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Die Sondermittel aus Europa könnten dem Investitionsstau in Italiens Landwirtschaft abhelfen.
11.01.2021
Von Oliver Döhne | Mailand
Der Green Deal der Europäischen Kommission gibt den Weg vor. Das gilt besonders für Italien, das zum einen der größte Nutznießer des Recovery Fund der EU (Next Generation EU) ist, als einer der größten Agrarproduzenten Europas aber auch von den thematischen Förderprogrammen, wie dem Landwirtschaftsfonds zur Entwicklung des ländlichen Raums profitiert. Der Weg geht in Richtung nachhaltiger und digital gestützter Landwirtschaft. Chancen bestehen hier für alle Akteure, die Italien auf diesem Weg unterstützen.
Italien will rund 37 Prozent der Sondermittel des Next Generation EU-Pakets für grüne Projekte verwenden, so wie es die EU-Kommission empfohlen hat. Das macht für Italien etwa 75 Milliarden Euro aus, die zu einem guten Teil auch in Agrarprojekte fließen werden. Im Entwurf der italienischen Regierung von Dezember 2020 ist explizit die nachhaltige Agrarwirtschaft als eines von 13 zentralen Projekten aufgeführt. Auch im Themenbereich Digitalisierung und Innovation, in den 48,7 Milliarden Euro aus dem Recovery Fund fließen sollen, ist "Agrikultur 4.0" eines von 13 zentralen Projekten.
Der Bedarf an Investitionen in der Landwirtschaft ist hoch. Allerdings haben viele der vorrangig kleinen Agrarbetriebe einen schwierigen Zugang zu Kapital. Dies könnte sich durch eine gezieltere Förderung im Rahmen des Landwirtschaftsfonds und des Recovery Fonds aber zumindest tendenziell ändern. Der Landwirtschaftsfonds für die regionale Entwicklung soll für Italien um rund 1,2 Milliarden Euro aufgestockt werden. Erste Mittel könnten schon Anfang 2021 vorgeschossen werden. Ein Schwerpunkt bei der Förderung der italienischen Regierung sollen dabei kleinere Betrieb sein, besonders solche, die von Frauen oder jungen Männern geführt werden, sowie Start-Ups, die sich mit Landwirtschaftstechnik befassen. Ausrüstung, Weiterbildung und Forschung für den Agrarsektor sind zudem in das Industrie 4.0-Förderprogramm "Transizione 4.0" des italienischen Wirtschaftsministeriums einbezogen.
Projekt | Investition (in Euro) | Stand | Projektträger |
---|---|---|---|
1.042.090 | 2018- 2021 | Region Venetien, Associazione Regionale Allevatori del Veneto | |
977.294 | 2018 - 2022 | Region Venetien, Consorzio Maiscoltori Cerealicoltori Polesani | |
867.347 | 2019 - 2021 | Region Piemont, Assocanapa | |
760.727 | 2019 - 2022 | Universität Mailand, Region Lombardei | |
732.229 | 2019 - 2022 | CREA Centro di ricerca Zootecnia e Acquacoltura, CRPA (Centro ricerche produzioni animali) und Region Lombardei | |
688.184 | 2018 - 2020 | Rete d'Impresa Livestock Smart Farming, Region Umbrien | |
504.490 | 2019 - 2022 | Gastreghini Srl, Region Marken | |
656.760 | 2019 - 2022 | Region Lombardei | |
632.547 | 2018 - 2020 | FAT (Fattoria Autonoma Tabacchi) , Region Umbrien | |
446.846 | 2019 - 2022 | Sannio Consorzio Tutela Vini, Region Kampanien | |
395.991 | 2019 - 2022 | Federazione Regionale COLDIRETTI Campania, Region Kampanien |
Auch wenn Italien selbst eine recht breit aufgestellte Zulieferindustrie besitzt, bestehen in allen Bereichen auch Chancen für deutsche Unternehmen. Darauf deuten zumindest die Importzahlen hin. Italien kaufte 2019 im Ausland rund 1,4 Milliarden Euro an Landtechnik, davon 721 Millionen Euro an Traktoren und 722 Millionen Euro an anderen Landmaschinen und 1,7 Milliarden Euro an Agrarchemikalien (davon 814 Millionen Euro an Düngemitteln und 873 Millionen Euro an Pflanzenschutzmitteln).
Bei Saatgut besteht großes Interesse an der Entwicklung von New Breeding Techniques (NbT), die in Italien unter dem Begriff Tecnologie di evoluzione assistita (TEA) laufen. Außerdem besteht potenzielle Nachfrage nach Biogasanlagen, da sich viele Betriebe zunehmend multifunktional aufstellen sowie nach Bewässerungsanlagen, was in Italien aufgrund seiner Topografie ein anhaltendes Thema ist. Dazu kommen digitale Lösungen, die zu mehr Effizienz, Nachhaltigkeit und Lebensmittelsicherheit führen. In der Zertifizierung des Warenursprungs besteht ein großer Bedarf. Hier ist beispielsweise das deutsche Unternehmen DNV-GL aktiv, das unter anderem italienische Olivenöle zertifiziert.
Das Interesse an Digitalisierung ist in der italienischen Landwirtschaft, gemessen an den meisten anderen Ländern, überdurchschnittlich hoch. Nach einer Studie des Politecnico Mailand umfasst der Markt für Agriculture 4.0-Anwendungen 2020 etwa 450 Millionen Euro, also rund 5 Prozent des globalen Umsatzes. Dies entspricht sowohl Italiens Anteil an der weltweiten Agrarproduktion als auch der Einwohnerzahl. Gegenüber dem Vorjahr wuchs der Wert um 22 Prozent.
Ein Schwerpunkt liegt laut der Studie bei der Datenanalyse, aber auch bei Drohnen und der Geolokalisierung. Laut der Studie ergaben sich 39 Prozent des Umsatzes bei Monitoring- und Kontrollsystemen für die Maschinen und Ausrüstung, 20 Prozent bei Software, 14 Prozent für neue Industrie 4.0-Maschinen, 10 Prozent für das Remote-Controlling für Anpflanzungen und 9 Prozent für die Geolokalisierung. Der Schwerpunkt der Angebotspalette liegt bei der Datenanalyse, Softwareplattformen, Geolokalisierung und, etwas weniger als in der momentanen Anwendung, bei der Steuerung von Maschinen.
Die Voraussetzungen für die digitale Wende in Italien sind zum Teil noch nicht ausreichend. Im Index für die digitale Aufnahmebereitschaft der Europäischen Union (DESI) schneidet Italien überraschend schlecht ab, besonders bei der digitalen Kompetenz (digital skills) der Bevölkerung. Marktexperten bestätigen, dass viele Investitionen in moderne digitale Anwendungen an mangelndem Verständnis für die Vorteile und die Möglichkeiten der Anwendung scheitern. Außerdem ist das Datennetz im ländlichen Raum vielerorts noch unzureichend.
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