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Kanadas Energienetzausbau schafft Chancen für deutsche Anbieter

Kanada investiert hohe Summen in Stromnetze, Speicher und Smart Grids. Deutsche Unternehmen können sich über Partnerschaften und Ausschreibungen gezielt einbringen.

Von Heiko Steinacher | Toronto

Die Energiebeziehungen zwischen Kanada und den USA stehen unter Druck: Die Provinz Ontario hat im März 2025 eine Steuer von 25Prozent auf Stromexporte in die USA eingeführt – als direkte Reaktion auf Strafzölle der Trump-Regierung. Ontarios Premier Doug Ford drohte sogar mit einem Lieferstopp.

Die Eskalation zeigt, wie verletzlich die nordamerikanischen Stromverflechtungen sind – und wie dringend Kanada seine Energieinfrastruktur resilienter und unabhängiger gestalten muss.

Gigawattweise Ausschreibungen für Erneuerbare und Speicherlösungen

Dies umso mehr, da Kanada seine Stromerzeugungskapazitäten verdoppeln muss, um den steigenden Bedarf zu decken. Ontario, Québec und Saskatchewan schreiben derzeit mehrere Gigawatt an erneuerbarer Energie aus – inklusive Speicherlösungen.

Ontario plant bis 2034 die Beschaffung von rund 5.000 Megawatt zusätzlicher Stromkapazitäten, darunter neue Erzeugungsanlagen aus Kernenergie, Wasserkraft, Erneuerbaren, Biomasse und Erdgas. Ergänzend wird die Batteriespeicherinfrastruktur deutlich ausgebaut, um die Netzintegration und Flexibilität zu verbessern – insbesondere im Hinblick auf den prognostizierten Anstieg des Strombedarfs um 75 Prozent bis 2050.

"Wir rechnen auch weiterhin mit einem deutlichen langfristigen Wachstum", sagte Chuck Farmer vom Stromnetzbetreiber IESO auf der Messe Electricity Transformation Canada (ETC) Anfang Oktober 2025 in Toronto. Die IESO ist die für Netzsteuerung und Energieplanung zuständige Behörde in Ontario. Um die dafür notwendige Infrastruktur zu schaffen, hat Ontario den "Building Ontario Fund" aufgestockt und will in den kommenden zwölf Jahren knapp 8 Milliarden US-Dollar (US$) in kritische Infrastrukturprojekte investieren – darunter auch Stromleitungen und Interkonnektoren in die Nachbarprovinzen.

Québec will seine Windkraftkapazität bis 2035 verdreifachen und setzt auf Ausschreibungen mit regionaler Wertschöpfung. Saskatchewan und Alberta kooperieren beim Aufbau kleiner, modularer Kernreaktoren, die als emissionsarme Technologie zur stabilen Grundlastversorgung beitragen und in Kanada als Teil der Energiewende gelten. Die Atlantikprovinzen hingegen investieren in den Ausbau der Stromnetze zur besseren Integration der Erneuerbaren. Dabei fördert der Bund Projekte zur Netzmodernisierung, Speicherintegration und Smart Grids mit mehr als 11,5 Millionen US$.

In Kanada existieren mehrere milliardenschwere Programme, die gezielt in Netztechnik, Speicherlösungen und dezentrale Energiesysteme investieren. Dazu zählen etwa das Smart Renewables and Electrification Pathways Program (SREPs) mit einem Volumen von 3,2 Milliarden US$, die Clean Electricity Investment Streams des Bundes sowie Initiativen der Canada Infrastructure Bank, die bis zu 7,2 Milliarden US$ für saubere Stromprojekte bereitstellt. Deutsche Firmen können sich über Technologiepartnerschaften, Ausschreibungen oder Direktinvestitionen einbringen – insbesondere, wenn sie skalierbare Lösungen für die Dekarbonisierung und Netzintegration anbieten.

Siemens digitalisiert das Stromnetz im Osten

Siemens ist zentraler Technologiepartner bei "Smart Grid Atlantic", einem bundesgeförderten Projekt zur Digitalisierung und Stabilisierung der Stromnetze in Nova Scotia und New Brunswick. Herzstück ist eine digitale Steuerungsplattform, die Solarstrom und Batteriespeicher in lokalen Energiegemeinschaften intelligent vernetzt und ins Netz integriert.

Siemens hat in Fredericton zwei globale Smart-Grid-Zentren sowie einen Cybersecurity-Standort aufgebaut. Für andere deutsche Anbieter können sich daraus Anschlusschancen ergeben.

Förderprogramm SREPs: Milliarden für Speicher und Netze

Ein Förderinstrument, das die Energiewende in Kanada maßgeblich vorantreibt, ist SREPs. Das mit rund 3,2 Milliarden US$ dotierte Bundesprogramm unterstützt:

  • Speicherlösungen (Batterie, Wasserstoff, hybrid)
  • Netzmodernisierung und Interkonnektoren
  • dezentrale Energiesysteme für Kommunen und Industrieparks

Bis Mai 2025 wurden im Rahmen des SREPs-Programms Fördermittel für 2.772 Megawatt an erneuerbarer Energiekapazität sowie 496 Megawatt an Speicherlösungen bewilligt. Davon sind rund 586 Megawatt Erneuerbare und 57 Megawatt Speicher bereits installiert. Bemerkenswert: Mehr als 61Prozent der Projekte haben eine indigene Beteiligung – ein klarer Fokus des Programms, das auch knapp 600 Millionen US$ für indigene Energieprojekte bereitgestellt hat.

Indigene Partnerschaften als Erfolgsmodell

Unternehmen wie Potentia Renewables setzen gezielt auf auf Partnerschaften mit indigenen Völkern, um lokale Akzeptanz und wirtschaftliche Mitgestaltung zu fördern. CEO Ben Greenhouse betonte auf der Electricity Transformation Canada die strategische Bedeutung solcher Kooperationen für die erfolgreiche Umsetzung von Energieprojekten.

Im Mai 2025 kündigte Potentia zwei Großprojekte in Saskatchewan an – einen Windpark und eine Solaranlage mit zusammen 300 Megawatt Leistung –, die jeweils gemeinsam mit einer indigenen Partnerorganisation realisiert werden, die 51 Prozent der Anteile hält. Die Projekte verkörpern laut Greenhouse die Prinzipien von Zusammenarbeit, Nachhaltigkeit und gemeinsamer wirtschaftlicher Teilhabe.

Fragmentierte Netze – aber Pläne für neue Verbindungen

Kanadas Stromnetze sind traditionell in Nord-Süd-Richtung ausgerichtet, mit starker Exportorientierung in die USA. Ost-West-Verbindungen fehlen weitgehend, was die Resilienz der nationalen Netze einschränkt. Doch es tut sich etwas:

  • Ontario und Manitoba prüfen den Bau einer Hochspannungsleitung mit 138 Kilovolt, um ihre Stromnetze besser zu koppeln
  • der Regionalversorger in Québec, Hydro-Québec, plant eine stärkere Integration mit Nachbarprovinzen – sowohl durch den Ausbau der Erzeugung als auch durch neue Verbindungsleitungen
  • der Bund fördert interprovinzielle Interkonnektoren als "Nation-Building Projects"

Der Bund fördert mit rund 29 Millionen US$ die Erweiterung von Hitachi Energy Canada in Québec – dem einzigen Hersteller von HVDC-Transformatoren in Kanada. Die Mittel stammen aus dem Strategic Response Fund und fließen unter anderem in den Ausbau der Produktion, ein neues Testlabor sowie ein Simulationszentrum für Hochspannungs-Gleichstromtechnik (HVDC) in Montréal. Dieses Verfahren ist für den verlustarmen Transport über große Distanzen entscheidend.

Vergabereform stärkt Projekttransparenz

Ein wichtiger Punkt für deutsche Anbieter ist die Reform des Canadian Free Trade Agreement (CFTA). Bislang erschwerten unterschiedliche Regelungen der Provinzen die Bearbeitung des kanadischen Marktes. Doch mit der im Frühjahr 2025 begonnenen Reform wurden sämtliche 53 föderalen Ausnahmen gestrichen – vor allem im Bereich öffentlicher Ausschreibungen. Dadurch gelten nun einheitliche Regeln für viele Projekte auf Bundesebene. Unternehmen können sich landesweit bewerben, ohne durch Sonderregelungen ausgebremst zu werden.

Auch wenn die Provinzen eigene Regulierungsbehörden behalten, schafft die Reform einen einheitlicheren Rahmen für technische Standards und Genehmigungen, insbesondere bei "Nation-Building Projects". Für deutsche Anbieter bedeutet das: mehr Transparenz, breiterer Marktzugang und bessere Planbarkeit.

Deutsch-kanadische Energiepartnerschaft gewinnt an Bedeutung

Kanadas Strominfrastruktur befindet sich im Umbruch. Die Regierung in Ottawa begrüßt ausländische Investoren zur Modernisierung des Energiesystems. Der zuständige Minister Tim Hodgson unterstrich Ende August in Berlin die strategische Bedeutung der bilateralen Partnerschaft: Sie sei Ausdruck gemeinsamer Werte und sicherheitspolitischer Interessen – und gehe weit über den klassischen Handel hinaus.

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