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Investitionen pushen Italiens Luft- und Raumfahrtindustrie
Neue Fabriken für Flugzeuge und Satelliten und eine starke Innovationslandschaft: Italienische Luft- und Raumfahrtunternehmen wachsen.
23.12.2025
Von Torsten Pauly | Mailand
Italiens Luft- und Raumfahrtunternehmen sollen ihren Umsatz von 2025 bis 2030 jährlich um 10,5 Prozent ausweiten. Dies erwartet das Institut Grand View Horizon. In einigen Sparten ist die Dynamik besonders hoch. So schätzt die Hochschule Politecnico di Milano, dass der Umsatz mit Technik zur Erdbeobachtung 2025 landesweit um 28 Prozent steigt. Die intensive Forschung und Entwicklung in Italien eröffnet deutschen Unternehmen gute Möglichkeiten. Hinzu kommt, dass die Branche einen starken Zulieferbedarf hat.
Gute Wachstumsaussichten bestehen für die führenden Regionen wie etwa Venetien. Der dort generierte Branchenumsatz soll sich zwischen 2022 und 2040 laut Venice Sustainability Foundation und Boston Consulting Group auf 4,5 Milliarden Euro mehr als vervierfachen. In etwa jedes dritte Luft- und Raumfahrtunternehmen in Italien ist im Nordwesten des Landes ansässig. Aber auch in anderen Landesteilen sind Branchenakteure zu finden.
Fachtreffen erleichtern Kontaktanbahnungen
Die beste Gelegenheit zur Markterkundung bietet 2026 der Aerospace World Summit. Dieser findet vom 24. bis 26. Juni 2026 in Rom statt. Bereits vom 11. bis 13. Mai 2026 richtet Venedig die Space Meetings Veneto aus.
Fertigungsstätte für das größte Frachtflugzeug der Welt entsteht
Das größte Investitionsprojekt der Branche betrifft beispielsweise den Süden des Landes. In Grottaglie, in der Region Apulien, errichtet die US-Firma Radia zwischen 2026 und 2029 ein Werk für den Windrunner, das größte Frachtflugzeug der Welt. Dieses soll auch Turbinen und Pylonen für Offshore-Windparks problemlos transportieren können. Die Kosten für das Werk werden auf 3 Milliarden Euro geschätzt, wovon etwa die Hälfte der italienische Staat besteuert.
Apulien gilt als wichtiges Regionalzentrum für die Luft- und Raumfahrt. Unter anderem entwickelt und fertigt Italiens größter Rüstungskonzern Leonardo in Brindisi Komponenten für Hubschrauber. Das Unternehmen wartet dort außerdem sämtliche Militär- und Polizeihubschrauber des Landes. Der Satellitenhersteller Sitael hat in Apuliens Hauptstadt Bari seinen Sitz.
Leonardo will seine Raumfahrtaktivitäten mit Airbus und Thales fusionieren
Leonardo gilt als Italien führendes Unternehmen der Luft- und Raumfahrtindustrie. Neben Helikoptern entwickelt es auch Komponenten für Flugzeuge und Drohnen. Im Bereich Weltraum verfügt der Konzern zudem über Expertise in der Wiedergabe von Satellitenaufnahmen, bei Funktechnik, Atomuhren und Instrumente mit Hyperspektren.
Gemeinsam mit dem europäischen Airbus-Konzern und dem französischen Hersteller Thales strebt Leonardo seit Oktober 2025 eine Zusammenlegung der Raumfahrtsparten der drei beteiligten Akteure an. Bis 2027 könnte so ein großer internationaler Akteur mit 25.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von 6,5 Milliarden Euro entstehen. Zusammen mit Thales betreibt Leonardo bereits das auf Satelliten spezialisierte Joint Venture Telespazio, das unter anderem für künftige Mondmissionen der Europäischen Raumfahrtagentur ESA zuliefert.
Ein auf militärische Luftfahrttechnik spezialisierter Hersteller ist Avio Aero. Die im Besitz des US-Konzerns GE Aerospace befindliche Firma unterhält neben dem Hauptsitz Turin sechs weitere Standorte in Italien. Ein Entwicklungsschwerpunkt sind effizienterer Treibstoffverbrauch und geringere Emission von Kohlendioxid, auch dank leichterer Materialien.
Ein neues Projekt in Turin ist eine Satellitenfabrik. Dort schafft Space Industries innerhalb von fünf Jahren 300 überwiegend hochqualifizierte Arbeitsplätze. Ebenfalls in der Metropole der Region Piemont hat zudem der Hersteller APR Ende 2025 angekündigt, seine sterilen Produktionskapazitäten zu erweitern. APR ist auf Systeme zur Steuerung von Flüssigkeiten unter Weltraumbedingungen spezialisiert.
Hersteller sind innovationsstark
Um im weltweiten Wettbewerb zu bestehen, investieren italienische Luft- und Raumfahrtunternehmen stark in ihre Forschung und Entwicklung. Der Branchenverband Federazione Aziende Italiane per l’Aerospazio, la Difesa e la Sicurezza (AIAD) schätzt, dass seine Mitglieder hierfür 2024 etwa 5 Prozent ihrer Umsätze oder 1 Milliarde Euro aufgewendet haben.
Auch der italienische Forschungsverbund Consiglio Nazionale delle Ricerche (CNR) beschäftigt sich mit Luft- und Raumfahrttechnologie. Dessen Institut für angewandte Physik Istituto di Fisica Applicata (IFAC) unterhält Programme für optische Systeme und Sensoren, unter anderem zur Untersuchung der äußerst dünnen Atmosphäre im Weltall.
Neue Plasmastoffe für die Raumfahrt erforscht das CNR angegliederte Istituto per la Scienza e la Tecnologia dei Plasmi (ISTP). Ebenfalls unter dem Dach des CNR beschäftigt sich das Istituto di Scienza, Tecnologia e Sostenibilità per lo Sviluppo dei Materiali Ceramici (ISSCM) mit neuen für den Einsatz im Weltraum tauglichen Keramiken.
Es gibt Inkubatoren für Start-ups in mehreren Städten
Start-ups für die Luft- und Raumfahrttechnik können in Italien mit Unterstützung rechnen. Die Italienische Weltraumagentur Agenzia Spaziale Italiana (ASI) betreibt mit verschiedenen Partnern fünf Inkubatoren in Rom, Turin, Mailand, Brindisi und Padua.
Drohnen zum Einsatz für das Umweltmonitoring konzipiert unter anderem das 2023 in Bari gegründete Unternehmen Flying Demon. Das 2022 entstandene Start-up Airizon entwickelt Software, welche die Nachhaltigkeit von Flugzeugen steigert. Der 2020 gegründete Hersteller Manta Aircraft bringt zweisitzige Flugzeuge und Drohnen auf den Markt, die eine hohe Geschwindigkeit erreichen und neue Lösungen beim vertikalen Aufstieg bieten.
Italiens Cluster Tecnologico Nazionale Aerospazio (CTNA) vereint 15 regionale Cluster der Luft- und Raumfahrttechnik. Auch die Raumfahrtagentur ASI und mehrere Forschungseinrichtungen sind im CTNA vertreten. Speziell für militärisch genutzte Luft- und Raumfahrttechnik existiert zudem das Cluster Veicoli Aerospaziali e Difesa. Dieses zählt 325 Mitglieder aus Wirtschaft und Forschung.
Italiens Luft- und Raumfahrtindustrie erwirtschaftete 2023 den dritthöchsten Umsatz nach Deutschland und Frankreich in der EU. Ein Standortvorteil sind die wettbewerbsfähigen Lohnstückkosten, die 2023 in der Branche laut Eurostat um 14,9 Prozent günstiger waren als im EU-Durchschnitt.