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Kanada öffnet Binnenmarkt: Chancen für den deutschen Mittelstand

Durch den Abbau interprovinzieller Handelshemmnisse verbessert Kanada die Rahmenbedingungen für öffentliche Aufträge, Mobilität und Kooperation – auch für deutsche Unternehmen.

Von Heiko Steinacher | Toronto

Ausgerechnet US-Präsident Donald Trump und seine protektionistische Handelspolitik haben in Kanada eine innenpolitische Dynamik ausgelöst, die deutsche Unternehmen aufhorchen lässt: Während US-Zölle von bis zu 35Prozent – bei Stahl und Aluminium sogar 50 Prozent – den Außenhandel mit den Vereinigten Staaten belasten, treibt Kanada die Öffnung seines eigenen Binnenmarkts voran. Das schafft neue Potenziale auch für internationale Partner.

Jahrzehntelang litten Unternehmen unter einem Flickenteppich aus provinzspezifischen Vorschriften, die den Handel innerhalb Kanadas erschwerten. Unterschiedliche Lebensmittelstandards, Lizenzregeln, Verpackungsvorgaben und Sprachgesetze – etwa in der überwiegend frankophonen Provinz Québec – führten dazu, dass der Export ins Ausland oft einfacher war als der Vertrieb in eine Nachbarprovinz.

Trumps Zölle als Katalysator

Seit Frühjahr 2025 hat die Bundesregierung in Ottawa mehrere Maßnahmen ergriffen, um den bislang stark fragmentierten Binnenmarkt Kanadas zu stärken – mit spürbaren Auswirkungen für ausländische Anbieter. So wurden sämtliche 53 föderalen Ausnahmen im Rahmen des Canadian Free Trade Agreement (CFTA) gestrichen. Das CFTA ist ein landesweites Handelsabkommen, das seit 2017 den freien Waren-, Dienstleistungs- und Investitionsverkehr zwischen den zehn Provinzen und drei Territorien fördern soll – vergleichbar mit dem EU-Binnenmarkt, jedoch bislang mit zahlreichen Ausnahmen und Sonderregelungen.

Betroffen von der Reform sind unter anderem die öffentliche Auftragsvergabe, der Zugang zu Infrastrukturprojekten im Energie- und Transportsektor sowie regulierte Bereiche wie Telekommunikation oder Postdienste. Für deutsche Unternehmen – etwa aus dem Maschinenbau, der Energietechnik oder der Verkehrsinfrastruktur – bedeutet das mehr Planungssicherheit und größere Marktchancen: Ihre kanadischen Partner können sich künftig landesweit auf öffentliche Ausschreibungen bewerben, ohne durch föderale Sonderregelungen ausgebremst zu werden.

Die Marktöffnung bringt jedoch nicht nur neue Möglichkeiten mit sich, sondern auch stärkeren Wettbewerb: Kanadische Anbieter, die bislang nur regional aktiv waren, erhalten nun leichter Zugang zu nationalen Ausschreibungen und Kunden.

Einheitliche digitale Standards und Schnittstellen

Parallel dazu wurde das föderale Koordinierungsgremium Committee on Internal Trade neu aufgestellt. Es soll die Harmonisierung technischer Standards und die gegenseitige Anerkennung beruflicher Qualifikationen zwischen den Provinzen vorantreiben. Auch deutsche Unternehmen wie Siemens, SAP oder KIRCHHOFF Automotive, die in Kanada mit mehreren Standorten vertreten sind, könnten davon profitieren – etwa durch vereinfachte Zulassungsverfahren, bessere Arbeitsmobilität oder effizientere Lieferketten.

Ein zentraler Bestandteil der Reformstrategie sind digitale Schnittstellen, die Genehmigungsprozesse vereinfachen und insbesondere deutschen Technologieanbietern wie zum Beispiel Shopware neue Geschäftschancen eröffnen. Ihre Lösungen helfen kanadischen Unternehmen, regulatorische Anforderungen effizient zu managen sowie landesweit skalierbare Vertriebs- und Verwaltungsstrukturen aufzubauen.

Provinzen als Treiber von Reformen

Während die Regierung des Landes die Rahmenbedingungen schafft, liegt die konkrete Umsetzung bei den Provinzen und Territorien. Am 8. Juli 2025 unterzeichneten die meisten von ihnen ein Memorandum of Understanding. Es sieht vor, den direkten Verkauf alkoholischer Getränke über Provinzgrenzen hinweg bis Mai 2026 zu ermöglichen. Die Provinzen Neufundland und Labrador sowie das Yukon-Territorium schlossen sich dem Abkommen bislang nicht an.

Darüber hinaus haben mehrere Provinzen Gesetzesinitiativen zur gegenseitigen Anerkennung von Berufsabschlüssen, Standards und Zulassungen angestoßen. Ziel ist es, regulatorische Doppelstrukturen abzubauen, die Arbeitsmobilität zu verbessern und Transportvorschriften zu harmonisieren. Das dürfte insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) den Zugang zu neuen Märkten erleichtern.

Binnenmarktöffnung sorgt für Belebung der Konjunktur

Laut einer Studie des Internationalen Währungsfonds aus dem Jahr 2019 könnte die Liberalisierung des Binnenmarkts das kanadische Bruttoinlandsprodukt pro Kopf um bis zu 4Prozent steigern. Die Reformen sollen Produktivität und Effizienz erhöhen, insbesondere bei KMU, die bislang nur lokal tätig waren. Deutsche Unternehmen, die frühzeitig strategische Partnerschaften aufbauen und die regulatorischen Entwicklungen im Blick behalten, können von dieser Öffnung profitieren.

Kanadas Binnenmarkt im WandelDiese Branchen profitieren vom Abbau der Handelshürden zwischen den Provinzen
SektorHemmnisse *)
Nahrungsmittel und Getränke
  • unterschiedliche Standards bei Etiketten, Inhaltsangaben und Sprache (zum Beispiel Französischpflicht in Québec)
  • mehrfache Inspektionen bei Provinzwechsel
  • Direktvertrieb alkoholischer Produkte oft verboten
Bau und Handwerk
  • abweichende Bauvorschriften (Materialien, Sicherheitsstandards)
  • separate Lizenzen für Architekten, Ingenieure, Handwerker
Gesundheit und Medizintechnik
  • unterschiedliche Zulassungsstandards für Geräte und Medikamente
  • Berufsanerkennung oft nur provinzintern
Kfz und Zulieferer
  • abweichende Anforderungen bei Zulassung und Sicherheit
  • komplexe Lieferketten durch Binnenmarktbarrieren
Digitalwirtschaft und Dienstleistungen
  • unterschiedliche Datenschutz- und IT-Sicherheitsstandards
  • Hürden bei grenzüberschreitender Dienstleistungserbringung
* Gleichzeitig ergeben sich vor allem in diesen Bereichen auch Chancen für deutsche Anbieter.Quelle: Darstellung von Germany Trade & Invest 2025 (auf Basis von Statistics Canada und Canadian Survey on Interprovincial Trade 2023)

Auch auf zolltechnischer Ebene wurden zuletzt Erleichterungen beschlossen – etwa durch die gegenseitige Anerkennung von AEO-Programmen zwischen Kanada und der EU. Davon profitieren vor allem mittelständische Exporteure, die auf reibungslose Prozesse und verlässliche Lieferketten angewiesen sind.

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