromvorhaben. Auch die Schnellbahn-Trasse Mossul-Kirkuk-Bagdad-Basra ist noch nicht über die Ankündigungsphase hinausgekommen.
Deutlich besser läuft die Umsetzung bei Wasser- und bei Wohnbauprojekten. Mit Großanlagen zur Entsalzung und Wasseraufbereitung will der Irak die Wasserverluste ausgleichen, die durch den Klimawandel und türkische Staudämme entstehen. Im Wohnungsbau geht es nicht nur um den Ersatz der im Krieg zerstörten Wohnungen, sondern um den Zusatzbedarf durch die steigende Bevölkerung: Derzeit wächst die Einwohnerzahl des Irak um etwa eine Million pro Jahr.
Projektbezeichnung | Summe | Projektstand | Projektträger |
---|---|---|---|
Hochgeschwindigkeits-Bahnlinie Bagdad - Mossul | 8.650 | Design, Auftragsvergabe geplant: 2. Quartal 2024 | Ministry of Transport |
Raffinerie und Petrochemie-Komplex Al Faw | 7.500 | Ausführung, Fertigstellung geplant: 4. Quartal 2025 | Ministry of Oil |
Hochgeschwindigkeits-Bahnlinie Bagdad - Basra | 6.100 | Design, Auftragsvergabe geplant: 2. Quartal 2024 | Ministry of Transport |
Kraftwerk und Entsalzungsanlage, Al Faw | 6.000 | Angebotsphase, Auftragsvergabe geplant: 2. Quartal 2023 | |
Rafael City, Bagdad | 5.000 | Design, Auftragsvergabe geplant: 2. Quartal 2024 | |
Modernisierung der Ölraffinerie Basra | 3.775 | Ausführung, Fertigstellung geplant: 4. Quartal 2025 | |
Ölfeld-Entwicklung, Artawi | 3.000 | Angebotsprüfung, Auftragsvergabe geplant: 2. Quartal 2023 | Ministry of Oil |
Pipeline für Rohöl-Export: Abschnitt Haditha - Aqaba Abschnitt Basra - Haditha Abschnitt Najaf - Aqaba | jeweils 2.833 | Angebotsprüfung, Auftragsvergabe geplant: 1. Quartal 2023 | Ministry of Oil |
Meerwasser-Entsalzungsanlage, Basra | 1.000 | Angebotsprüfung, Auftragsvergabe geplant: 1. Quartal 2023 | Ministry of Construction and Housing |
Sitz der Zentralbank, Bagdad | 650 | Ausführung, Fertigstellung geplant: 2. Quartal 2023 |
Informationen zu aktuellen geberfinanzierten Projekten bietet die GTAI-Länderseite Irak, Rubrik "Ausschreibungen" und "Entwicklungsprojekte".
Auch im Irak sind im Jahr 2022 die Verbraucherpreise deutlich gestiegen, allerdings geringer als in den westlichen Staaten. Die Inflationsrate lag 2022 bei 5,3 Prozent, für 2023 prognostizieren Experten des Economist Intelligence Unit (EIU) einen Preisanstieg von 4,9 Prozent.
Das hohe Niveau beim Ölpreis erhöht jedoch auch den staatlichen Spielraum zur Abfederung und Umverteilung. Zu den im Jahr 2022 umgesetzten Maßnahmen gehören direkte Zahlungen an Familien unterhalb der Armutsgrenze sowie der staatliche Ankauf von Getreide und ein Preisdeckel für Grundnahrungsmittel.
Wegen der höheren Ölpreise werden die Exportüberschüsse gemäß der EIU-Prognose hoch bleiben. Nach einem Überschuss im Warenhandel von rund 70 Milliarden US-Dollar (US$) im Jahr 2022 rechnet EIU für 2023 mit einer höheren Nachfrage nach Investitionsgütern sowie einem Anstieg der Importe gegenüber dem Vorjahr von etwa 25 Prozent. Damit dürfte sich der Handelsbilanzsaldo auf rund 50 Milliarden US$ verringern. Trotz defizitärer Dienstleistungsbilanz werden in der Leistungsbilanz für 2022 und 2023 erhebliche Überschüsse von rund 49 Milliarden beziehungsweise 22 Milliarden US$ erwartet. Die Auslandsverschuldung Iraks wird für 2022 auf 91,4 Milliarden US$ geschätzt.
2021 | 2022* | Veränderung 2022/2021 | |
---|---|---|---|
Importe (fob) | 34,6 | 57,1 | 65,0 |
Exporte (fob) | 72,8 | 127,6 | 75,3 |